Die verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien haben mehr als 4.200 Menschen das Leben gekostet.
Bildrechte: picture alliance / AA | Muslum Etgu

Helfer suchen unter den Trümmerhaufen nach Verschütteten

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Erdbeben: Rettungskräfte suchen fieberhaft nach Überlebenden

Bei den verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien sind über 5.000 Menschen gestorben. Bei eisigen Temperaturen geht die Suche nach Vermissten weiter. Laut WHO sind potentiell rund 23 Millionen Menschen von den Beben betroffen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das ganze Ausmaß der Katastrophe ist noch nicht abzusehen: Nach den schweren Erdbeben in Syrien und der Türkei versuchen die Rettungskräfte bei eisigen Temperaturen, Verschüttete aus den Trümmern zu retten. Auch viele Zivilisten beteiligen sich an den Such- und Rettungsmaßnahmen. Von dem Beben könnten nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis zu 23 Millionen Menschen betroffen sein. Eine Übersicht der betroffenen Gebiete in beiden Ländern ergebe, dass "potenziell 23 Millionen Menschen" den Folgen des Bebens ausgesetzt seien, darunter fünf Millionen ohnehin besonders verletzliche Menschen, hieß es von der WHO.

Über 5.000 Tote - Opferzahl dürfte weiter steigen

Die Zahl der Todesopfer liegt mittlerweile bei über 5.000 - davon 1.602 Tote in Syrien und 3.419 in der Türkei. Von rund 23.500 Verletzten ist die Rede. Die Opferzahl dürfte aber noch deutlich steigen. Zahlreiche Häuser und Straßen sind zerstört. Nachbeben machen die Suchanstrengungen noch gefährlicher.

Ein Beben der Stärke 7,8 hatte die Region am Montag erschüttert. Sein Zentrum lag nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS etwa 30 Kilometer von Gaziantep entfernt, einer türkischen Großstadt und Provinzhauptstadt. Es folgten mehr als ein Dutzend starker Nachbeben, darunter eines mit einer Stärke von 7,5.

Bildrechte: BR
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Plattentektonik und seismische Aktivität in der Türkei

Wetterbedingungen erschweren Rettungsmaßnahmen

Die verzweifelte Suche der Helfer wird vom Wetter erschwert: Der türkische Wetterdienst hat für die betroffenen Gebiete niedrige Temperaturen und teils Schneefall und Regen vorhergesagt. In den Provinzen Malatya und Hatay soll es regnen. Winde könnten bis zu 50 Stundenkilometer erreichen. Am Kältesten werde es voraussichtlich in der Provinz Kahramanmaras, dem Epizentrum des Bebens. Die niedrigste dort zu erwartende Temperatur für Dienstag sei fünf Grad minus, die höchste ein Grad.

Schreie von Überlebenden aus den Trümmern

Auch am Dienstag kämpften sich Rettungskräfte und Zivilisten durch die Trümmerberge, sie bewegten Tonnen von Schutt bei der verzweifelten Suche nach Überlebenden. An einigen Orten im Südosten der Türkei drangen Schreie von Überlebenden unter den Trümmern eingestürzter Gebäude hervor. Die Rettungskräfte hielten die vielen Menschen, die zu helfen versuchten, zur Ruhe an, um Überlebende besser hören und finden zu können.

Die türkische Katastrophenschutzbehörde erklärte, mehr als 7.800 Menschen seien in zehn Provinzen des Landes gerettet worden. 5.606 Gebäude seien eingestürzt. Tausende Such- und Rettungskräfte, Feuerwehrleute und Sanitäter waren in der Türkei im Einsatz, zusammen mit etwa 3.500 Soldaten. Ambulanzflugzeuge des türkischen Militärs brachten Verletzte in Krankenhäuser nach Istanbul und Ankara. Aus dem ganzen Land versuchten Rettungskräfte, bei Schnee und Regen in die Unglücksgebiete zu gelangen.

Kein Strom und kein Benzin im Süden der Türkei

Besonders dramatisch ist die Situation offenbar in der südtürkischen Provinz Hatay. Dort sei der Strom ausgefallen, berichtete die Nachrichtenagentur dpa. Die Tankstellen hätten kein Benzin mehr und es gebe kein Brot zu kaufen. Hilfe werde dringend benötigt. Auch in der Nachbarprovinz Osmaniye sei der Strom ausgefallen, sagte eine Reporterin des Senders CNN Türk.

