Schon jetzt werden Gerüchte rund um die Bundestagswahl gestreut. Der #Faktenfuchs klärt, was an den häufigsten Behauptungen dran ist.
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Schon früh wurden Gerüchte rund um die Bundestagswahl gestreut. Der #Faktenfuchs klärt, was an den häufigsten Behauptungen dran ist.

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Wie schon früh versucht wurde, die Bundestagswahl zu beschädigen

Populisten versuchten, demokratische Wahlen in Misskredit zu bringen. Das war bei den US-Wahlen so, und auch rund um die Bundestagswahl kursieren bereits sehr früh allerlei Gerüchte. Der #Faktenfuchs hat sie im Januar 2021 unter die Lupe genommen.

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Schon Monate bevor Deutschland einen neuen Bundestag wählt, kursierten zahlreiche Gerüchte rund um die Wahl: Es ging um die Legitimität der Briefwahl, um Betrugsvorwürfe und um die Frage, wie Corona die Wahl beeinflussen kann. Der #Faktenfuchs hat im Januar 2021 geklärt, was an den Gerüchten dran ist, was mit solchen Behauptungen bezweckt werden kann und wie sicher Wahlen in Deutschland vor Betrug sind. Sie lesen hier den Artikel vom 11.01.2021:

Gerüchte ähneln nicht belegbaren Behauptungen Trumps zu US-Wahlen

Viele der Erzählungen, die im Netz zurzeit gestreut werden, erinnern an Behauptungen, die auch zur US-Wahl verbreitet wurden und immer noch werden - nicht zuletzt von Donald Trump selbst. Schon Monate vor der Wahl behauptete er, die US-Wahl werde "der größte Betrug in der Geschichte der Wahlen".

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Bewahrheitet hat sich das nicht. Weder fanden die Verantwortlichen in den Bundesstaaten Beweise für die Betrugsvorwürfe, noch konnte das Trump-Team selbst weitere Informationen oder Belege vorweisen. Mehr als 50 Klagen des Trump-Lagers wiesen US-Gerichte seit der Wahl ab, darunter zweimal das höchste Gericht der USA, der Supreme Court - und das trotz einer Mehrheit von konservativen Richtern.

Auch die unabhängigen internationalen Wahlbeobachter der OSZE bezeichnen die Behauptungen Trumps in ihrem vorläufigen Bericht als "unbegründet". "Wir haben die Vorwürfe des Präsidenten sehr genau untersucht und es konnten keinerlei Belege dafür gefunden werden", sagt Michael Georg Link im Gespräch mit dem BR24-#Faktenfuchs. Er war der deutsche Chef der OSZE-Wahlbeobachtermission in den USA und selbst als Wahlbeobachter vor Ort. Bevor er für die FDP 2017 in den Bundestag einzog, war er vier Jahre lang hauptamtlicher Direktor des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, das die Wahlbeobachter entsendet.

Nicht hinter jedem Fehler steckt ein Betrug

Auffällig an den Gerüchten rund um die Bundestagswahl ist eine sich wiederholende Strategie, hinter jedem Fehler einen systematischen Wahlbetrug zu wittern. "Einzelne Unregelmäßigkeiten wird es bei Wahlen immer geben, wie in jedem Prozess der mit menschlichem Handeln zu tun hat", sagt Joachim Behnke, Politikwissenschaftler an der Friedrichshafener Zeppelin Universität, der sich vor allem mit dem deutschen Wahlsystem beschäftigt.

Diese Unregelmäßigkeiten seien aber zum großen Teil "simple Fehler". Zum Beispiel, wenn ein Wahlhelfer bei der Auszählung ein Kreuz aus Versehen falsch einträgt. Das sei fahrlässig, aber noch kein Betrug, sagt auch Wahlbeobachter Link: "Nur wenn die Regeln bewusst und vorsätzlich gebrochen werden, macht das aus einem Fehler eine Manipulation." Zusätzlich sei relevant, ob der Vorsatz so weit verbreitet und ein Angriff so groß organisiert ist, dass er das Ergebnis der Wahl verändern könne.

Welche Gerüchte kursieren und was ist dran?

