Demonstrierende in Dinkelsbühl, die dem Aufruf des evangelischen Dekans gefolgt sind.
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Demonstrierende in Dinkelsbühl, die dem Aufruf des evangelischen Dekans gefolgt sind.

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Demos – und dann? Wie die Proteste für Demokratie nachwirken

Seit bekannt wurde, dass sich AfD-nahe rechte und rechtsextreme Akteure in Potsdam getroffen haben, gehen Menschen in immer mehr Städten auch in Bayern auf die Straße – für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Doch was kommt nach den Demos?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Dekan Uland Spahlinger führt durch die Sankt-Pauls-Kirche in Dinkelsbühl und zeigt auf die Technik: "Eine brauchbare Lautsprecheranlage". Nicht ganz unwesentlich für das, was der evangelische Geistliche in seiner Kirche vorhat. Er will weiterführen, was er in der mittelfränkischen Kleinstadt am vergangenen Wochenende auf die Beine gestellt hat: eine knapp 1.000 Teilnehmer zählende Demo für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.

Spahlinger ist überzeugt: "Es reicht nicht, zu sagen: Wir gehen einmal auf eine Demo für Demokratie und Vielfalt." Das Thema müsse bleiben. Deshalb sollen in der Dinkelsbühler Sankt-Paul-Kirche künftig Podiumsveranstaltungen, Vorträge oder Lesungen zu gesellschaftspolitischen Themen stattfinden. Denn Spahlinger versteht "Kirche immer auch als öffentlichen Raum und insofern auch als Raum des politischen Austauschs".

"Demonstrieren allein reicht nicht"

Ob Kirchen, Verbände, Gewerkschaften oder Vereine – überall dort hätten die derzeit demonstrierenden Menschen die Möglichkeit, weiterzuwirken, meint Ursula Münch, Leiterin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Von der Straße weg direkt und konstruktiv in die Gesellschaft hinein.

Die Demos seien als Reaktion auf die Geheimpläne AfD-naher Akteure zur massenhaften Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund durchaus ein wichtiges Zeichen, sagt Münch. "Deren Behauptung ist ja, dass sie das Volk repräsentieren und dass sie als populistische oder extremistische Partei das Sprachrohr für die einfachen Leute seien, auf die niemand hört. Und das entkräftet man damit meines Erachtens sinnbildlich und öffentlichkeitswirksam", sagt Münch mit Blick auf die vielen Demonstrationen mit mancherorts sechsstelligen Teilnehmerzahlen.

Aber man müsse immer daran erinnern: Demonstrieren allein helfe nicht. Wahlen würden an den Urnen entschieden – da müsse dann also schon mehr passieren. Die erste Anlaufstelle, um sich politisch weiter zu engagieren, sind für Münch die Parteien. Sie seien der eigentliche Ort der politischen Willensbildung – Parteiverdruss hin oder her. Natürlich könne nicht jeder gleich einer Partei beitreten. Aber "vielleicht könnte man im Zuge des Demonstrierens die eigene Position gegenüber Parteien verändern – schon mal akzeptieren, dass Parteien in unserer Demokratie eine wichtige Rolle spielen".

"München ist bunt": Demos als Impuls für Zivilcourage

In der Landeshauptstadt setzt sich der Verein "München ist bunt" mit vielen Partnern wie dem Kreis- oder Stadtjugendring "für eine demokratische und tolerante Stadtgesellschaft" ein. Der Verein hat deshalb auch die Großdemo "Gemeinsam gegen rechts" beworben, die am 21. Januar wegen zu vieler Teilnehmer abgebrochen werden musste.

Nein, demonstrieren allein reiche sicherlich nicht, sagt auch Vereins-Vorständin Micky Wenngatz. Ihre Hoffnung ist aber, dass die Demos ein Impuls sind, sich weiter zu engagieren. "Und wenn es ist, dass man mit den Nachbarn redet, Rassismus offen anspricht, oder wenn ein Arbeitskollege diskriminierend wird, dass man dort auch den Mut hat, das offen anzusprechen. Und diesen Impuls kann man sehr gut von so einer Demonstration mitnehmen!"

"Dauerengagement" und Mobilisierung schwer aufrechtzuerhalten

Ohnedies sei fraglich, wie lange ein für Demonstrationen nötiges "Dauerengagement" in der Zivilbevölkerung aufrechterhalten werden könne, gibt Politikwissenschaftlerin Ursula Münch zu bedenken. Dem schließt sich auch Felix Kronau an, der an der Münchner Universität der Bundeswehr in Soziologie promoviert: "Ohne dass man mittelfristig weitere verbindende Momente findet, wird es sicher schwer fallen, die jetzige Mobilisierung aufrechtzuerhalten."

Außerdem könne der Wunsch, sich nicht allein mit seinen Sorgen zu fühlen, auf Dauer auch in Resignation umschlagen, "wenn nicht klar wird, wie man auf diese Sorgen reagieren soll". Darauf ist es Kronau zufolge womöglich auch zurückzuführen, dass – trotz der Bedenken aus den verschieden politischen Lagern – weiterhin so viel über ein Verbotsverfahren gegen die AfD diskutiert wird.

Im Video: Was kommt nach den Protesten gegen Rechtsextremismus?

Schildt mit Aufschrift "München ist bunt!"
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Was kommt nach den Protesten gegen Rechtsextremismus?

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