Die Filiale von Galeria auf der Frankfurter Zeil an der Hauptwache.
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Die Filiale von Galeria auf der Frankfurter Zeil an der Hauptwache.

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Insolvenzverwalter: Galeria wird über 70 Filialen weiterführen

Galeria Karstadt Kaufhof wird wohl mehr als 70 der verbliebenen 92 Filialen weiterbetreiben. Wie der Insolvenzverwalter mitteilte, haben das die neuen Investoren Richard Baker und Bernd Beetz zugesagt. Nicht alle sind von der Lösung überzeugt.

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Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof hat neue Investoren gefunden. Wie Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus mitteilte, wurde am Dienstag eine entsprechende notarielle Investorenvereinbarung beurkundet. Dabei handelt es sich, wie schon vorab bekannt wurde, um ein Konsortium der US-Investmentgesellschaft NRDC mit dem deutschen Unternehmer Bernd Beetz.

"Galeria als Ganzes in wettbewerbsfähiger Größe erhalten"

Denkhaus betonte in einer Mitteilung "Sie haben uns mit unternehmerischem Mut, einem tragfähigen wirtschaftlichen Konzept und nachgewiesener finanzieller Solidität überzeugt." Und weiter: Der Zuschlag basiere auf der jahrzehntelangen Erfahrung von Bernd Beetz bei der Entwicklung deutscher Einzelhandelsmarken sowie auf der Erfahrung von NRDC Equity Partners mit erfolgreichen langfristigen Investitionen.

Galeria-CEO Olivier Van den Bossche erklärte, ebenfalls in der Mitteilung, Ziel des Insolvenzverfahrens sei es gewesen, "durch einen Eigentümerwechsel die Lösung aus der Umklammerung der alten Eigentümerstruktur zu erreichen. Wir wollten dabei Galeria als Ganzes in einer wettbewerbsfähigen Größe erhalten und die Strategie der konsequenten lokalen Ausrichtung fortsetzen".

Investoren planen über 70 Galeria-Filialen weiterzubetreiben

Teil der notariellen Vereinbarung ist, dass voraussichtlich mehr als 70 der jetzt noch 92 Filialen mit insgesamt rund 12.800 Beschäftigten fortgeführt werden. Die Vereinbarung wird allerdings erst dann rechtskräftig, wenn das Amtsgericht Essen und die Gläubigerversammlung dem von Denkhaus erstellten Insolvenzplan zustimmen. Der Insolvenzplan soll Ende April vorgelegt werden, die Gläubigerversammlung findet Ende Mai statt.

Denkhaus werde dabei voraussichtlich bis Ende Juli die Kontrolle über den Konzern behalten - dann gehe sie auf die neuen Eigentümer über. Mit der Übernahme einher geht auch eine Verschlankung der Zentrale in Essen. Dort sollen 450 Arbeitsplätze und damit die Hälfte der Jobs wegfallen. In den kommenden Tagen soll es nun um einen Sozialplan mit dem Gesamtbetriebsrat gehen. Demnach soll eine Transfergesellschaft initiiert und sozialverträglich organisiert werden.

Verdi begrüßt "finanzstarken Investor" bei Galeria Karstadt Kaufhof

Verdi-Vorstandsmitglied Silke Zimmer begrüßte die Entscheidung für einen "offensichtlich finanzstarken Investor, der Galeria als Ganzes erhalten will und über Kompetenz im Einzelhandel verfügt, wenngleich unsere Erfahrungen in der Vergangenheit durchaus zwiespältig waren". Verdi erwarte, dass der neue Eigentümer in das Unternehmen investiere, die Standorte erhalte und für die Beschäftigten langfristig die Arbeitsplätze sichere, so Zimmer weiter.

Der Gesamtbetriebsrat erklärte, den neuen Eigentümern "für eine konstruktive und arbeitsplatzsichernde Zusammenarbeit zur Verfügung" zu stehen. Es sei klar, dass es erneut zu harten Einschnitten kommen werde. "Aber es werden auch Tausende von Arbeitsplätzen erhalten bleiben", heißt es in einer Mitteilung.

Handelsverband Bayern sieht gute Aussichten für Standorte in Bayern

Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern, betonte im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk, er sei guter Dinge, dass die Standorte in Bayern weiter bestehen bleiben würden, da Bayern mit Blick auf den Einzelhandel viel besser aufgestellt sei, "als alle vergleichbaren Bundesländer". Unter anderem sei die Kaufkraft "ganz anders". Außerdem hätten die Standorte in Bayern seit der letzten Insolvenz gezeigt, dass sie "wirklich profitabel sind". Ursache für die erneute Insolvenz sei die Schieflage der Muttergesellschaft gewesen und nicht das Geschäft vor Ort.

Johannes Berentzen, geschäftsführender Gesellschafter der Handelsberatung BBE, ist im Bayerischen Rundfunk dagegen deutlich pessimistischer. Er sei "sehr skeptisch" bei dieser Lösung. Ihm sei es "ein Rätsel", mit welcher Motivation das jetzt so passiere. Er sehe den betriebswirtschaftlichen Sinn nicht. Es müsse "wahnsinnig viel Geld" investiert werden, in die Häuser und das Geschäftsmodell. Dafür reiche unter anderem die Zeit nicht. Er geht deshalb von einer weiteren Zerschlagung von Galeria Karstadt Kaufhof aus.

Was will Bakers Investmentgesellschaft NRDC erneut hier erreichen?

