Das EU-Parlament hat heute über die künftige Asylpolitik der Europäischen Union entschieden - und der umstrittenen Asylreform final zugestimmt.
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Flüchtlinge im Mittelmeer (Symbolbild)

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EU-Parlament macht Weg für Asylreform frei

Das EU-Parlament hat heute über die künftige Asylpolitik der Europäischen Union entschieden - und der umstrittenen Asylreform final zugestimmt. Insgesamt sollen zehn Gesetze die Regeln für die Zuwanderung deutlich verschärfen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das Europäische Parlament hat den Weg für die umstrittene EU-Asylreform frei gemacht. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch in Brüssel für das geplante Paket, mit dem die bisherigen Regeln für Migration in die Europäische Union deutlich verschärft werden sollen. Der Entscheidung war eine Diskussion vorausgegangen, die sich über mehrere Jahre hingezogen hatte.

Einheitliche Verfahren und Abschiebungen an Außengrenzen

Die Reform verpflichtet die Mitgliedstaaten zu einheitlichen Verfahren an den EU-Außengrenzen, damit rasch festgestellt werden kann, welche Anträge auf Schutz womöglich unbegründet sind. Ziel ist es, dass ein Teil der Asylbewerber dann bereits direkt von der Außengrenze abgeschoben werden kann.

Geplant ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Bis zur Entscheidung über den Asylantrag sollen die Menschen bis zu zwölf Wochen unter haftähnlichen Bedingungen in Auffanglagern untergebracht werden können.

Menschen, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent kommen, sowie solche, die als Gefahr für die öffentliche Sicherheit gelten, müssen künftig verpflichtend in ein solches Grenzverfahren. Ankommende Menschen können dem Vorhaben nach mit Fingerabdrücken und Fotos registriert werden, auch um zu überprüfen, ob sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.

Faeser dringt auf rasche Umsetzung

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will sich nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments nun dafür einsetzen, dass die beschlossene Reform möglichst schnell Wirkung entfaltet. "Wir haben uns nach jahrelangen harten Verhandlungen auf dieses umfassende Paket geeinigt. Damit haben wir eine tiefe Spaltung Europas überwunden", sagte sie am Mittwoch in Berlin. Deutschland werde jetzt gemeinsam mit der EU-Kommission und der belgischen Ratspräsidentschaft "sehr intensiv daran arbeiten, das Gemeinsame Europäische Asylsystem schnellstmöglich umzusetzen". 

Die Reform muss noch von den EU-Staaten bestätigt werden. Das ist normalerweise eine Formalität. Viele Abgeordnete waren unzufrieden mit dem im Dezember ausgehandelten Kompromiss. Daher war bis zum Schluss offen, ob das Plenum zustimmt.

Scholz spricht von "historischem" Schritt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht die Zustimmung des Europaparlaments als "historischen, unverzichtbaren Schritt". Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) stehe "für die Solidarität unter den europäischen Staaten", erklärte er im Kurzbotschaftendienst X. "Sie begrenzt die irreguläre Migration und entlastet endlich die Länder, die besonders stark betroffen sind." 

Lob für die Einigung kam auch vom Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU). Europa habe sich nach acht Jahren quälender Debatte zusammengerauft und mache an den Außengrenzen endlich ernst, sagte er bei BR24 im BR Fernsehen. Schlepperbanden werde nun das Handwerk gelegt.

Weber wies darauf hin, dass Europa dennoch seine Werte wahre. Wenn Menschen etwa aus der Ukraine fliehen, dann helfe Europa weiter, ebenso, wenn sie politisch verfolgt seien. "Das heißt, es ist eine Mischung zwischen Humanität und Härte und Durchsetzungsfähigkeit an der Grenze", betonte er. Auch die innenpolitische Sprecherin der europäischen Christdemokraten, Lena Düpont, sprach von einem Schritt "für mehr Humanität und Ordnung" an den Grenzen.

Kritik und Besorgnis von Caritas, Pro Asyl und Ärzte ohne Grenzen

Caritas Europa äußerte sich dagegen besorgt. Die neuen Regeln schränkten für Bedürftige den Zugang zu Schutz deutlich ein, teilte der katholische Dachverband in Brüssel mit. Als problematisch bewertete die Caritas besonders die beschleunigten Asyl- und Rückführungsverfahren an den Grenzen einschließlich der Inhaftierung von Familien und Kindern, eine diskriminierende Vorsortierung Schutzsuchender und die Auslagerung der Asylfrage in Drittstaaten. Der neue Pakt habe "versäumt, das dysfunktionale Dublin-System zu reformieren".

Die Organisation Pro Asyl nannte das Paket einen "Tiefpunkt für den Flüchtlingsschutz in Europa". Zu den schon bestehenden Zäunen, Mauern, Überwachungstechniken und Pushbacks kämen nun "absehbar noch mehr Inhaftierung und Isolierung schutzsuchender Menschen an den Außengrenzen und neue menschenrechtswidrige Deals mit autokratischen Regierungen dazu", erklärte Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl.

Ähnlich sprach Ärzte ohne Grenzen von einem "traurigen Schlusspunkt eines schon jetzt gescheiterten politischen Projekts. Die Reform wird nicht dazu beitragen, die humanitäre Krise an den EU-Außengrenzen zu lösen", sagte Felix Braunsdorf, Experte für Flucht und Migration bei der Organisation. Stattdessen werde das System bestehende Dynamiken weiter verschärfen und Menschen dazu zwingen, noch gefährlichere Fluchtrouten zu wählen.

Mit Informationen von dpa und epd

Im Video: Interview mit Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der Europäischen Volkspartei

Aus Brüssel zugeschaltet ist Manfred Weber, der Vorsitzende der Europäischen Volks-Partei EVP.
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Aus Brüssel zugeschaltet ist Manfred Weber, der Vorsitzende der Europäischen Volks-Partei EVP.

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