CSU-Politiker Markus Söder (Mitte), Alexander Dobrindt (l.) und Dorothee Bär (r.) bei der Winterklausur der CSU-Landesgruppe am 06.01.21.
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CSU-Politiker Markus Söder (Mitte), Alexander Dobrindt (l.) und Dorothee Bär (r.) bei der Winterklausur der CSU-Landesgruppe am 06.01.21.

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Analyse: Weiblicher und jünger? CSU startet in den Wahlkampf

Abwechselnd ein Mann und eine Frau auf der Liste, dazu jüngere Kandidaten: Die CSU gibt sich vor ihrem Start in den Bundestagswahlkampf betont weiblich und jung. Aber die Parität ist vor allem symbolisch - und nicht die einzige Herausforderung.

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Dass es immer noch die alte und die neue CSU gibt, zeigte sich am vergangenen Mittwoch. Nach dem Wirbel um ein homophobes Gesetz in Ungarn und die letztlich nicht erlaubte Regenbogen-Beleuchtung der Münchner Fußball-Arena setzte Parteichef Markus Söder im Stadion höchstpersönlich ein Zeichen. Statt seiner im bayerischen Weiß-Blau gehaltenen Maske trug er einen regenbogenfarbenen Mund-Nasen-Schutz, als Signal für die Gleichberechtigung der LGBTIQ-Bewegung. Vor der Staatskanzlei in München wehte zur gleichen Zeit eine Regenbogenfahne - gehisst auf Geheiß des Hausherrn.

Stunden zuvor, im Ältestenrat des Bayerischen Landtags, sah die Sache dagegen anders aus. Die SPD-Fraktion hatte vorgeschlagen, am Abend des EM-Spiels Deutschland gegen Ungarn auch das Parlamentsgebäude regenbogenfarben zu beleuchten oder entsprechend zu beflaggen. Das Ansinnen fand nicht die benötigte einstimmige Unterstützung, weil CSU und AfD dagegen waren. Besonders die ablehnende Haltung der CSU (man habe keinen "Präzedenzfall" schaffen wollen) sorgte für Kritik - auch beim eigenen Koalitionspartner, den Freien Wählern.

Markus Söder prescht vor – und überfordert manche?

Alt und neu, das sind natürlich nicht immer trennscharfe Kategorien. Aber was für den Regenbogen gilt, zeigt sich seit längerem auch in anderen Politikbereichen, besonders beim Klimaschutz: Söder prescht vor, überholt mit manchen Entscheidungen und Forderungen gar die Grünen - und die vielbeschworene CSU-Basis, oft eng verbunden mit den häufig konservativ-rustikalen Landtagsabgeordneten, schaut staunend zu.

An diesem Samstag nun starten die Christsozialen in Söders Heimat Nürnberg endgültig in den Bundestagswahlkampf - und schon wieder geht es auch um alt und neu. Ein für CSU-Verhältnisse bemerkenswertes Zeichen soll verdeutlichen, wie modern die Partei mittlerweile ist. Denn Söder und die Bezirkschefs haben sich vorab auf eine paritätische Besetzung der Liste für die Bundestagswahl verständigt. Die angedachte Top 4: Bundestags-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt als Spitzenkandidat, dann Digital-Staatsministerin Dorothee Bär, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig. Und so weiter: Mann-Frau-Mann-Frau-Mann-Frau...

Scharf: "Wichtiger Schritt für die Partei"

Ob dieser Vorschlag der Parteispitze durchkommt, wird sich bei der offiziellen Listenaufstellung im Nürnberger Max-Morlock-Stadion zeigen. Dass die Christsozialen mit einer von oben vorgegeben paritätisch besetzten Liste in den Wahlkampf ziehen, hätte vor nicht allzu langer Zeit für heftigen innerparteilichen Streit gesorgt. Beim Parteitag 2019 lehnte die Mehrheit eine Ausweitung der internen Frauenquote auf die CSU-Kreisvorstände ab, gegen den Willen der Parteispitze. Bei der heutigen Abstimmung durch die Delegierten wäre Widerspruch oder Ablehnung dagegen eine Sensation: Bis auf Teile der Jungen Union äußerte sich zuletzt niemand offen kritisch über den Listen-Plan, auch wenn ein CSU-Vertreter hinter vorgehaltener Hand von "Nachäffen der Grünen" spricht.

Das alles kann für Söders schiere Stärke sprechen - oder für eine Entwicklung innerhalb der Christsozialen hin zu mehr Gleichberechtigung. Ein "gewisses Bauchgrummeln", habe es sicher bei einigen gegeben, sagt Ulrike Scharf, Vorsitzende der bayerischen Frauen-Union und langjährige Kämpferin für mehr Frauen in der Parteispitze und -breite. Die paritätisch besetzte Liste nennt sie "einen wichtigen Schritt für die CSU". Scharf betont auch, dass die Christsozialen mit einem Mann-Frau-Duo in die Wahl zögen: Dobrindt und Bär.

Warum keine Frau auf Listenplatz eins der CSU?