Der neue - und auch alte - Investor Baker hatte 2019 Galeria Kaufhof an die Signa-Gruppe weiterverkauft – für angeblich eine Milliarde Euro -, nachdem er die Warenhäuser von Kaufhof vier Jahre zuvor vom Handelsriesen Metro erworben hatte. Dem österreichischen Unternehmer Benko wiederum gehörte damals bereits Karstadt: Sein Ziel war es, beide zur deutschen Warenhaus-AG Galeria Karstadt Kaufhof zu verschmelzen. Damals ging es um mehr als 300 Filialen, von denen heute noch 92 übrig sind.

Ist das alte Kaufhaus überhaupt noch zu retten? Eine schwierige Prognose

Verkleinern und Gesundschrumpfen schien auch vorher schon das Patentrezept in der Kaufhauskrise zu sein. Verbleibende Standorte sollten durch Investitionen mit neuen Konzepten attraktiver werden, mehr Kunden anlocken, usw. Doch letztlich mussten alle Beteiligten feststellen, dass gerade die Warenhäuser in Konkurrenz zum Onlinehandel noch mehr Marktanteile verloren als andere Einzelhändler. Die Wiederbelebung des klassischen Kaufhauses gelang bisher nicht.

Hohe Mietzahlungen an Benko verschärften Situation in vielen Kaufhäusern

Hinzukamen offensichtlich überhöhte Mieten, die gerade Benkos Signa-Gruppe an ihren Standorten verlangte. Damit konnte Benko den Wert der Immobilien durch deren höhere Rendite steigern und bei Banken noch mehr Kredite herausschlagen. Das hat sich jedoch nicht als nachhaltige Strategie erwiesen. Zu allem Überfluss bekam Benko für sein umstrittenes Konzept auch noch deutsche Staatshilfen, die aus Krediten, Corona-Hilfen und Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit bestanden. Der drohende Verlust von Arbeitsplätzen wurde vom Galeria-Management immer wieder geschickt als Druckmittel eingesetzt. Von den Belegschaften wurde wiederholter Lohnverzicht eingefordert. Grundsätzlich äußerte Baker sich immer wieder positiv zum Fortbestand seiner eigenen internationalen Kaufhausketten, die er aber wie bei Hudson’s Bay mit Konzepten für den Onlinehandel ergänzen will.

Wie viele Filialen am Ende übrigbleiben werden, hängt aber auch von den immer noch laufenden Verhandlungen mit den Vermietern ab, da Signa nur auf einen Teil der Immobilien zugreifen kann. Die Entscheidung über die Anzahl der zu übernehmenden Filialen wird damit "erst Ende April fallen", so Insolvenzverwalter Denkhaus.

Gläubiger muss neues Konzept schmackhaft gemacht werden

Dem Vernehmen nach müssen Gläubiger wie Lieferanten oder auch Vermieter bei Galeria erneut auf rund eine Milliarde Euro ihrer Forderungen verzichten, damit es weitergehen kann. Sonst droht eine Zerschlagung des Unternehmens und die Auflösung und Verwertung ihrer Einzelbestandteile durch den Insolvenzverwalter. Das wäre für alle Beteiligten, insbesondere die Beschäftigten, das Schlimmste. Allein in München sind 800 Menschen bei Galeria beschäftigt.

Bei einem stark verkleinerten Konzept mit nur etwa 20 bis 30 Warenhäusern, das einige Handelsexperten für realistisch halten, wäre die Zustimmung der Gläubiger Ende Mai eher unwahrscheinlich, weil viele von ihnen dann sowieso leer ausgehen würden.

Was treibt Richard Baker: Ist alles nur eine Immobilien-Spekulation?

Als Richard Baker 15 Jahre alt war, wurde er von seinem Vater in dessen Immobiliengeschäfte eingeführt. Inzwischen ist er 58, und die Familiengesellschaft NRDC von seinem Vater existiert immer noch in abgewandelter Form. Es geht um Kaufhäuser und Handel wie bei Hudson’s Bay Company (HBC), einem Traditionsunternehmen, das Baker vor einigen Jahren ebenfalls gekauft hatte. Zu HBC gehörte von 2015 bis 2019 auch der Galeria-Kaufhof-Konzern, an dem Benko großes Interesse zeigte.

Baker trieb den Preis für Galeria Kaufhof – und bekommt es jetzt fast geschenkt

Baker stellte sich zunächst quer, bis Benko den Kaufpreis erhöhte. Für Baker war das ein gutes Geschäft. Denn fünf Jahre später soll der Insolvenzverwalter heute wohl nur einen symbolischen Euro für Galeria von ihm verlangen.

Welche Rolle spielte Bernd Beetz als Manager von Baker bisher?

Die Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter sollen vor allem über den deutschen Handelsmanager Bernd Beetz gelaufen sein. Privat ist er bekannt als Präsident des traditionellen Fußballvereins SV Waldhof Mannheim. Er war zwischen 2018 und 2019 kurze Zeit Aufsichtsratsvorsitzender bei Kaufhof.

Der 73-Jährige stammt aus Sinsheim und hat früher für bekannte Handels- und Luxusmarken von internationalen Konzernen wie Procter & Gamble, LVMH und Christian Dior gearbeitet. Von 2001 bis 2012 leitete Beetz das US-Kosmetikunternehmen Coty, das zum Firmenimperium der Milliardärsfamilie Reimann gehört, die ebenfalls aus der Rhein-Neckar-Region stammt.

Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP

Kunden vor der Galeria Kaufhof
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Insolvenzverwalter: Galeria wird über 70 Filialen weiterführen

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