Pfaffenhofens Feuerwehrkommandant Roland Seemüller zeigt ein Pumpenset zum Ausleihen.
Bildrechte: BR / Susanne Pfaller

Die Feuerwehr Pfaffenhofen ist für Starkregen gerüstet. Auch die Bürger müssen mithelfen. Mit Pumpensets können sie ihre Keller auspumpen.

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Wie sich Pfaffenhofen und andere Kommunen für Starkregen rüsten

Der Klimawandel führt zu mehr Starkregen. Das kann überall passieren. Das oberbayerische Pfaffenhofen hat extremen Starkregen bereits erlebt. Die Stadt sucht nach Wegen, wie sich die Kommune, der Katastrophenschutz und die Bürger rüsten können.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Straßen verwandeln sich in Flüsse. Auf ihnen schwimmen Autos. Gullydeckel tanzen. Diese Bilder hat Feuerwehrkommandant Roland Seemüller vor Augen, wenn er sich an den vergangen August erinnert. Da prasselten in der Kreisstadt Pfaffenhofen an der Ilm innerhalb von einer halben Stunde mehr als 80 Liter pro Quadratmeter nieder. Laut Statistik gibt es so einen Starkregen nur alle 200 Jahre, doch das ändert sich wohl durch den Klimawandel.

Vermehrt Starkregenereignisse in Deutschland

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung betont in seinem Leitfaden über Starkregenereignisse: "In den vergangenen Jahren hat es in Deutschland vermehrt außergewöhnliche Starkregenereignisse gegeben, die zu großen Schäden und Todesopfern geführt haben." Das Institut nennt bundesweit mehrere solche Ereignisse: "(...) im Juli 2008 in Dortmund, im Juli 2014 in Münster, die Sommerereignisse 2016 in Braunsbach und Simbach sowie die Sturzfluten im Juni 2017 in Berlin".

Allein in Pfaffenhofen gab es laut Seemüller im vergangenen Jahr drei Starkregenereignisse. Das heftigste war mit Abstand das am 26. August 2023. An manchen Stellen im Stadtgebiet fielen an diesem Nachmittag über 80 Liter pro Quadratmeter. Beim Feuerwehrkommandanten lief an diesem Nachmittag das Telefon heiß. Zu 170 Einsätzen rückten die Rettungskräfte aus. Sie bargen Menschen aus schwimmenden Autos, kümmerten sich um aufgeschwemmte Öltanks, gefährliche Stoffe in Betrieben, vollgelaufene Keller, auch um Bewohner von Wohnungen, die erdgeschossig liegen. "Die wurden überflutet. Da hatten die Leute dann nichts mehr", schildert Seemüller das Ausmaß der Schäden.

Starkregen kommt ohne Vorwarnung

Zeit, um Autos oder Möbel in Sicherheit zu bringen, hatte niemand in Pfaffenhofen. Und das gilt für Starkregen allgemein: Anders als beim Hochwasser, das sich über Tage ankündigt, trifft Starkregen jeden ohne Vorwarnung. "Die Starkregenereignisse haben das Heimtückische, dass sie sofort da sind. Sie laden sofort ab und man kann es nicht kalkulieren. Hochwasser kann man kalkulieren. Starkregen nicht", sagt Seemüller, der auch Katastrophenschutzbeauftragter der Stadt ist.

Bundesinstitut für Bau- und Stadtforschung fordert Anpassungen

Für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung lautet deshalb die Konsequenz, "dass Liegenschaften und Häuser angepasst werden müssen, um die Folgen derartiger Ereignisse zu minimieren". Das Bundesinstitut benennt auch, wer hier tätig werden sollte: "Während die Kommune in festgelegten Grenzen für einen ausreichenden Entwässerungskomfort und Überflutungsschutz zuständig ist, ist auch der Eigentümer verpflichtet, sich in angemessenem Aufwand selbst zu schützen. Für das Wasser, das auf dem eigenen Grundstück anfällt, ist der Eigentümer ohnehin selbst verantwortlich."

