ARCHIV - 10.06.2019, Belgien, Brüssel: Flaggen der Europäischen Union wehen im Wind vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission. Scharfe Kritik aus Ländern wie Frankreich hat verhindert, dass eine US-Amerikanerin einen Spitzenjob in der EU-Kommission antritt. (zu dpa «Nach Kritik: US-Wirtschaftsexpertin verzichtet auf EU-Spitzenjob») Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Arne Immanuel Bänsch

EU-Kommission

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Industriestrom und Wölfe - die Länderchefs in Brüssel

Corona machte es schwierig, zum ersten Mal seit 2018 treffen sich die Ministerpräsidentinnen und –präsidenten wieder in Brüssel. Die Chefs der Bundesländer haben Forderungen im Gepäck – nicht nur an die EU.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Die Länderchefs und –chefinnen haben den Forderungskatalog für ihr Treffen in Europas Hauptstadt mit "Brüsseler Erklärung" überschrieben. Dabei sitzen die Adressaten ihres Vorstoßes für einen Industriestrompreis nicht nur dort, sondern auch in Berlin. Die Ministerpräsidenten und –präsidentinnen der Bundesländer wollen den Strompreis für energieintensive Unternehmen auf einer niedrigen und pauschalen Höhe pro Kilowattstunde deckeln.

Das soll Industriebetriebe und mittelständische Firmen in ihren Ländern, die im internationalen Wettbewerb stehen, konkurrenzfähig zu halten. Für welchen Zeitraum das gelten soll, lassen sie offen. Deutschland liegt im EU-Vergleich unter den Ländern mit dem höchsten Strompreis. In den USA kostet Elektrizität nur halb so viel, in China rund ein Viertel.

Bremser in Brüssel und Berlin

Trotzdem lehnt der stellvertretende EU-Kommissionspräsident Maros Sefcovic die Forderung der Länder ab. Im "Handelsblatt" erklärte er, Energie dauerhaft zu subventionieren würde zu einer Marktverzerrung führen. Brüssel sorgt sich um den europäischen Binnenmarkt. Wenn Deutschland seine Unternehmen derartig unterstützte, gerieten weniger solvente EU-Staaten ins Hintertreffen. Schon jetzt entfallen EU-weit die meisten Staatshilfen auf die Schwergewichte Deutschland, Frankreich und Italien.

Auch die Ampel-Koalition in Berlin bremst: Zwar sind SPD und Grüne im Bundestag für einen Industriestrompreis, aber Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich ebenso wie die FDP-Fraktion dagegen ausgesprochen. Sein Parteifreund, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil, wirbt als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz für einen Brückenstrompreis und hofft nach eigenen Worten, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen ist.

Stärker fördern? Brüssel ist dafür

Grundsätzlich rennen die Ministerpräsidenten bei der EU-Kommission offene Türen ein mit ihrem Wunsch, Unternehmen beim nachhaltigen Wandel zu helfen. Brüssel will die Beihilferegeln weiter lockern und den Mitgliedsstaaten erlauben, die Subventionsschleusen noch mehr zu öffnen. Das soll die Folgen von Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg abmildern und Europas Wirtschaft gegen Konkurrenz aus den USA, China und anderen asiatischen Staaten helfen.

In den USA sieht die EU europäische Unternehmen durch das milliardenschwere Subventionsprogramm Inflation Reduction Act (IRA) benachteiligt. In China geschieht das nach Ansicht von Experten durch massive Subventionen für heimische Firmen und Auflagen für Ausländer. Die Länderchefs und -chefinnen verlangen in ihrer Erklärung eine "angemessene europäische Antwort" auf solche Programme von Drittstaaten.

Green Deal muss machbar sein

Die Gespräche der Ministerpräsidenten in Brüssel drehen sich vor allem um Wirtschaftspolitik und Klimaschutz. Um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen und Europas Wirtschaft und Gesellschaft entsprechend umzubauen, hat die EU-Kommission den "Green Deal" und viele Gesetze auf den Weg gebracht. Die Länderchefs bestehen darauf, Ziele und Grenzwerte so festzulegen, dass sie realistisch und praktisch umsetzbar sind. Außerdem verlangen sie kürzere und einfachere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dabei kann und will Brüssel einiges ausrichten. Aber es hängt auch an Behörden der Mitgliedsstaaten. Wie schnell die in dringenden Fällen schalten können, zeigt das Beispiel des innerhalb weniger Monate errichteten LNG-Terminals in Wilhelmshaven.

Migration belastet Kommunen

Die Ministerpräsidentinnen und –präsidenten diskutieren in Brüssel mit den Kommissarinnen und Kommissaren für Klima, Umwelt, Energie und Migration. Die steigenden Migrantenzahlen belasten vor allem die Kommunen in Deutschland. In ihrer "Brüsseler Erklärung" würdigen die Landesregierungen den Asylbeschluss der EU-Innenminister von Anfang Juni. Der sieht beschleunigte Verfahren an den EU-Außengrenzen für Asylbewerber mit absehbar geringen Chancen auf Anerkennung vor, außerdem schnellere Abschiebungen.

Nach Ansicht der Länderchefs zeigt der Kompromiss, dass Europa handlungsfähig ist, wenn der politische Wille vorhanden ist. In den Gesprächen mit der Kommission wollen sie erfahren, wie der Beschluss praktisch umgesetzt werden soll. Auch der Wolf ist Thema beim Treffen in Brüssel, obwohl der nicht in allen Bundesländern zu Hause ist. Besonders Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen haben ein Problem mit den geschützten Raubtieren. Deren Regierungschefs und –chefinnen begrüßen, dass die EU-Kommission den Schutzstatus von Wölfen nun mit Hilfe aktueller Daten prüfen und möglicherweise lockern will.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!