Ob man als echtes Zeichen nicht eine Frau auf Listenplatz eins setzen müsste? "Das wäre vielleicht noch deutlicher gewesen", sagt Scharf, "aber schon die paritätische Liste ist ein wichtiges Signal an die Wählerschaft." Derweil betont Landtagspräsidentin Ilse Aigner, die selbst nicht erneut nach Berlin wechseln will, dass sie sich über die paritätisch besetzte Liste freue. Mit Blick auf Dobrindt ergänzt Aigner: "Der Landesgruppenvorsitzende ist der geborene Spitzenkandidat."

Tatsächlich hat die Liste aber einen großen Haken: Sie wird wohl nicht oder kaum zum Tragen kommen. So wie bei der Bundestagswahl 2017, als die Christsozialen alle 46 Direktmandate in Bayern holten - und Spitzenkandidat Joachim Herrmann ohne Bundestagsmandat blieb (was er mit Fassung trug).

Viel wichtiger sind also die Direktkandidaturen in den Wahlkreisen. Hier ist von Parität nichts zu sehen: 36 CSU-Männer und 10 CSU-Frauen bewerben sich. Diese Aufteilung sei "nicht zufriedenstellend", sagt Ulrike Scharf. Allerdings stimme auch hier die Tendenz. Andere Parteimitglieder werden deutlicher, wollen aber nicht namentlich zitiert werden: Von "Frauenförderung in der Komfortzone" ist zu hören. Zu echter Gleichberechtigung sei es noch weit, auch weil zentrale Posten - Parteichef, Generalsekretäre, Landesgruppenchef, Bundesminister - derzeit allesamt von Männern besetzt werden.

Scheuer auf Listenplatz drei: "Erstklassige Arbeit"

Einer dieser Männer ist Bundesverkehrsminister Scheuer, in der Kritik freilich nicht wegen seines Geschlechts, sondern wegen seiner Performance - vor allem bei der krachend gescheiterten Pkw-Maut. Anfang 2020, nach diversen Enthüllungen in Sachen Maut, sprach wenig dafür, dass Scheuer bis zum Ende der Legislatur seinen Ministerposten behält. Es kam anders, auch weil die Bewältigung der Corona-Pandemie eine Kabinettsumbildung auf der Prioritätenliste weit nach hinten rutschen ließ.

Klar ist: Scheuer polarisiert auch in seiner Partei, wurde als Gastgeber 2020 beim Politischen Aschermittwoch sogar ausgebuht. Dass er als Direktkandidat in Passau und symbolisch abgesichert auf Listenplatz drei ordentliche Chancen auf ein erneutes Bundestagsmandat hat, verstehen auch in der CSU nicht alle. Möglicherweise gab es in der Partei schlicht die Erwägung: Scheuer weit hinten auf der Liste zu platzieren, hätte viele Nachfragen provoziert. Offen sagen mag aber auch das niemand. "Scheuer macht eine erstklassige Arbeit als Minister, hat Milliarden für Verkehrsprojekte nach Bayern gebracht", sagt Dobrindt auf BR-Anfrage.

Blume: "Das Salz in der Suppe"

Mit wie vielen eigenen Akzenten die Christsozialen - über das gemeinsame Wahlprogramm mit der CDU hinaus - in den Wahlkampf ziehen, dürfte erst nach der Vorstellung des "Bayern-Programms" am 23. Juli klar sein. Mehr Mütterrente sowie eigene Klimaschutz-Akzente - damit wird innerhalb der Partei gerechnet. Denkbar wäre die Forderung nach einer bundesweiten Solarpflicht für Neubauten, wie sie in Bayern kommen soll.

Blume bleibt vorerst vage: Es gehe um "die Dinge, wo wir glauben, da geht es um das Lebensgefühl der Menschen", sagt er zum Bayern-Programm seiner Partei. Der CSU-Generalskeretär verspricht "das Salz in der Suppe für unseren Antritt zur Bundestagswahl". Und noch etwas ist ihm wichtig: Die Liste sei "eine der jüngsten aller Zeiten". Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter der ersten zehn vorgeschlagenen Listenplätze bei 47,1 Jahren. Der älteste: Hans-Peter-Friedrich, 64, früherer Innenminister. Die jüngste: Emmi Zeulner, 34, schon seit acht Jahren im Bundestag.

Dass allzu viele Wahlberechtigte vor der Wahl die Parteien-Listen bis Platz zehn oder zwanzig durchforsten, ist gleichwohl wenig wahrscheinlich. Wichtiger sind die Spitzenkandidaten: Personen gewinnen Wahlen, das hat Söder zuletzt mehrmals betont. Bleibt also die Frage nach Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet, für den die CSU in den nächsten Monaten trommeln soll, obwohl viele lieber für den eigenen Parteichef Söder wahlgekämpft hätten. Der kurze wie heftige Streit sei wirklich abgehakt, ist aus der Partei zu hören. Man werde geschlossen auch für Laschet kämpfen, wenngleich vielleicht nicht ganz so inbrünstig wie im Falle einer Söder-Kandidatur.

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