Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner glaubt  nicht, dass der Streit in der Ampel etwas mit dem Umfragehoch der AfD zu tun hat.
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Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner glaubt nicht, dass der Streit in der Ampel etwas mit dem Umfragehoch der AfD zu tun hat.

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Christian Lindner: AfD-Hoch liegt nicht am Ampel-Streit

Die AfD hat gerade gute Umfragewerte - doch FDP-Chef Lindner sieht die Schuld nicht bei den Streitereien der Koalition. Bei BR24 macht der Bundesfinanzminister zudem klar: Das Ehegattensplitting bleibt, für die Kindergrundsicherung gibt's nicht mehr.

Über dieses Thema berichtet: Interview der Woche am .

Die Ampel-Koalition geht stark angeschlagen in die Sommerpause. Der Streit um das Gebäudeenergiegesetz der vergangenen Monate hat Spuren hinterlassen. In Umfragen ist eine Mehrheit wenig oder gar nicht zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung. Viele wünschen sich mehr Geschlossenheit - auch unter den Koalitionären.

"Die AfD verliert an Zuspruch, wenn Probleme gelöst werden"

Der Vorsitzende der Regierungspartei FDP und Bundesfinanzminister, Christian Lindner, glaubt jedoch nicht, dass der Streit in der Ampel etwas mit dem Umfragehoch der AfD zu tun hat. Im BR24 Interview der Woche sagt er: "Die Erzählung, der Streit in der Regierung macht die AfD stark, diese Erzählung teile ich nicht."

Würde die FDP alle grünen Ideen "von Umverteilung, von Verboten, von ideologischer Klima- und Energiepolitik" unkritisch unterschreiben, würde die AfD nicht kleiner. Im Gegenteil, glaubt Lindner: "Ich bin fest davon überzeugt, die AfD verliert an Zuspruch, wenn Probleme gelöst werden." Am besten überall dort, wo über Jahre Defizite zu beobachten sind.

Die Bundesregierung habe schon einiges erreicht, betont der FDP-Chef. "Aber wir müssen uns bemühen, noch ambitionierter auf die Sorgen der Menschen mit guter Politik einzugehen." Zum Beispiel bei den Themen Klimaschutz, Wohlstand und vor allem Migration. Die Menschen würden unkontrollierte Einwanderung nach Deutschland in den Sozialstaat als Problem ansehen. Auch Lindner sieht das so: "Da brauchen wir einen Richtungswechsel, den wir eingeleitet haben."

Lindner: Ehegattensplitting wird in dieser Koalition nicht abgeschafft

Kritik übt Lindner an Vorstößen aus den Reihen von SPD und Grüne, die koalitionsintern nicht abgesprochen seien. Jüngstes Beispiel: SPD-Parteichef Lars Klingbeil hatte vor wenigen Tagen vorgeschlagen, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Diesen Vorschlag lehnen Lindner und seine FDP entschieden ab.

Viele Paare in Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften würden dadurch steuerlich stärker belastet. "Das wird nicht kommen in dieser Wahlperiode des Deutschen Bundestages", so der FDP-Politiker. Das sei weder in der Koalition verabredet noch für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler fair. "Die arbeitende Mitte in unserem Land trägt bereits hohe Lasten und darf nicht weiter belastet werden. Ich werte das bereits als Wahlkampfmelodie für das Jahr 2025."

Weiterer Ampel-Streit? "Habe ich nicht in der Hand"

Auf die Frage, ob sich die Bürgerinnen und Bürger bis zur nächsten Bundestagswahl immer wieder auf Streit in der Ampel-Koalition einstellen müssten, sagte Lindner: "Das hat die FDP nicht allein in der Hand. Auch ich nicht." Statt Alleingänge fordert er, künftig die Gemeinsamkeiten der Koalition stärker herauszuarbeiten.

Für viele Menschen gilt die FDP oft als Nein-Sager und Blockierer in der Bundesregierung. Konflikte um den Neu- und Ausbau von Straßen oder eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken eskalierten - insbesondere zwischen FDP und Grünen. Der AKW-Streit konnte nur durch ein Machtwort des Bundeskanzlers beendet werden. Viele Liberale setzten darauf, Profil und klare Kante in der Koalition zu zeigen, auch wenn dies einen Koalitionsstreit provoziere.

Bayern und Hessen: Kein Aufwind für die FDP in Umfragen

In Umfragen hat sich dies bisher wenig für die Partei ausgezahlt. Auch bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen am 8. Oktober müssen die Liberalen bangen - im Freistaat sogar um den Wiedereinzug in den Landtag. Je nach Umfrageinstitut kommt die FDP in Bayern zuletzt auf vier bis fünf Prozent.

Aktuell ringt die Bundesregierung um den richtigen Kurs in der Familienpolitik. Lindner stellt klar: Er sieht keine finanziellen Spielräume, die geplante Kindergrundsicherung mit mehr Geld auszustatten. Im BR24 Interview der Woche erklärt er: "Bei den Finanzierungsmöglichkeiten muss man sehen, dass jede strukturelle, also auf Dauer angelegte Mehrausgabe eine Gegenfinanzierung braucht." Wer also jährlich auf Dauer mehr Geld einsetzen möchte, müsse sagen, woher das Geld komme.

Zwei, sieben oder 12 Milliarden Euro mehr für Kinder?

Der FDP-Minister hat bisher zwei Milliarden Euro im Haushalt für die Kindergrundsicherung eingeplant. Für Familienministerin Lisa Paus ist das zu wenig. Die Grünen-Politikerin forderte ursprünglich zwölf Milliarden Euro. Zuletzt sprach sie von bis zu sieben Milliarden Euro.

Lindner zweifelt zudem daran, dass mit immer mehr Geld Kinderarmut vermieden werden könne. Er fragt sich, ob bei Kindern mit Migrationshintergrund nicht mehr in Integration und Bildung investiert werden sollte, statt an die Eltern höhere staatliche Leistungen zu überweisen.

Kampf gegen Kinderarmut: Grüne fordern mehr Geld

In der Kindergrundsicherung sollen künftig sämtliche Leistungen wie Kindergeld und Kinderzuschlag zusammengefasst werden. Eltern sollen es dadurch leichter haben, von den verschiedenen Angeboten zu erfahren und sie zu erhalten.

Die Grünen wünschen sich aber nicht nur eine Zusammenführung bestehender Leistungen, sondern auch zusätzliches Geld im Kampf gegen Kinderarmut. Ein breites Bündnis aus Sozial-, Familien- und Kinderverbänden sowie Gewerkschaften und Kirchenorganisatoren unterstützen das. "Kinderarmut kann nur wirksam bekämpft und verhindert werden, wenn genug Geld dafür bereitsteht", mahnt Verena Bentele vom Sozialverband VdK.

Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung im August

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte auf der sogenannten Sommerpressekonferenz in Berlin: "Wir wollen, dass es keine Kinderarmut in Deutschland mehr gibt." Zuvor hatte er Familienministerin Paus gebeten, bis Ende August einen Gesetzentwurf für die Kindergrundsicherung vorzulegen. Spätestens dann wird die Bundesregierung vielleicht regeneriert aus der Sommerpause zurück sein.

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