Im Netz wird über mehrere Gerüchte diskutiert: Können bei der Briefwahl Stimmen für Tote oder Komapatienten abgegeben werden? Wie anfällig ist die Briefwahl für Betrug? Ist es möglich, dass nur Anhänger einer Partei Stimmen auszählen? Und könnte die Kanzlerin die Wahl einfach so verschieben? Diese Fragen klärt der #Faktenfuchs im Folgenden.

1. Behauptungen rund um die Briefwahl

Wie schon in den USA steht auch in Deutschland die Briefwahl im Zentrum der Kritik. Sie sei "deutlich einfacher zu manipulieren", schreiben User, und Wahlfälschung sei hier doch "vorprogrammiert".

Für ein großes Problem der Briefwahl hält auch Behnke, dass man Zuhause möglicherweise nicht so frei in seiner Entscheidung sei wie in der Wahlkabine. Im Grundgesetz steht: "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt." Der Grundsatz der Geheimhaltung sei bei der Briefwahl "möglicherweise gefährdet", sagt Behnke, weil man nicht ausschließen könne, dass andere Personen aus dem Haushalt mitbekommen, wie jemand abstimmt.

Bundesverfassungsgericht weist Kritik an Briefwahl zurück

Wegen solcher Bedenken hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrmals Beschwerden zur Briefwahl erhalten und diese überprüft, zuletzt 2013 anlässlich der Europawahl. In der Beschwerde hieß es, Stimmen könnten bei der Briefwahl "risikofrei manipuliert oder vernichtet werden", zudem könne es zu Hause oder in Pflegeheimen zu einer "unzulässigen Einwirkung" kommen. Das Gericht urteilte, die Beschwerde sei "nicht begründet" und die Briefwahl "verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden". Die Grundsätze der freien und geheimen Wahl würden nicht verletzt.

Das Gericht schrieb aber auch, dass die öffentliche Kontrolle bei der Briefwahl zurückgenommen und auch die Integrität der Wahl nicht gleichermaßen gewährleistet sei wie im Wahllokal. Die Entscheidung wurde - wie auch schon bei den Wahlprüfungsbeschwerden von 1967 und 1981 - damit begründet, dass die Gefahren durch die höhere Allgemeinheit der Wahl aufgewogen würden:

Die Zulassung der Briefwahl dient aber dem Ziel, eine möglichst umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen und damit dem Grundgesetz der Allgemeinheit der Wahl Rechnung zu tragen.

Ist ein wahlentscheidender Betrug bei der Briefwahl möglich?

Es gebe ein geringes Risiko, dass es in Einzelfällen zu Fälschungen bei der Briefwahl kommen könne, sagt Behnke: "Ein Betrug ist nicht ausgeschlossen und theoretisch möglich." Dass jemand, der nicht dazu berechtigt ist, einen Wahlzettel ausfüllt, hält er aber für eine "geringfügige Gefahr von Einzelfällen". Die internationalen Wahlbeobachter der OSZE konnten seit Beginn der Wahlbeobachtung in den 90er Jahren aber keine Belege für Manipulation bei Briefwahlen feststellen.

Entscheidend ist laut Behnke, dass ein Betrug bei der Briefwahl nicht "flächendeckend, systematisch und zugunsten einer Partei" erfolgen könne - und das wäre nötig, um das Gesamtergebnis einer Wahl zu beeinflussen. Die Briefwahlunterlagen werden dezentral empfangen und verschickt, und es sei nicht möglich, sie in der Masse anzufordern, um einen massenhaften Fälschungsversuch zu starten.

Die Frage sei, ob es ein systematisches Einfallstor gebe, das den Betrug lukrativ macht und ihn im großen orchestrierten Rahmen ermöglicht. In den USA etwa, mit seinem Mehrheitswahlrecht und dem "The winner takes it all"-Prinzip, können ein paar hundert Stimmen die gesamte Bundeswahl entscheiden, wie es zum Beispiel im Jahr 2000 bei Al Gore der Fall war. Die Wahlmänner eines Bundesstaates gehen geschlossen an den Gewinner des jeweiligen Bundesstaats. Wenige Stimmen in einem Staat können in den USA das Gesamtergebnis der Präsidentschaftswahl komplett verändern.

