Kampf und Krampf: Das war das Wahljahr 2021
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Kampf und Krampf: Das war das Wahljahr 2021

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Kampf und Krampf: Das war das Bundestagswahljahr 2021

Am Ende jubelte einer, mit dem am Anfang keiner gerechnet hatte. Dazwischen: Ein wendungsreicher Wahlkampf und ein verlustreicher Machtkampf in der Union. Der Rückblick auf ein denkwürdiges Wahljahr, mit dem eine Ära zu Ende geht.

"Schwarz-grün kommt", titelt die "taz" im Dezember 2020. Das ist nicht nur Wunschdenken, sondern bleibt innerhalb des allgemeinen Erwartungshorizonts. Olaf Scholz von der abgemeldeten SPD ist damals noch der einzige von später drei Kanzlerkandidaten. Dass der Frühberufene am Ende das Rennen machen würde, glaubt niemand ernsthaft.

Januar: 1. kommt alles anders, und 2. als man denkt

Die dritte Corona-Welle beanspruchte Anfang Januar mehr Aufmerksamkeit als die Sonntagsfrage von Infratest, die 35 Prozent für die Union, 14 Prozent für die SPD und 21 Prozent für die Grünen ermittelte. Nichts Neues. Die Zahlen lagen im Trend der vergangenen Monate. Am 26. September, dem Wahltag, schlugen bei den drei Parteien 24,1 (Union, Debakel), 25,7 (SPD, Debakel-Profiteur) und 14,8 Prozent (Grüne, Selbsteingebrocktes) zu Buche. Was war geschehen?

Februar: Schwerter schmieden

"Uns sollten die besten Erfolgsaussichten leiten. Der Rückenwind für Markus Söder in bundesweiten Umfragen ist schon beachtlich." CSU-Generalsekretär Blume sagt das im Februar. Eine frühe Breitseite gegen Armin Laschet und sein ehernes Gesetz: Kanzlerkandidat der Union wird der CDU-Chef. Die Schwerter werden geschmiedet, aber noch ahnt niemand, dass es tatsächlich zum Nahkampf kommt. Im Wahlkampf legen beide Parteien schon mal getrennt los.

März: Frühlingsboten für den Herbst?

Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wählen und bescheren der CDU historisch schlechte Ergebnissse. In München kann sich Markus Söder erstmal entspannt zurücklehnen, Laschet muss es ja ausbaden. In weiser Voraussicht sagt der CSU-Chef: "Es gibt theoretisch Mehrheiten gegen die Union." Das klingt nicht unbedingt nach Kanzlerkandidatur. Den Grünen geben die Wahlen Auftrieb. Das Unternehmen "Regieren auch im Bund" wird greifbarer.

April: "Die Würfel sind gefallen"

"Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union." Worte des unterlegenen Markus Söder am Morgen des 21. April. Enttäuschung schwingt mit, aber als strahlender Sieger geht auch Laschet nicht aus dem zähen Machtkampf hervor. Die Nacht war dramatisch verlaufen. Laschet setzt die Abstimmung im Bundesvorstand durch, an der Bundestagsfraktion vorbei also, die mehrheitlich Söder favorisiert. Wolfgang Schäuble zieht die Fäden, macht Druck, interveniert. Am Ende steht es 31:7 für Laschet.

Und die Bayern keilen zurück. "Fünf Monate vor der Bundestagswahl einen Beschluss gegen die eigene Basis zu fassen, ist schon sehr bemerkenswert", kommentiert Albert Füracker süffisant. Den Makel des ungewollten Siegers wird Laschet bis zur Wahl nicht mehr los. In der Wählergunst sinkt er von Umfrage zu Umfrage. Nach den Werten von Olaf Scholz fragt im April noch kaum jemand.

Mai: Von Unterhaching nach Berlin?

"Auf nach Berlin" schallt es im Sportpark Unterhaching. Hubert Aiwanger will seine Freien Wähler in den Bundestag führen. Damalige Wahlkampf-Strategie: Die Grünen angreifen, eine Koalition der Mitte schmieden. Das hat Aiwanger wohl vergessen, als er sich später mit deutlicher Kritik an den Corona-Maßnahmen gegen die CSU stellt und FDP und AfD das Wasser abgraben will. Konservativ oder doch lieber super-liberal? Am Ende machten die Freien Wähler ihren potenziellen Wählern die Entscheidung schwer. Nur 2,4 Prozent stimmten am 26. September für Aiwangers Partei.

Juni: Attacken, Plagiate, Fake News

Der Wahlkampf - wegen Corona diesmal weniger auf der Straße als im Netz, dort also, wo ohnehin Gerüchte blühen und Falschbehauptungen herumgereicht werden. Einer regelrechten Kampagne war Annalena Baerbock ausgesetzt, die von (belegbaren) Plagiatsvorwürfen über perfide Plakataktionen bis hin zu (unbelegbaren) Unterstellungen reichte. Baerbock wolle die Witwenrente abschaffen oder Haustiere verbieten, hieß es. Futter für den #Faktenfuchs von BR24.