Munic Re: Großteil der Schäden entsteht an öffentlicher Infrastruktur

Anreize zum Handeln gibt es genug, denn die Schäden können je nach Ausmaß des Unwetters in die Milliarden gehen. Das bestätigt der Münchner Rückversicherer Munich Re in seinem Schadensbericht für das Jahr 2023. Demnach ereignete sich die "teuerste Hochwasserkatastrophe bislang" im Juli 2021 in Mitteleuropa, "als verheerende Sturzfluten in Westdeutschland und Nachbarländern Gesamtschäden von 46 Milliarden Euro verursachten. Es war die teuerste Naturkatastrophe in Europa seit Jahrzehnten", so die Munich Re.

Kommunen sowie die Bundesländer und den Bund treffen diese Art von Unwetter auch finanziell sehr stark. Wie der Rückversicherer analysiert, entsteht "ein Großteil der Schäden (…) an öffentlicher Infrastruktur wie Straßen, Bahnlinien, Deichen und Brücken, die meist nicht versichert sind".

Starkregen in Pfaffenhofen zerstörte Teil der Bundesstraße

In kleinem Maßstab war das auch in Pfaffenhofen zu sehen. Dort zerstörte der Starkregen im Stadtgebiet einen Teil der Bundesstraße B13. Weil der Druck der Wassermassen zu groß war, der Kanalstauraum nicht ausreichte und mehrere Hauptkanaldeckel fest verschraubt waren, konnte das Wasser nicht entweichen und hob die Straßendecke an. Die B13 wurde an der Stelle unterspült und damit unpassierbar. Die Reparaturarbeiten zogen sich über Tage und blockierten den Verkehr. Nun plant die Stadt, an dieser Stelle den Stauraumkanal zu vergrößern, um für künftige Starkregen mehr Wasser aufnehmen zu können. Das kostet. Günstig fällt hier nur die Maßnahme aus, künftig weniger Kanaldeckel zu verschrauben.

Forschungsprojekte sollen Resilienz der Kommunen erhöhen

Um die Resilienz der Kommunen für künftige Starkregen zu erhöhen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein kleines Projekt initiiert. Daran teilgenommen haben Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg und Olfen in Nordrhein-Westfalen. Wie Pfaffenhofen hatten auch diese beiden Städte in der Vergangenheit schon mit Starkregen zu kämpfen.

Im Projekt "RESI-extrem" hat sich laut Bundesministerium gezeigt, dass man "bei der Vorsorge von Starkregen auch die Verwundbarkeit von Menschen und Infrastrukturen einbeziehen muss". In Neubaugebieten werden in Schwäbisch Gmünd und Olfen nun Zisternen als Speicher für Regenwasser festgeschrieben. Im Bestand werden die Straßengestaltungen angepasst und "Grünflächen für Notwasserwege geschaffen" und "neue Formen der Kooperation zwischen Stadt und Bürger etabliert".

Freistaat versorgt Kommunen mit Sturzflutkarten

Auch das bayerische Umweltministerium will die Kommunen und Bürger besser gegen Starkregen rüsten. Dazu baut es sein Informationsangebot für Hochwassergefahren aus. Aktuell arbeitet das Ministerium an der Veröffentlichung einer bayernweiten Hinweiskarte zum Thema Sturzfluten. Damit will die Behörde "möglichst viele Gemeinden und Bürger für die Thematik sensibilisieren sowie den Gemeinden den Einstieg in ein zielgerichtetes Sturzflut-Risikomanagement erleichtern". Während die Kommunen bereits Zugriff auf die Karten haben, müssen sich Hauseigentümer noch gedulden. Noch ist nicht klar, wann die Sturzflutkarten veröffentlicht und damit auch für die Bürger zugänglich sein werden.

Erstellt wurden diese Sturzflutkarten von den jeweiligen Wasserwirtschaftsämtern. Sie geben "grobe Hinweise auf die möglichen Fließwege des Wassers im gesamten Gemeindebereich und auf die Gebiete, die infolge von Starkregenereignissen durch Oberflächenabfluss und Sturzfluten potenziell betroffen sein können", formuliert es das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt.

