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Manche ausländische Zivilisten können den Gazastreifen in Richtung Ägypten verlassen.

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Hunderte Ausländer verlassen Gazastreifen - darunter Deutsche

Erstmals seit Kriegsbeginn durften Hunderte Ausländer und Palästinenser mit einem zweiten Pass den Gazastreifen verlassen. Darunter befinden sich auch Deutsche. Die Ausreise ausländischer Staatsangehöriger könnte in den nächsten Tagen weitergehen.

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Erstmals seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas ist der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten für Hunderte Personen geöffnet worden. Ein ägyptischer Behördenvertreter sagte am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP, 76 Verletzte sowie 335 Menschen mit ausländischer oder doppelter Staatsbürgerschaft seien nach Ägypten gelangt.

Auswärtiges Amt: Erste Deutsche haben Gazastreifen verlassen

Auch die ersten Deutschen haben den Gazastreifen nach Angaben des Auswärtigen Amts verlassen können. "Nach intensiven Bemühungen konnte ein Team unserer Botschaft Kairo soeben die ersten ausgereisten Deutschen am Grenzübergang in Rafah in Empfang nehmen", teilte das Auswärtige Amt am Mittwoch im Onlinedienst X mit. Es handele sich dabei um Mitarbeiterinnen internationaler Hilfsorganisationen.

Berlin arbeite "mit Hochdruck weiter an der Ausreise der verbliebenen Deutschen in Gaza", erklärte das Auswärtige Amt weiter. Auch Deutschlands Bemühungen um die von der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas verschleppten deutschen Geiseln gingen "intensiv weiter". Zudem arbeite Deutschland "an der Aufstockung der dringend benötigten Hilfslieferungen für die Menschen in Gaza".

Hoffnung, dass Ausreisemöglichkeit einige Tage bestehen bleibt

Das deutsche Außenministerium hat nach Angaben eines Sprechers deutsche Staatsangehörige im Gazastreifen über eine mögliche Ausreise über den Grenzübergang Rafah informiert. Man hoffe, dass diese Möglichkeit einige Tage bestehen werde, weil sich mehrere Tausend Ausländer im Gazastreifen befänden, fügt er hinzu. Das Außenministerium habe ein konsularisches Team an den Grenzübergang in Ägypten geschickt. Die Personen würden zunächst nach Kairo gebracht.

Scholz telefonierte mit Netanjahu

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte am Mittwochabend, dass erstmals Verletzte über den Grenzübergang Rafah zur Behandlung nach Ägypten gebracht worden seien. Er hatte zuvor erneut mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu telefoniert. Regierungssprecher Steffen Hebestreit teilte mit, Netanjahu habe den Kanzler "über die aktuelle Lage in Israel nach den Terrorangriffen der Hamas sowie über das weitere Vorgehen der israelischen Armee gegen die Hamas im Gazastreifen" informiert.

Scholz habe Israel erneut "unverbrüchliche Solidarität" versichert und "die Bedeutung des Schutzes von Zivilisten und der humanitären Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen" unterstrichen. Beide Regierungschefs seien sich "einig" gewesen, "gemeinsam daran zu arbeiten, eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern".

Ägyptische Krankenwagen standen bereit

Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Dutzende Menschen und Fahrzeuge den zuletzt abgeriegelten Küstenstreifen am Übergang Rafah verließen. Zuletzt wurde der streng kontrollierte Grenzübergang Rafah nur für die Lieferung von Hilfsgütern benutzt. Laut Augenzeugen und nach Angaben des Roten Halbmonds kamen zunächst Bürger mit der Staatsangehörigkeit Kanadas, Österreichs, Finnlands, Tschechiens, Bulgariens sowie Japans, Australiens und Indonesiens nach Ägypten.