In Deutschland könne man so etwas "sicher ausschließen", sagt Behnke. Das liegt am deutschen Verhältniswahlrecht. Hier können einzelne Stimmen höchstens verändern, ob eine Partei einen Sitz mehr oder weniger im Bundestag oder in einem Landtag bekommt, aber nicht das Ergebnis der gesamten Wahl ins Gegenteil verkehren. Nur in Ausnahmen steht durch wenige Stimmen viel auf dem Spiel, zum Beispiel wenn eine Partei bei der Zweitstimme ganz knapp über oder unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt. Dann gibt es normalerweise Nachzählungen.

Können Stimmen von Toten und Komapatienten gezählt werden?

User äußerten neben den grundsätzlichen Zweifeln an der Briefwahl auch konkrete Bedenken, dass Briefwahlunterlagen beispielsweise auch für Komapatienten oder sogar für Tote angefordert und ausgefüllt werden könnten. Die haltlose Behauptung, dass angeblich tausende Tote gewählt hätten, verbreitete sich auch in den USA stark - hier erklärt der #Faktenfuchs, warum das nicht stimmt.

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Um die Briefwahl kursieren viele Gerüchte - ähnlich wie in den USA etwa auch darum, ob für Tote Stimmen abgegeben werden können.

Stimmen von Toten können nicht gezählt werden - mit einer Ausnahme

In Deutschland kann laut Bundeswahlgesetz nur wählen, wer in ein Wählerverzeichnis eingetragen ist oder wer einen Wahlschein hat. Die Gemeinden sind für die Pflege der Wählerverzeichnisse verantwortlich (§ 24 Bundeswahlordnung, siehe auch Gemeinde- und Landkreiswahlbekanntmachung) - und somit auch dafür, Tote aus dem Verzeichnis zu entfernen.

Vereinzelt wurden in der Vergangenheit Fälle bekannt, dass bereits Verstorbene eine Wahlbenachrichtigung erhalten hätten und das Wählerverzeichnis hier vermutlich fehlerhaft war. Diese Wahlbenachrichtigung entspricht allerdings nicht dem Wahlschein - den müsste die adressierte Person erst selbst beantragen. Wenn ein anderer für die tote Person den Wahlschein beantragt, ist das laut Strafgesetzbuch eine Straftat.

In einem Ausnahmefall ist es aber möglich, dass Stimmen von Verstorbenen legal gezählt werden: Laut Bundeswahlgesetz wird die Stimme eines Wählers, der vor seinem Tod an der Briefwahl teilgenommen hat, nicht ungültig, wenn er vor oder am Wahltag stirbt.

Auch umfassend betreute Menschen dürfen wählen

Und wie sieht es mit dem Gerücht um die Komapatienten aus, für die per Brief abgestimmt würde? Generell gibt es in Deutschland nur einen Grund, warum eine (lebende) Person nicht an einer Wahl teilnehmen darf: Wenn ein Gericht dem- oder derjenigen das Wahlrecht abgesprochen hat (§ 13 im Bundeswahlgesetz).

Das heißt: Auch Menschen, die - ebenso wie Komapatienten - eine umfassende Betreuung brauchen, haben das Recht, ihre Stimme abzugeben. Bis zum 1. Juli 2019 durften sie nicht wählen, wenn ein Betreuungsgericht eine Betreuung in allen Angelegenheiten verordnet hatte - genauso wie Straftäter, die wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Das Bundesverfassungsgericht entschied 2019, dass dieser Zustand verfassungswidrig ist.

Aber: Ob zum Beispiel Komapatienten tatsächlich in der Lage sind zu wählen, ist fraglich. Denn selbst wenn der Betreffende einen vom Gericht bestellten Betreuer hat, kann dieser die Stimme nur dann in Vertretung abgeben, wenn der Betreffende einen klaren Willen geäußert hat. In der Bundeswahlordnung heißt es nämlich, dass die Hilfeleistung auf technische Hilfe bei der "Kundgabe einer vom Wahlberechtigten selbst getroffenen Wahlentscheidung beschränkt" ist. Wer also über den gesamten Zeitraum, in dem gewählt werden kann, bewusstlos im Koma liegt, wird wohl nicht wählen können - auch wenn er theoretisch das Recht dazu hat.