Dass zu der Zeit der Umfrage-Sinkflug der Grünen begann, hatte aber wohl eher mit Baerbocks unglücklichem Auftreten zu tun: "Angepasster" Lebenslauf, nachträglich gemeldete Nebeneinkünfte. Fehler sollten später auch Armin Laschet unterlaufen. Feixen im Hochwassergebiet, das passte nicht ins Kanzlerformat.

Juli: Rechenspiele mit der FDP

Die Union noch als stärkste Kraft, aber mit nachlassender Zustimmung, ein Problem, das auch die Grünen trifft. Eine schwarz-grüne Koalition - rechnerisch schien sie im Juli gerade noch möglich. Doch wer stabile Verhältnisse zur Maxime machte, schielte bereits in Richtung FDP als dritten Partner. Jamaika war von nun an in aller Munde.

Die Liberalen konnten einem Ampel-Bündnis großzügig die Absage erteilen. Für eine rot-gelb-grüne Koalition hätte es zum damaligen Zeitpunkt ohnehin nicht gereicht. Und politisch gesehen auch nicht für eine Deutschland-Koalition aus Union, SPD und FDP, steckte in ihr doch die ungeliebte GroKo.

August: Der Scholz-Zug rollt

Olaf Scholz setzt sich ab, und seine SPD zum Überholen an. 41 Prozent der Wähler würden sich bei einer Direktwahl des Kanzlers für den SPD-Mann entscheiden. Laschet und Baerbock müssen sich inzwischen beim DeutschlandTrend mit 16 bzw. 12 Prozent abfinden.

Mit politischen Inhalten oder dem Charisma des SPD-Kandidaten ließ sich das nur ungenügend erklären, weswegen man den Scholz-Erfolg (zunächst) vor allem mit dem Versagen der beiden Konkurrenten begründete. Immerhin: Scholz zog seine SPD langsam aber beharrlich an der Union vorbei nach oben.

September: Und so kam es

Des einen Freud ist bekanntlich des anderen Leid. Woran die Union am Wahltag scheiterte, das machte die SPD groß. Bei den einen überzeugten weder Kandidat noch Programm, bei den anderen beides. Selbst in ihren Hauptkompetenzen Wirtschaft, Sicherheit und Außenpolitik verlor die Union drastisch an Zuspruch.

Das Defizit ihrer wenig zugkräftigen Kanzlerkandidatin konnten die Grünen immerhin mit einem großem Zuspruch für ihre Positionen wett machen. Sie und die FDP gewannen die Jugend, die sich gegenüber der AfD als relativ resistent erwies. Die Linke erlebte ein Debakel.

Oktober: Zurück in die Zukunft?

Das historische Wahldesaster führt die CDU in den dritten Machtkampf in drei Jahren. Es dauert etwas, bis Armin Laschet die Konsequenzen klar werden. Er legt sich noch für Jamaika ins Zeug, als die Ampel längst positive Signale funkte.

Den Nachfolgekampf mit Norbert Röttgen und Helge Braun entscheidet im Dezember Friedrich Merz für sich, der Kandidat derer, die sich eine Rückkehr der CDU zu konservativen Wurzeln wünschen. Merz hat nun die schwierige Aufgabe, die Partei aus der Opposition heraus in die Zukunft zu führen.

November: Ampelleuchten - aber in welcher Farbe?

Kein Tempolimit, keine Reichensteuer, die Schuldenbremse bleibt. Hat die FDP, die sich obendrein das mächtige Finanzministerium sichert, ihre Partner über den Tisch gezogen? Wenn man genau hinschaut, steckt sehr viel Grünes im Koalitionsvertrag. An den Öko-Schalthebeln sitzen Robert Habeck als Klima- und Wirtschaftsminister und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Und in Bayern wird wieder über die 10H-Regel für Windkraftanlagen diskutiert. Denn laut Koalitionsvertrag werden zwei Prozent der Bundesfläche dafür reserviert.

Dezember: Merkel hat es nicht geschafft

Einen Eintrag in die Geschichtsbücher hatte sich Merkel schon gesichert. Jeder Kanzler vor ihr wurde entweder gestürzt (Schmidt), trat zurück (Adenauer, Erhard, Brandt) oder wurde abgewählt (Kiesinger, Kohl, Schröder). Diese Schicksale blieben ihr erspart.

Den zweiten Eintrag schaffte Merkel nicht, aber das lag auch nicht in ihrer Hand. Hätte es am 17. Dezember noch keine neue Regierung gegeben, wäre Merkel länger im Kanzleramt geblieben als der bisherige Rekordhalter Helmut Kohl. Am Ende fehlten neun Tage. Am 8. Dezember wählte der Bundestag Olaf Scholz zum neuen Kanzler.

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