Auch Krankenwagen mit verletzten Palästinensern verließen den Grenzübergang Rafah und brachten die Patienten zum Krankenhaus im Ort Al-Arisch, wie auf Bildern des staatsnahen Fernsehsenders Al-Kahira News zu sehen war. Ägypten pochte darauf, dass sie vor den rund 500 zur Ausreise berechtigen Ausländern und Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft ins Land kommen.

In Scheich Suweid, etwa 15 Kilometer von Rafah entfernt, hat Ägypten ein Feldlazarett eingerichtet. Zudem sollen die schwersten Fälle an Krankenhäuser in der Region Sinai und bis nach Ismailia gebracht werden. Der Leiter des Nasser-Hospitals im Gazastreifen, Nahed Abu Taeema, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, unter der ersten Gruppe von 81 Verletzten seien 19 im kritischen Zustand. "Sie benötigen anspruchsvollere Operationen, die hier nicht vorgenommen werden können, weil die Kapazitäten fehlen", sagte er. Dies gelte insbesondere für Frauen und Kinder.

Im Video: Ägypten lässt Verletzte und Ausländer aus Gazastreifen ausreisen

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Video: Ägypten lässt Verletzte und Ausländer aus Gazastreifen ausreisen

Unter Ausreisenden keine Geiseln

Das von der im Gazastreifen herrschenden Hamas kontrollierte Innenministerium hat eine Liste derjenigen veröffentlicht, die das abgeriegelte Küstengebiet am Mittwoch verlassen sollten, wie die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen des Ministeriums erfuhr. Unter den ausreisenden Menschen befinden sich keine Geiseln, die beim Terrorüberfall der Hamas in den Gazastreifen verschleppt wurden. Unter den Verschleppten befinden sich auch mehrere Deutsche.

An der Grenze versammelten sich laut Augenzeugen ausländische Staatsangehörige, darunter US-Amerikaner und Kanadier, aber auch Menschen mit ägyptischer, jordanischer und algerischer Staatsangehörigkeit. Am Mittwoch seien sie in sechs Bussen über die Grenze gebracht worden. Danach sollen sie zum Flughafen Kairo gebracht werden und von dort weiterreisen. Dabei werden sie - wie Reuters laut Insidern berichtet - Sicherheitsprüfungen unterzogen.

Ein mit dem Vortrag vertrauter Insider erklärte laut Reuters, dass die Staatsbürger muslimischer Staaten bevorzugt behandelt würden. Danach gehe es alphabetisch weiter. Ausländer sollen für die Ausreise eine Sicherheitsfreigabe Ägyptens benötigen.

Die Regierung in Kairo hat eine weitergehende Öffnung des Grenzübergangs abgelehnt. Sie überwacht zusammen mit Israel die Abriegelung des Gazastreifens seit der Machtübernahme der Hamas 2007.

US-Präsident Biden dankt Katar für Zusammenarbeit

US-Präsident Joe Biden hat regionalen Partnern seines Landes im Nahen Osten für Hilfe bei der Ausreise von Ausländern und verletzten Palästinensern gedankt. Er habe viel mit dem israelischen Regierungschef Netanjahu und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi gesprochen, um Menschen diese Möglichkeit zu geben, sagte Biden am Mittwoch in Northfield im Staat Minnesota. "Ich möchte unseren Partnern, insbesondere Katar, danken, die so eng mit uns zusammengearbeitet haben", sagte er. Unter den Ausgereisten waren auch US-Bürger.

Biden sagte, es müsse noch mehr getan werden, um den Zustrom wichtiger humanitärer Hilfe in den Gazastreifen deutlich zu erhöhen. Der Präsident wiederholte, Israel habe nach den verheerenden Terrorangriffen der Hamas das Recht zur Selbstverteidigung, "in einer Weise, die dem humanitären Völkerrecht entspricht". Er verwies aber auch auf das Leid, das die Palästinenser während der israelischen Gegenangriffe erlitten hätten.

Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters

Menschen warten am Grenzübergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten (Bild vom 1. November 2023)
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Menschen warten am Grenzübergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten (Bild vom 1. November 2023)

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