Ben Russell (l) und Servan Decle (r) tragen Palästinensertücher bei der Abschlussgala im Berlinale Palast auf der Bühne, zusammen mit Jay Jordan (2.v.l) und Guillaume Cailleau, nachdem sie für den Film ·Direct Action· den Encounters Preis für den Besten Film gewonnen haben.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Monika Skolimowska

Die Preisverleihung bei der Berlinale gab Anlass zur Debatte um Antisemitismus und antiisraelischer Haltung.

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Berlinale-Eklat: Mendel sieht keinen Antisemitismus

Antiisraelische Äußerungen, aber keine antisemitische Rhetorik: Der Direktor der Anne Frank-Bildungsstätte, Meron Mendel, zieht Grenzen nach dem Berlinale-Eklat. Der Politik und auch Söder wirft er Symbolpolitik ohne konstruktive Lösungen vor.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Nach dem Eklat auf der Berlinale sieht der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, keinen Fall von Antisemitismus. "Ich würde von antiisraelischen und einseitigen Äußerungen sprechen, aber nicht von antisemitischer Rhetorik", sagte der israelisch-deutsche Pädagoge und Publizist im Interview mit der Bayern 2 radioWelt.

Die besonders umstrittene Parole "Free Palestine from the River to the Sea" sei nicht bei der Preisverleihung gerufen worden, sondern auf dem Instagram-Account der Berlinale publiziert worden. Dieser sei gehackt worden, was strafrechtlich relevant sei, so Mendel.

Mendel: Nur Symbolpolitik, keine Problemlösung

In der Diskussion um die Konsequenzen aus den Vorfällen kritisiert Mendel die Politik. "Es gibt überhaupt keine konstruktiven Ideen, wie man mit der Situation umgeht, sondern es geht nur darum, eine Art Symbolpolitik zu betreiben." Dabei werde die Berlinale diskreditiert. Dies sei falsch und weder im Interesse Israels noch einer konstruktiven Debatte in Deutschland.

Mendel kritisierte in dem Zusammenhang auch den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) vorwarf, zu dem Thema "dröhnend zu schweigen". Roth könne nicht in die Köpfe der Preisgewinner hineinsehen, so Mendel. "Das ist eine völlig realitätsferne Vorstellung, und ich unterstelle gerade Herrn Söder und anderen Politikern (...), dass sie dann kein Konzept haben, was die Alternative ist." Es gehe nur darum, aus dem Thema "einen politischen Gewinn zu machen und eine Art von Symbolpolitik zu machen." Solche Reden würden im Kampf gegen den Antisemitismus nicht helfen.

Mendel sieht keine Möglichkeit, künftig solche Redebeiträge zu verhindern, ohne die Meinungsfreiheit zu beschränken. "Mir fehlt die Fantasie, wie kann man Preisgewinnern verbieten, ihre politische Meinung auf der Bühne kundzutun?" Mendel: "Sollen die Sicherheitsleute auf die Bühne gehen, und die Preisträger wegscheuchen?"

CSU fordert Roth-Rücktritt

Die CSU dagegen bleibt bei ihrer Kritik an Kulturstaatsministerin Roth. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) forderte die Grünenpolitikerin am Dienstag zum Rücktritt auf. Im Rahmen einer Kabinetts-PK kritisierte er, bereits der Antisemitismus im Kontext der Dokumenta 2022 habe für Deutschland "verheerende Folgen" gehabt und sei bis heute nicht aufgearbeitet worden. Entweder fehle es Roth an einem Kompass oder der Kompass sei falsch eingestellt, so Herrmann. "Frau Roth ist offenbar völlig überfordert", weshalb sie als Kulturstaatsministerin untragbar geworden sei und zurücktreten müsse. Klar könne man Roth die Aussagen der Künstlerinnen und Künstler nicht zurechnen, erklärte der Staatskanzleichef. "Aber es geht um den Umgang damit." Dabei handle es sich nicht um ein Augenblicksversagen, sondern ein Verhaltensmuster, das sich wie ein roter Faden durch diverse Ereignisse der letzten Jahre ziehe.

Berlinale: "Genozid"-Äußerung und Instagram-Post

Während der Berlinale-Gala am Samstagabend war der Nahostkonflikt mehrfach thematisiert worden. Zahlreiche Mitglieder aus Jurys sowie Preisträgerinnen und Preisträger forderten verbal oder mit Ansteckern einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg. In einer Dankesrede für eine Auszeichnung war die Rede von einem Genozid (Völkermord). Die Äußerungen stießen anschließend in Politik und Verbänden auf Kritik und Empörung.

Israel wird von Kritikern vorgeworfen, im Kampf gegen die Hamas im Gaza-Streifen einen Genozid zu begehen. Nach einer von Südafrika angestrengten Klage muss sich Israel vor dem Internationalen Gerichtshof wegen des Vorwurfs des Völkermordes verantworten. Israel und auch die deutsche Regierung weisen den Genozid-Vorwurf zurück.

Hinzu kam am Sonntag ein antisemitischer Beitrag auf der Instagram-Seite der Panorama-Sektion der Berlinale. Ein Redakteur der "Welt" veröffentlichte einen Screenshot des Posts auf X. Dieser den Spruch "Free Palestine - From the River to the Sea" ("Befreie Palästina - vom Fluss bis zum Meer"). Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer - dort, wo sich jetzt Israel befindet. Das spricht Israel sein Existenzrecht ab.

Das Filmfestival distanzierte sich hiervon und gab an, Opfer eines Hackerangriffs geworden zu sein. "Dass jemand einen Berlinale Social-Media-Kanal für antisemitische Hetze missbraucht, ist unerträglich", hieß es auf Nachfrage der dpa. Die Posts seien sofort gelöscht worden, zudem werde untersucht, wie es zu dem Vorfall habe kommen können. "Und wir haben Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Wir verurteilen diesen kriminellen Akt aufs Schärfste."

Buschmann droht mit strafrechtlichen Konsequenzen

Bundesjustizminister Marco Buschmann drohte nach dem Eklat bei der Berlinale mit strafrechtlichen Konsequenzen. Das Strafrecht sei gut aufgestellt, um antisemitische Äußerungen zu ahnden, sagte der FDP-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Verwendung der Parole "Free Palestine - From the River to the Sea" könne etwa als Billigung der im Rahmen der Angriffe der Hamas im Oktober 2023 in Israel begangenen Tötungsdelikte verstanden werden.

Wer Propagandamittel verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verbreite oder Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen wie der Hamas verwende, mache sich ebenfalls strafbar. Die strafrechtliche Beurteilung der Vorfälle sei Sache der zuständigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte.

Antisemitismus, so hat BR24 bereits in einem Artikel zur Begriffsklärung dargelegt, kann als Feindschaft gegen Juden beschrieben werden, weil sie Juden sind. Kritik an Israel kann sich allein gegen die Regierung richten, tritt aber auch in Ausprägungen auf, die antisemitisch sind. Israelbezogener Antisemitismus, fasst die Bundeszentrale für politische Bildung zusammen [externer Link], "projiziert entsprechende antisemitische Ressentiments auf den jüdischen Staat Israel und seine moderne Demokratie".

Mit Informationen von dpa

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