2. Behauptungen rund um die Stimmenauszählung

User verbreiten auch Gerüchte zur Auszählung der Stimmen bei der Bundestagswahl. Zum Beispiel wird versucht, Wahlen Sinn und Legitimation abzusprechen: "Was bringen Wahlen, wenn die Grünen die Stimmzettel zählen?" schreibt ein User. Ähnliche Behauptungen kursieren auch zu anderen Parteien.

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User behaupten, es würden nur Anhänger einzelner Parteien Stimmen auszählen - was jedoch von der Bundeswahlordnung verhindert wird.

Dass nur Vertreter einer Partei oder einer Gesinnung Stimmzettel auswerten, ist jedoch nicht zulässig. In Deutschland bestellen Kommunen und Landkreise die ehrenamtlichen Wahlhelfer. In der Bundeswahlordnung heißt es:

Bei der Auswahl der Beisitzer der Wahlausschüsse sollen in der Regel die Parteien in der Reihenfolge der bei der letzten Bundestagswahl in dem jeweiligen Gebiet errungenen Zahlen der Zweitstimmen angemessen berücksichtigt und die von ihnen rechtzeitig vorgeschlagenen Wahlberechtigten berufen werden.

Die Wahlhelfer werden also von den Parteien vorgeschlagen und diese Vorschläge sollen berücksichtigt werden. "Das Prinzip der gegenseitigen Kontrolle hat in der Vergangenheit die besten Ergebnisse gebracht und ist der beste Schutz vor Wahlbetrug", sagt Wahlbeobachter Link.

In der Vergangenheit habe es "keinerlei Hinweise oder Anzeichen" gegeben, dass irgendwo nur Vertreter einer Partei Stimmen auszählen würden. Das geht auch aus den OSZE-Berichten hervor. Zusätzlich zu den Vorschlägen der Parteien werden häufig Angestellte aus dem öffentlichen Dienst, die in der Gemeinde arbeiten, als Wahlhelfer berufen. Außerdem kann sich jeder Wahlberechtigte freiwillig bei seiner Gemeinde als Wahlhelfer melden (hier erfahren Sie mehr über die genauen Voraussetzungen in Bayern).

3. Behauptungen zur Wahl und der Corona-Pandemie

Bei den Gerüchten rund um die Bundestagswahl wiederholt sich auch die schon bekannte Verschwörungserzählung, die Corona-Krise sei ein Vorwand, um eine Diktatur zu errichten. Schon im November 2020 starteten sogenannte "Querdenker" Kampagnen, das neue Infektionsschutzgesetz als "Ermächtigungsgesetz" auf dem Weg in eine Diktatur darzustellen - wie es unter den Nationalsozialisten der Fall war.

Die neue Verschwörungserzählung zur Bundestagswahl lautet nun, dass Kanzlerin Merkel die Wahl auf "unbestimmte Zeit" verschieben oder die Wahl sogar ganz absagen würde.

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Bei den Gerüchten rund um die Bundestagswahl wiederholt sich die bekannte Verschwörungserzählung einer angeblichen Corona-Diktatur

Wie lange eine Legislaturperiode dauern darf, ist in Deutschland zwar nicht ganz so starr festgelegt wie zum Beispiel in den USA. Aber trotzdem gibt das Grundgesetz (Artikel 39 Absatz 1) einen Zeitrahmen vor, in dem eine Bundestagswahl stattfinden muss:

Die Neuwahl findet frühestens sechsundvierzig, spätestens achtundvierzig Monate nach Beginn der Wahlperiode statt.

Das heißt: Die "Deadline" für die nächste Bundestagswahl läuft spätestens genau vier Jahre nach dem Beginn der aktuellen Wahlperiode ab. Weil der 19. Deutsche Bundestag am 24. Oktober 2017 zum ersten Mal zur konstituierenden Sitzung zusammenkam, muss der Wahltermin für die nächste Bundestagswahl zwischen dem 25. August und dem 24. Oktober 2021 liegen. Den genauen Termin legt der Bundespräsident fest.

