Wie geräuschvoll darf gutes Regieren sein? Christian Lindner und Olaf Scholz präsentierten am Ende von 1,5 Tagen Meseberger Klausur unterschiedliche Definitionen. "Wir sind eine Regierung, wo gehämmert und geschraubt wird", beschreibt Lindner jenes Kabinett, dem er als Finanzminister angehört. Hämmern und Schrauben führe zu Geräuschen, aber es komme eben auch was raus, bilanzierte Lindner. Das sieht der Kanzler im Grundsatz nicht anders, aber zu geräuschvoll soll aus seiner Sicht auch nicht regiert werden. Man werde "hämmern und klopfen, aber mit Schalldämpfer", kündigte Olaf Scholz an.
Ampel will besser kommunizieren
Aus der Sicht des Kanzlers fehlte, um im Bild zu bleiben, zuletzt einem Teil des Kabinetts beim Regieren der Schalldämpfer. Der öffentlichkeitswirksam ausgetragene Streit zwischen Familienministerin Petra Paus (Grüne) und Finanzminister Lindner (FDP) um die Kindergrundsicherung belastete das Erscheinungsbild der Ampel und überlagerte, die nach Auffassung von Scholz "sehr erfolgreiche Leistungsbilanz." Er wünscht sich eine bessere Kommunikation des Kabinetts.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verband damit am Ende der Meseberger Klausur eine Erwartungshaltung: Aufgabe der Regierung, sagte Habeck, sei zu verstehen, dass "verschiedene Blickwinkel eine Stärke sind, dass man voneinander lernen kann und dass Kompromisse was Gutes sind". Die rot-gelb-grüne Regierung bot in Meseberg das gewünschte Bild der Geschlossenheit. Themen, bei denen Uneinigkeit zwischen den Koalitionären herrscht, wurden ausgespart.
Konfliktthemen vertagt
Auf das Thema Industriestrompreis gingen Scholz, Habeck und Lindner bei der Abschlusspressekonferenz in Meseberg nur auf Nachfrage ein. Der Kanzler verwies darauf, dass andere energiepolitische Maßnahmen wie der Ausbau von Leitungen und erneuerbaren Energien zu einem Sinken der Strompreise führen würden. Scholz sieht einen subventionierten Strompreis für energieintensive Industriezweige weiter skeptisch. Auch Finanzminister Lindner ist dagegen. Wirtschaftsminister Habeck und die Grünen sowie weite Teile der SPD sind für eine Subventionierung.
Sieben Bundesländer, darunter auch Bayern, verlangen unterdessen in einem gemeinsamen Appell günstigere Strompreise, um konkret eine Abwanderung von Chemiebetrieben, zum Beispiel aus dem Chemiedreieck rund um das oberbayerische Burghausen, ins Ausland zu verhindern. Neben dem Industriestrompreis wurde auch ein weiteres Thema mit Spaltpotenzial in Meseberg nicht behandelt. Die Deckelung von Mieten, wurde offiziell komplett ausgespart. SPD und Grüne sind dafür. Die FDP ist dagegen.
Wachstum fördern, Bürokratie abbauen, Digitalisierung vorantreiben
Beschlossen wurde in Meseberg nun das bereits am ersten Tag der Klausur vorgestellte Wachstumschancengesetz von Finanzminister Lindner. Mit jährlichen Steuererleichterungen und anderen Anreizen in Höhe von jährlich rund sieben Milliarden Euro sollen bis 2028 Investitionsimpulse, zum Beispiel beim Wohnungsbau, gesetzt werden, um so die deutsche Wirtschaft anzukurbeln. Das Gesetz muss neben dem Bundestag auch den Bundesrat passieren und aus den Ländern kommt Kritik an dem Paket, weil es zu weniger Steuereinnahmen in Ländern und Kommunen führt.
Ebenfalls vom Kabinett auf den Weg gebracht, wurde ein Gesetzentwurf zum Abbau von Bürokratie. Es sieht unter anderem verkürzte Aufbewahrungsvorschriften für Dokumente vor. Beschlossen hat das Kabinett auch zwei Gesetzentwürfe von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. Vorgesehen ist zum Beispiel die Einführung einer elektronischen Patientenakte. Grünes Licht gab das Kabinett in Meseberg auch für die Einstufung von Georgien und Moldau als sogenannte sichere Herkunftsstaaten. Dadurch sollen Asylverfahren beschleunigt werden können.
Im Video: BR-Korrespondentin Stephanie Stauss aus Meseberg
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