Die italienischen Küstenwache beobachtet eine Rettungsaktion von Ärzte ohne Grenzen, die Migranten und Flüchtlinge im Mittelmeer von einem Boot in Seenot retten (Archivbild)
Bildrechte: MSF/dpa

Die Verteilung von Migranten und Geflüchteten in der EU gestaltet sich weiter schwierig (Archivbild)

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Ringen um EU-Asylpolitik: Hilfsbereitschaft mit Grenzen?

Die Verhandlungen über eine Asylreform der EU-Innenminister verlaufen zäh: Die Beratungen in Luxemburg bleiben bisher ohne Ergebnis und zeigen deutlich: Das Thema ist hochemotional, die Interessen der einzelnen Länder gehen weit auseinander.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Mehrheit der EU-Staaten will angesichts steigender Flüchtlingszahlen das Asylsystem verschärfen, in Luxemburg ringen die EU-Innenminister seit Stunden um härtere Asylregeln – bislang ohne Erfolg.

27 EU-Mitgliedsstaaten mit unterschiedlichen Interessen in Asylpolitik

Während Länder wie die Niederlande oder Österreich eine Verschärfung der Asyl-Regeln fordern, sehen das andere Staaten skeptisch. So stimmte Deutschlands Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dem schärferen Asylverfahren mit vorgesehenen Grenzverfahren zwar generell zu, forderte aber erneut eine Ausnahme für Familien mit Kindern – und bleibt damit unter ihren EU-Kollegen weitgehend allein.

Italiens Innenminister Matteo Piantedosi warnte vor zusätzlichen Belastungen für sein Land, sollte es keine Änderungen des vorliegenden Kompromisspapiers des schwedischen EU-Ratsvorsitzes geben. Die Verhandlungen stehen auf der Kippe: Italien und Griechenland könnten dem Kompromissvorschlag der EU-Ratspräsidentschaft nicht zustimmen – doch ohne die beiden Länder wäre die Reform gescheitert.

Polen und Ungarn beispielsweise lehnten die EU-Asylreform kategorisch ab – sie müssten nach den Vorschlägen künftig Geld für jeden Migranten zahlen, den sie nicht aufnehmen.

Faeser: "Ich möchte in einem Europa der offenen Grenzen leben"

Sollte es zu keiner gemeinsamen Lösung kommen, warnte Bundesinnenministerin Faeser im ARD-Morgenmagazin vor einem Ende der offenen Grenzen in Europa: "Wahrscheinlich ist dann Schengen, so wie wir es kennen mit offenen Grenzen, nicht mehr möglich. Ich möchte aber in einem Europa der offenen Grenzen leben und ich glaube das verbindet uns auch in der Bundesregierung."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hofft auf eine Einigung der Innenminister am heutigen Donnerstag "oder spätestens bald". Der Kanzler warnte vor einem Scheitern, sollten die steigenden Flüchtlingszahlen nicht gemeinsam angegangen werden.

Reform: Asylverfahren an Europas Außengrenzen

Die Reform der EU-Migrationspolitik sieht drei wesentliche Veränderungen vor: Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, Ausweitung der "sicheren Drittstaaten" und gerechte Verteilung sowie Solidarität.

Erstmals sind demnach Asylverfahren an Europas Außengrenzen geplant: Migranten aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent sollen direkt nach dem Grenzübertritt in grenznahen, streng kontrollierten Asylzentren untergebracht werden. Dort prüfen die Behörden, ob ihr Asylantrag zulässig ist. Ist er es nicht, sollen die Menschen zurück in ihre Heimat. Betroffen davon wären beispielsweise Menschen aus der Türkei, Indien oder Albanien. Migranten aus Syrien oder Afghanistan hingegen – die Mehrheit der Flüchtlinge – sollen weiter ein normales Asylverfahren durchlaufen.

Massive Kritik an Grenzverfahren: Menschenrechte in Gefahr?

Innerhalb Deutschlands stößt das Grenzverfahren auf heftige Kritik: Nicht nur Vertreter von Grünen und SPD, sondern auch Flüchtlingsorganisationen, Kirchenvertreter und Gewerkschaften sprechen sich dagegen aus. So appellierte unter anderem die Gewerkschaft Verdi an die Bundesregierung, einer Verschärfung des Asylrechts nicht zuzustimmen – mit Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen drohten Zustände in ganz Europa, die bereits jetzt schon Realität auf den griechischen Inseln seien.

Auch der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm kritisierte die geplanten Flüchtlingslager an den EU-Außengrenzen, die "Gefängnissen ähneln". Er mahnte indes zur Wahrung der Menschenwürde. Ähnlich argumentierte die Linken-Vorsitzende Janine Wissler, die die Asylzentren als "Knäste vor den Mauern Europas" bezeichnete.

Kommunen an Kapazitätsgrenzen

Asylverfahren an den EU-Außengrenzen durchzuführen anstatt hierzulande, stößt hingegen bei einigen Bürgermeistern und Landräten auf Zustimmung, wie aus einem BR24-Gespräch mit Uwe Brandl (CSU), Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds aus Abensberg in Niederbayern, durchklingt. Das Weiterziehen von Geflüchteten aus anderen EU-Staaten nach Deutschland sieht er mitunter als größtes Problem an, mit dem letztlich die Kommunen umzugehen hätten.

Mit Material von dpa und Reuters.

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