Feuerwehrkommandant Seemüller hat die Sturzflutkarte für Pfaffenhofen bereits studiert. Sie zeigt auf, wie und wo sich Wassermassen vermutlich ihren Weg durch die Kreisstadt bahnen werden, welche Stellen also gefährdet sind. Grundsätzlich kennt Seemüller die schwachen Punkte längst. Und nennt ein Beispiel: "Die Hohenwarter Straße liegt wie in einer kleinen Schlucht. Da laufen die Straßen von der Bebauung an den Hängen zusammen. Das Wasser läuft immer zum tiefsten Punkt."

Herausforderung: Neue Rückhalteflächen im gewachsenen Stadtgebiet

Auch Simon Hettenkofer kennt die Sturzflutkarte. Der Leiter der Pfaffenhofener Stadtentwässerung weiß, dass ein Kanalsystem niemals einen derartigen Starkregen wie im vergangenen August aufnehmen kann. Das wäre technisch unmöglich: "Da müssten die Rohre so breit sein wie die Straßen und die Straßendecke bestünde nur noch aus Deckeln und Gullys. Das funktioniert so nicht", versichert Hettenkofer. Und außerdem wäre es auch nicht bezahlbar.

Hettenkofer sucht deshalb nach Flächen, die bei Starkregen an strategisch wichtigen Stellen Wassermengen zurückhalten können. Bei einem Neubaugebiet am Hang zeigt es ein aktuelles Paradebeispiel: An den Pfaffelleiten wurde schon bei Baubeginn eine ganze Kette an Rückhaltebecken um die Besiedelung gelegt. Doch Hettenkofer will auch im gewachsenen Stadtgebiet vermehrt Rückhalteflächen schaffen, nennt das Vorhaben aber "schwierig, weil das geht dann in Richtung multifunktionale Flächen. Da muss dann zum Beispiel ein Spielplatz so auslegt werden, dass der bei solchen Starkregenereignissen gezielt geflutet wird und dann auch eine Speicherfunktion hat". Bei vielen Projekten sei auch die Einwilligung von Immobilienbesitzern nötig.

Bürgermeister: "Schwammstadt-Prinzip nutzen"

Für die Kreisstadt Pfaffenhofen fasst Bürgermeister Thomas Herker die Starkregen-Pläne in Stichpunkten zusammen: "Das Kanalsystem weiter optimieren, Stauraum schaffen, den Hochwasserschutz mit dem Wasserwirtschaftsamt vorantreiben, eigene Flächen entriegeln, dabei das Schwammstadt-Prinzip nutzen." So lauten seine zentralen Ansätze. Bei der Bauleitplanung und Neuerung will Pfaffenhofen zudem vermehrt auf die oberflächliche Wasserführung und Versicherung achten. Zudem soll die Begrünung von Dächern forciert werden, ebenso der Bau und die Nutzung von Zisternen. Mit diesem Maßnahmenpaket will sich die Stadt "Schritt für Schritt an die Herausforderungen anpassen", so Bürgermeister Herker.

Hauseigentümer müssen selbst mit anpacken

Der Leiter der Pfaffenhofener Stadtentwässerung nimmt auch die Hauseigentümer in die Pflicht: "Die Bürger können ganz konkret ihr eigenes Haus anschauen. Sich überlegen, wo kann Wasser in das Haus eindringen?" Hier müsse man vor allem die Fensteröffnungen überprüfen, aber auch die Eingänge, Lichtschächte und die Grundstücksentwässerungsanlage, so Hettenkofer. Nicht vergessen dürfe man die Gullys vor der Straße. Die sollten die Bürger am besten einmal im Monat reinigen, um den Abfluss zu erleichtern.

Ansonsten bleibt nur Schadensbehebung

Ansonsten bleibt nur Schadensbehebung. Dafür ist Pfaffenhofens Feuerwehrkommandant gerüstet. Mit ausreichend Leuten, Fahrzeugen, schweren Lenz-Pumpen für die Profis. Außerdem hat die Feuerwehr auch Dutzende von einfachen Pumpsätzen, mit denen die Bewohner selbst aktiv werden können: "Da kriegen Sie eine Bedienungsanleitung in die Hand gedrückt. Eine kurze Einweisung und das war's. Kniehoch mit dieser Pumpe. Ich sag mal: Braucht eine gute Dreiviertelstunde, dann dürfte das Ding leer sein."

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