Klaus Holetschek (CSU), Markus Söder, (CSU), Hubert Aiwanger (FW) und Florian Streibl (FW)
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Unterzeichnung des Koalitionsvertrages von CSU und Freien Wählern

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Wie kommt der Koalitionsvertrag in AfD-Hochburg Günzburg an?

Im Landkreis Günzburg erzielte die AfD ihr bayernweit bestes Ergebnis. Was hat die neu gewählte Staatsregierung dem entgegenzusetzen, mit ihrem neuen Koalitionsvertrag? So beurteilt die schwäbische Region die Pläne von CSU und Freien Wählern.

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Wenn Rudolf Feuchtmayr über Energie spricht, klingt er besorgt. Es ist nicht lange her, als die Schlossbrauerei Autenried noch Verträge mit niedrigen Strom- und Gaspreisen hatte, erzählt der Seniorchef. Doch mit dem Krieg in der Ukraine änderte sich alles. "Die Preise sind regelrecht explodiert. Wir zahlen jetzt das Dreifache", so Feuchtmayr.

Dass die Staatsregierung im neuen Koalitionsvertrag einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstrompreis auch für den Mittelstand und das Handwerk fordert, lobt er. Zweimal hob die Brauerei den Preis für den Kasten Bier bereits an, um zwei Euro. Das reicht allerdings nicht, die Kosten zu decken. Eigentlich müsste er drei Euro teurer werden.

Netzschwankungen führen zu Schäden

Auch die Versorgungssicherheit beschäftigt den Unternehmer. In Folge der Energiewende komme es zu Netzschwankungen, sagt Feuchtmayr: "So eine Schwankung kostet uns 2.000 Euro, weil wir den ganzen Betrieb prüfen müssen, bis dann alles wieder läuft." Hin und wieder werden auch elektrische Geräte wie Netzteile oder Speicherplatinen beschädigt, die dann ersetzt werden müssen. Das treibt die Kosten für einen Ausfall zusätzlich nach oben. Mit seinen Nöten sei er nicht allein, betont der Firmenchef. Anderen Mittelständlern gehe es ähnlich.

Im Landkreis Günzburg finden sich viele mittelständische Betriebe und Handwerksfirmen. Der AfD-Abgeordnete Gerd Mannes sieht die wesentliche Ursache für sein starkes Abschneiden bei der Landtagswahl in seinem Engagement für eben diese Unternehmen. Mannes ist Ingenieur, hat in der Chemieindustrie gearbeitet. Er fürchtet, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland durch die derzeitige Energiepolitik erheblichen Schaden nehmen könnte.

Migration als Kernfrage

Für Günzburgs Oberbürgermeister Gerhard Jauernig (SPD) liegt ein Schlüssel für das starke Abschneiden der AfD in der ungelösten Migrationsdebatte. Das Recht auf Asyl will der Sozialdemokrat keineswegs infrage stellen. Doch als Bezirksvorsitzender des Bayerischen Städtetags in Schwaben erlebt er nicht nur in der eigenen Kommune, wie das Thema Migration viele Bürger bewegt. "Die Menschen kommen nach Deutschland, weil es hier die besten sozialen Standards gibt. Das Land wird sich das auf Dauer aber nicht mehr leisten können", sagt Jauernig. Die Politik müsse für Menschen ohne Bleibeperspektive Grenzen ziehen. Eine Aufstockung der Bundespolizei, wie im bayerischen Koalitionsvertrag gefordert, hält der Oberbürgermeister für ein Placebo. Schleuser würden letztlich immer Wege finden.

Bezahlbarer Wohnraum

Jauernig begrüßt dagegen die Pläne der Staatsregierung, neue Impulse beim Bauen zu setzen, unter anderem mit Zinsverbilligungsprogrammen. Die Preise für Wohneigentum sind zwar zuletzt gefallen, doch hohe Zinsen lassen den Traum für viele Familien in weite Ferne rücken. Wer hingegen mietet, zahlt schon für eine Zwei-Zimmerwohnung samt Nebenkosten im Landkreis monatlich um die 700 bis 800 Euro. Jauernig ist der Überzeugung, dass das Wohnproblem nur dann gelöst werden kann, wenn auch die Standards heruntergeschraubt werden. "Wir können nicht jede Wohnung barrierefrei, energetisch auf Topniveau und mit Tiefgaragen bauen, wenn es am Ende bezahlbar bleiben soll", sagt der Oberbürgermeister. CSU und Freie Wähler versprechen, Normen zu entschlacken und Bayern mit dem "modernsten Baurecht" auszustatten.

Kliniken vor Herausforderungen

"Vieles wird sich ändern", sagt auch Robert Wieland, Leiter der Kreiskliniken Günzburg-Krumbach. Die Krankenhäuser könnten künftig nicht mehr sämtliche Leistungen an allen Standorten bieten, schon allein wegen des Fachkräftemangels. Ihn freut, dass der Freistaat im Koalitionsvertrag weiter um die Hoheit der Länder bei der Reform kämpfen will: "Wir glauben, es gibt in Bayern das beste Verständnis für die regionale Versorgung vor Ort und eben nicht durch zentrale Vorgaben aus Berlin."

Vor einigen Wochen leuchteten die Kreiskliniken rot, um damit auf die knappe Finanzausstattung aufmerksam zu machen. Für Inflation, Tarifabschlüsse und gestiegene Kosten bekämen viele Kliniken derzeit keinen Ausgleich, das zwinge manche Häuser in die Insolvenz, sagt Wieland. Er fordert, dass gerade auch kleinere Krankenhäuser erhalten bleiben. Am Ende dürfen sich Menschen auf dem Land nicht abgehängt fühlen, betonen auch Politikexperten – sonst wählen sie Protest.

Überbordende Bürokratie

Ob Bürgermeister, Brauereichef oder Klinikleiter - ein Thema eint alle drei: der Frust über zu viel Bürokratie. Auch im neuen Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern findet sich das Thema. So sollen beispielsweise mindestens zehn Prozent aller Verwaltungsvorschriften bis Mitte 2024 entfallen oder eine bereits umgesetzte "Paragrafenbremse" verschärft werden. Bürgermeister Gerhard Jauernig hätte sich allerdings noch mehr gewünscht: "Es gibt einen Rechtsanspruch für Kindergartenplätze. Als Stadt müssen wir trotzdem Förderanträge stellen, was viel Personal bindet. Wer einen Kindergarten baut, sollte einfach das Geld bekommen, ohne dieses Prozedere."

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