Symbolbild JVA Kaisheim
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Wenn Häftlinge fliehen: Warum Kaisheim kein Einzelfall ist

Mit der Feile das Gitter durchgesägt oder am zusammengeknoteten Bettlaken aus der Zelle abgeseilt – so die Klischees über Gefängnisausbrüche. In der Realität fliehen Häftlinge meist ganz anders. Das zeigt sich auch am aktuellen Fall in Kaisheim.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Und plötzlich war der 51 Jahre alte Häftling verschwunden. Geflohen von seiner Arbeitsstelle außerhalb der schwäbischen Gefängnismauern. Der Gefangene habe einen "kurzen unbeobachteten Moment" genutzt und sei bereits direkt im Anschluss nicht mehr auffindbar gewesen, heißt es von der JVA Kaisheim, wo er bis vor Kurzem einsaß. Wobei: So genau wurde der Häftling gar nicht überwacht, wie nun bekannt wurde.

Wie kommt es dazu, dass ein Gefangener aus einem Gefängnis in Bayern fliehen konnte? Wer "Prison Break" oder ähnliche Serien oder Filme gesehen hat, denkt vielleicht erstmal an durchgesägte Gitter mit einem selbstgebastelten Werkzeug oder an ein Seil aus zusammengeknoteten Laken und Klamotten. Oder man denkt an bekannte Fälle wie den Drogenboss Pablo Escobar, der durch einen Tunnel entkam - oder an Bestechung von Gefängnispersonal. Aber wie sieht es in der Realität in Bayern aus? Und wie häufig sind solche Fälle wie in der JVA Kaisheim?

So viele Menschen brechen aus Bayerns Gefängnissen aus

Zunächst ein Überblick: Drei Ausbrüche aus Gefängnissen gab es in Bayern in den vergangenen zehn Jahren, alle Geflohenen wurden wieder eingefangen. Ausbruchsversuche werden nicht statistisch erfasst.

Aus Gerichtssälen flohen in den vergangenen Jahren fünf Häftlinge. Und dann gibt es noch Fälle wie den in Kaisheim - wenn Häftlinge von außerhalb des Gefängnisses fliehen, also beispielsweise von einer Arbeitsstelle oder vom Arztbesuch.

"Entweichungen" werden solche Fluchten offiziell genannt. Drei gab es alleine in diesem Jahr in Bayern (in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 43). Wie die Bewachung bei solchen "Außenterminen" zu laufen hat, dafür gibt es keine einheitliche Regel. Die zuständige JVA entscheidet immer von Fall zu Fall - auch, ob eine Lockerung überhaupt denkbar ist.

Dabei wird insbesondere berücksichtigt, ob und inwieweit der jeweilige Gefangene eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen könnte, ob er während seiner Inhaftierung disziplinarisch auffällig geworden ist, ob er eine positive Sozialprognose durch soziale Bindungen vorweisen kann, ob er sich bisher stets absprachefähig gezeigt hat und ob beispielsweise eine Suchtproblematik bei dem Gefangenen besteht, wie die JVA Kaisheim auf BR-Nachfrage erklärt.

Geflohener Häftling zeitweise alleine

Der geflohene Häftling aus Kaisheim war kein Gewaltverbrecher. Vielleicht war er auch deshalb unter "gelockerter Aufsicht" in der Arbeit, wie die JVA mitteilte. Das bedeutet: Der Gefangene wurde nur in unregelmäßigen Zeitabständen bewacht und durfte eine gewisse Zeit alleine sein. Von daher war es dem Mann offensichtlich nicht schwergefallen, einen "kurzen unbeobachteten Moment" zu nutzen.

Doch warum gibt es diese gelockerten Haftbedingungen überhaupt? Zunächst hat Haft einen bestrafenden Charakter. Eine Haft solle aber auch immer resozialisieren, damit die Menschen nach dieser Zeit eben keine Straftaten mehr begingen, teilt das bayerische Justizministerium mit.

Ministerium: "Lockerungen dienen dem Schutz der Allgemeinheit"

"Durch Ausgang und Urlaub aus der Haft sollen insbesondere die sozialen Kontakte der Gefangenen gefördert und die Entlassung vorbereitet werden", so das Ministerium weiter. Auch das würde dem Schutz der Allgemeinheit dienen. Dass jemand diese Lockerungen zur Flucht nutzt, könne man nicht völlig ausschließen. Dennoch seien die Maßnahmen für die Resozialisierung notwendig.

Im Fall von Kaisheim wurde der Häftling wieder gefasst. Gravierende Folgen dürfte seine Flucht nicht haben. Denn ein Gefängnisausbruch ist keine Straftat - noch nicht mal eine Ordnungswidrigkeit.

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