Neben einem Wanderweg steht ein Schild mit einem roten Herz als Symbol für die kardiovaskuläre Teststrecke.
Bildrechte: Birgit Böhm / Technische Universität München

Teststrecke in Aschau im Chiemgau

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Wie Herz-Kreislauf-Problemen beim Wandern vorgebeugt werden kann

Wandern ist gesund, solange man sich nicht überlastet. Vor allem Herz-Kreislauf-Probleme sind auf Bergtouren die Todesursache Nummer eins. Das Projekt "Wandern fürs Herz" von der TU München soll Wandernden daher helfen, Risiken unterwegs vorzubeugen.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Wie schwer wird eine Bergtour für jemanden persönlich und wie stark wird sie dessen Herz belasten? Mit diesen Fragestellungen haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich beschäftigt. In dem Projekt "Connect2Move – Wandern fürs Herz" haben sie unter der Leitung der TU München einen BergFit-Test erstellt, mit dem jeder seine Leistungsfähigkeit realistisch einschätzen soll. Das ist auch im Sommer bei großer Hitze im Gebirge wichtig. Darüber hinaus haben sie einen Wanderweg so kartografiert, dass er jedem Interessierten eine individuelle Einschätzung liefert, wie schwer die Tour für ihn persönlich sein wird. Diese Art des Kartografierens soll ein Modell für die Zukunft werden.

BergFit-Test vor der Tour

In zwei Modellregionen in Aschau im Chiemgau und in Werfenweng im Salzburger Land können Besucher und Einheimische zu Fuß einen kostenlosen BergFit-Test machen. Initiiert wurde er von Dr. Birgit Böhm, Habilitandin am Lehrstuhl für Präventive Pädiatrie an der TU München. Dazu muss man die Zeit messen, die man für die einen Kilometer lange Teststrecke braucht. Darüber hinaus gibt man Einflussfaktoren wie Alter, Größe, Gewicht an und ob man raucht. "Wir haben aus einem Goldstandard-Test im Labor eine mathematische Formel entwickelt, die die maximale Sauerstoffaufnahme-Fähigkeit berechnet. Das zeigt, wie fit jemand ist", erklärt Dr. Birgit Böhm den gesundheitstouristischen Ansatz. Denn für Urlauberinnen und Urlauber kann es interessant sein, ihren Status quo zu testen, bevor sie den ersten Berg erklimmen.

Alles im grünen Bereich?

Was sonst beispielsweise von Sportmedizinern und Kardiologen in einer Leistungsdiagnostik auf dem Laufband oder Ergometer ermittelt wird, soll nun selbständig funktionieren. Am besten bringen die Wanderer dazu eine Pulsuhr samt Brustgurt oder eine Smartwatch oder ein Smartphone mit auf die Teststrecke. Die ermittelten Daten geben sie dann auf der Internetseite des Projekts "Connect2Move" ein. "Wir haben versucht, die Ergebnisse möglichst anschaulich zu machen", erklärt Dr. Birgit Böhm. Deshalb erscheint nach Eingabe der persönlichen Daten ein Tachometer, dessen Nadel in einem grünen, gelben oder roten Bereich ausschlägt. Dies zeigt den Fitnesszustand zwischen fit und nicht fit an.

Bergtour individuell einschätzen

Der BergFit-Test liefert also eine erste Einschätzung. Darüber hinaus tun sich manche Menschen schwer, eine Wanderroute richtig zu bewerten: Wie steil ist das Gelände oder wie lange braucht man, um 700 Höhenmeter bis zur Berghütte aufzusteigen? Deshalb verfolgt das wissenschaftliche Projekt "Connect2Move – Wandern fürs Herz" noch einen zweiten Ansatz. Auf einer weiteren 8 km langen Teststrecke sind schwierige Stellen auf dem Wanderweg markiert. "Dazu wurde er neu kartografiert, indem wir die Wanderkarte digitalisiert und in grüne, gelbe und rote Zonen eingeteilt haben", so Böhm. Das zeige auf den ersten Blick, wo schwere Abschnitte liegen, die die Herzfunktion fordern werden. Diese Art des Kartografierens könnte auf viele Wanderregionen ausgeweitet werden. Daher hat Birgit Böhm dieses Konzept kürzlich dem Deutschen Alpenverein und dem Kuratorium für alpine Sicherheit vorgestellt.

Wandern ist gesund

Wandern gilt grundsätzlich als gute Gesundheitsvorsorge, weil es das Herz-Kreislaufsystem trainiert. Darüber hinaus kann es beispielsweise auch der Arteriosklerose vorbeugen, also den schädlichen Ablagerungen in den Blutbahnen. Prof. Renate Oberhoffer-Fritz, Dekanin der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften an der TU München, schätzt den Nutzen des Wanderns für die Herzgesundheit sehr. Denn die körperliche Leistung könne angehoben werden, ohne das kardiovaskuläre System zu überlasten, "indem die Steigung und Geh-Geschwindigkeit individualisiert werden und auch spontan Pausen möglich sind, wenn die Belastung subjektiv zu stark erscheint."

Überlastungen am Berg vermeiden

Der plötzliche Herztod am Berg ist die Haupttodesursache von Männern im Alter ab 35 Jahren im Gebirge. Deshalb ist es der Wissenschaftlerin wichtig, Überanstrengungen am Berg durch innovative Ansätze zu vermeiden. Das Projekt "Connect2Move – Wandern fürs Herz" soll daher präventiv auf Risikofaktoren aufmerksam machen und eine realistische Routenplanung gemäß der individuellen Fitness der Teilnehmenden ermöglichen. Neben der gewohnten Beschreibung der Wanderwege anhand von Länge, Höhenmetern, Beschaffenheit oder Dauer sollen bei dem neuen Kartografieren auch die Belastungsintensitäten für das Herz-Kreislauf-System gekennzeichnet werden. Deshalb will das Modellprojekt der TU München möglichst viele Menschen zum Wandern ermuntern und gleichzeitig sensibilisieren, sich nicht zu überlasten.

Vorausschauend planen

Die gesundheitsbezogene Digitalisierung von Wanderkarten liegt Birgit Böhm am Herzen, weil es ein Vorhersagemodell ist. Bislang können Wandernde erst im Nachhinein auf ihren sogenannten Wearables sehen, wie hoch die Herzfrequenz auf der Wanderung gewesen ist. Durch die neue Art des Kartografierens soll dies nun schon vor der Wanderung möglich sein.

Bildrechte: Birgit Böhm / Technische Universität München
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Wissenschaftliche Vermessung der Belastungsintensität beim Wandern auf dem Herzwanderweg mittels Spiroergometrie.

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