Das hat Frank-Walter Steinmeier am 8. Dezember 2020 bereits getan: Die Bundestagswahl wird am Sonntag, den 26. September 2021, stattfinden. Dieses Datum ist verbindlich. Sobald der Termin einmal festgelegt wird, kann die Regierung ihn nicht mehr verschieben. Die Grundlage ist das Bundeswahlgesetz, das vom Bundestag verabschiedet wurde und nur vom Bundestag selbst geändert werden könnte. Sollte das passieren, könnte man vor dem Bundesverfassungsgericht klagen und das Gericht würde dann entscheiden, ob die Änderung zulässig war. "Die Justiz ist die sicherste Schranke", sagt Link.

Was können Folgen solcher Gerüchte sein?

Dass schon viele Monate vorher Gerüchte zur Bundestagswahl gestreut werden, hält Politikwissenschaftler Behnke für "höchst bedenklich": "Gerade wenn das jetzt schon vorauseilend mit einem derartigen Vorlauf passiert, ist natürlich klar, dass es gar nicht um substantielle Vorwürfe gehen kann, weil die Wahl ja noch gar nicht stattgefunden hat", sagt er. Stattdessen sei es eine Tendenz, von vornherein die Legitimationskraft von Wahlen schädigen zu wollen. "Und das ist natürlich Gift für die Demokratie und für das politische System", so Behnke.

Wohin es führen kann, wenn selbst ein Präsident demokratische Instanzen diskreditiert, hat sich in dramatischer Weise am 6. Januar in den USA gezeigt: Hunderte Trump-Unterstützer drangen gewaltsam in das Kapitol ein, da sie den Sieg Joe Bidens - ebenso wie der scheidende Präsident Trump selbst - nicht akzeptieren wollten. Im Zwischenbericht der OSZE zur US-Wahl heißt es, die unbegründeten Behauptungen von systematischem Wahlbetrug "schaden dem öffentlichen Vertrauen in demokratische Institutionen".

Michael Georg Link sagt dem #Faktenfuchs: "Wenn sich Debatten vollkommen von den Fakten lösen - und wir reden hier ja von nachprüfbaren Fakten durch Wahlbeobachter und unabhängige Gerichte -, dann ist das eine Alarmstufe. Denn der Wahlprozess lebt davon, dass eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Vertrauen darin hat."

Allerdings verbreiten in Deutschland, anders als in den USA, nicht Präsident oder Kanzlerin selbst Gerüchte zu Wahlen oder verwenden Verschwörungs-Narrative. AfD-Politiker warnten in der Vergangenheit zwar immer wieder vor angeblichem Betrug bei der Bundestagswahl. "Aber die Gefahr ist größer, wenn auch Mitglieder der Volksparteien diese Muster bedienen", sagt Behnke.

Bisher gebe es da in Deutschland nur wenige Politiker in den Volksparteien CDU/CSU und SPD, die anfällig seien. Als Ausnahme nennt der Politikwissenschaftler Aussagen des Kandidaten für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, vom Oktober 2020: Er behauptete, das "Establishment" der CDU führe eine Kampagne gegen ihn und habe deshalb den Wahlparteitag von Dezember 2020 auf das Frühjahr 2021 verschoben.

Wie sicher sind Wahlen in Deutschland vor Betrug?

Wie steht es nun um die Sicherheit der Wahlen in Deutschland? Anzeichen der Wählerunterdrückung, wie sie die OSZE in den USA teilweise beobachtete, gäbe es Deutschland nicht, sagt Wahlbeobachter Link. Der Gouverneur in Texas reduzierte zum Beispiel die Zahl der Wahllokale, in denen man vor dem Wahltag schon abstimmen konnte, auf eines pro County.

Für eine Großstadt wie Houston bedeutete das: Ein Wahllokal für 2,3 Millionen Einwohner. Es bildeten sich lange Schlangen, die viele natürlich während der Pandemie vermeiden wollten. "Es ist gerichtlich schwer nachweisbar, dass es wirklich Leute abgehalten hat - aber de facto wirkt es abschreckend", sagt Wahlbeobachter Link.