In der südosttürkischen Metropole Diyarbakir verbrachten viele Menschen die Nacht draußen, in Schulen oder Moscheen, wie dpa berichtete. "Die Menschen haben Angst, in ihre Häuser zurückzukehren", teilte ein dpa-Mitarbeiter mit. Mehrere Nachbeben seien zu spüren gewesen, und es sei bitterkalt. Die Zelte der Katastrophenschutzbehörde seien nicht beheizt und reichten nicht aus.

Erdogan verhängt siebentägige Staatstrauer

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ordnete angesichts der zahlreichen Erdbeben-Toten in dem Land sieben Tage Staatstrauer an. Die türkischen Flaggen sollten nach den tödlichen Beben vom Montag landesweit und an den diplomatischen Vertretungen der Türkei in aller Welt auf halbmast wehen.

Die Hilfsorganisation "Türkischer Roter Halbmond" rief die Bevölkerung indessen zu Blutspenden auf. Hilfsorganisationen baten auch um Decken, Heizer, Winterkleidung, Essenspakete und Babynahrung.

Syrien bittet um internationale Unterstützung

Besonders dramatisch ist die Situation in Syrien. In dem von einem jahrelangen Krieg gezeichneten Land gestaltet sich die Bergung von Verletzten äußerst schwierig; Krankenhäuser sind völlig überlastet. Vor allem im Nordwesten Syriens sei die Not groß, teilte die Organisation Ärzte ohne Grenzen mit.

Die Vereinten Nationen trafen indessen eine erste Einschätzung der Sachschäden. UN-Sprecher Stephane Dujarric sagte, 224 Gebäude im Nordwesten des Landes seien zerstört und mindestens 325 weitere beschädigt worden, darunter auch Lagerhäuser für Hilfsgüter für das kriegsversehrte Land. Die UN hatten in Syrien monatlich etwa 2,7 Millionen Menschen mit grenzüberschreitenden Hilfslieferungen unterstützt, die in Folge der Erderschütterungen ins Stocken geraten könnten.

Syrien rief die Vereinten Nationen und alle Mitgliedsländer dazu auf, das Land bei den Rettungsanstrengungen, der Gesundheitsversorgung, der Bereitstellung von Notunterkünften und in Form von Lebensmittellieferungen zu unterstützen.

US-Präsident Biden sichert Hilfe zu

US-Präsident Joe Biden sicherte Erdogan in einem Telefonat die Unterstützung der USA zu. Dabei drückte er sein Beileid aus und unterstrich "die Bereitschaft der Vereinigten Staaten, jede erforderliche Hilfe" für den Nato-Bündnispartner bereitzustellen, wie das Weiße Haus mitteilte. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, John Kirby, sagte, die US-Regierung plane, zwei Such- und Rettungsteams in die Türkei zu schicken.

Auch Deutschland will helfen: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zu, man werde selbstverständlich Hilfe schicken. "Wir werden mit unseren Partnern rasch Hilfe auf den Weg bringen", erklärte auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Unter anderem sind 51 Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) aus Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland unterwegs in das Erdbeben-Gebiet.

Internationale Hilfsbemühungen laufen an

Aus zahlreichen anderen Ländern rückt Hilfe an: Eine israelische Hilfsdelegation mit etwa 150 Helfern sei am Morgen in der Türkei gelandet, erklärte eine Militärsprecherin. Die Regierung in Peking stellte der Türkei Soforthilfen in Höhe von 5,5 Millionen Euro in Aussicht, wie Chinas staatlicher Fernsehsender "CCTV" berichtet. Das chinesische Rote Kreuz werde die Türkei und Syrien zusätzlich mit jeweils rund 185.000 Euro unterstützen.

Australien und Neuseeland versprachen ebenfalls Millionenhilfen: Sein Land werde zehn Millionen australische Dollar (6,4 Millionen Euro) als Soforthilfe über das Internationale Rote Kreuz schicken, sagte der australische Premierminister Anthony Albanese. Neuseeland will 1,5 Millionen neuseeländische Dollar (880. 000 Euro) spenden.

Immer wieder schwere Erdbeben in der Region

Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr.

Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17.000 Menschen das Leben. Für die größte türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben.

Mit Informationen von AFP, AP, dpa und Reuters

  • Zum Artikel: Nach Erdbeben – Spenden für die Menschen in der Türkei und in Syrien

Video: ARD-Brennpunkt vom 6. Februar zur Erdbeben-Katastrophe

06.02.2023, Syrien, Harem: Zivilisten und Mitglieder des syrischen Zivilschutzes führen Such- und Rettungsmaßnahmesuchen in den Trümmern eines zerstörten Gebäudes durch. In der Türkei und in Syrien sind infolge der starken Erdbeben mindestens 2300 Menschen getötet worden. Foto: Anas Alkharboutli/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Anas Alkharboutli
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!