Solche Bilder von langen Schlangen, in denen Menschen stundenlang warten müssen, wird es aus Deutschland wohl auch dieses Jahr nicht geben. In der deutschen Bundeswahlverordnung ist festgelegt, dass es pro Wahlbezirk einen Wahlraum geben muss (§46) - und dass kein Wahlbezirk mehr als 2.500 Einwohner umfassen darf (§12).

Gutes Zeugnis trotz einzelner Kritikpunkte

Doch die Wahlbeobachter der OSZE übten auch immer wieder Kritik an den Bundestagswahlen in Deutschland und den deutschen Wahlgesetzen. Mal gaben sie technische Hinweise, mal gesetzgeberische Empfehlungen - zum Beispiel, dazu dass geistig Behinderte in ihrem Wahlrecht besser gestellt werden sollten, oder zum Einspruchsverfahren für vom Bundeswahlleiter nicht zugelassene Parteien. "Aber es gab nie Hinweise auf Betrug, Manipulation oder weitgehende Fälschung", sagt Wahlbeobachter Link.

Viele der Empfehlungen der OSZE hat Deutschland auch umgesetzt. Diese Erfahrungen aus den vergangenen Wahlen, die Vorgaben des Grundgesetzes und eine starke Justiz seien die besten Voraussetzungen, dass es auch in diesem Jahr nicht zur Manipulation der Wahl komme, so Link.

Und auch vor der Bundestagswahl 2021 werden Wahlbeobachter von der OSZE dabei sein. Sie analysieren vorab Änderungen im Wahlrecht - wie zum Beispiel die jüngst beschlossene und umstrittene Wahlrechtsreform, sprechen mit Vertretern aller Parteien über ihre Bedenken und Hinweise, und sind am Wahltag vor Ort. Wer selbst sehen möchte, wie die Stimmen ausgezählt werden, kann dies übrigens auch jederzeit tun: Jeder Bürger hat das Recht, Wahlen zu beobachten.

Fazit

Schon Monate vor dem Wahltermin kursieren Gerüchte rund um die Bundestagswahl. Viele davon ähneln den Vorwürfen aus den USA. Kritik gibt es vor allem an der Briefwahl. Die öffentliche Kontrolle bei der Briefwahl ist auch laut Bundesverfassungsgericht geringer als im Wahllokal. Aber laut dem Gericht ist wichtiger, dass so möglichst vielen Menschen ermöglicht wird zu wählen.

Dass Stimmen von Toten gezählt werden, ist rechtlich nur möglich, wenn diese vor ihrem Tod noch selbst abgestimmt haben. Betreuungsbedürftige - und damit theoretisch auch Komapatienten - haben das Recht zu wählen. Allerdings können sie es nur wahrnehmen, wenn sie ihren Wahl-Willen kommunizieren können.

Dass Stimmen nur von Anhängern einer Partei ausgezählt werden, ist nicht zulässig. Es ist aber kaum zu verhindern, dass vereinzelt unabsichtliche Fehler beim Auszählen passieren können. Theoretisch wäre auch strafbarer Betrug im Einzelfall möglich. Wahlentscheidend könnte nur ein Betrug im großen organisierten Stil sein - und der ist laut Experten sehr unrealistisch, auch weil das deutsche Verhältniswahlrecht solch einen Betrug erschwert.

Unabhängige internationale Wahlbeobachter der OSZE konnten seit Beginn in den 1990er Jahren keine Hinweise auf Betrug, Manipulation oder Fälschung bei Bundestagswahlen feststellen. Dass Kanzlerin Merkel die Bundestagswahl auf unbestimmte Zeit verschiebt, ist nicht möglich.

Grafik: Wichtige Termine für die Briefwahl

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Zeitplan für die Briefwahl

Disclaimer 02.09.2021, 10:50h: Dies ist ein Artikel vom 11.01.2021. Da uns viele Fragen rund um die Bundestagswahl erreichen, haben wir entschieden, den Text mit angepassten Einstieg, aber inhaltlich unverändert, nochmal zu veröffentlichen.

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