Zwei Kälber, ein drittes im Anschnitt, stehen auf einer grünen Weide.
Bildrechte: BR/Dagmar Bohrer-Glas

Rund drei Monate alte Bio-Kälber: Sie dürfen am Hof aufwachsen und sind noch nicht verkauft.

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Weide statt Transport: Biokälber sollen im Oberland bleiben

Im Landkreis Miesbach hat sich eine neue Initiative gegründet, die Tierwohl garantieren und bestes Bio-Weidefleisch auf den Markt bringen will – und das im großen Stil. Im Blick haben die Bauern einen Absatzmarkt, quasi vor der eigenen Haustür.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Albert Stürzer ist "viechnarrisch". Das sagt der Bio-Landwirt aus Wall bei Miesbach von sich selbst. Neben seinem Hof steht eine kleine Gruppe Kälber auf der Wiese, die Apfelbäume blühen, idyllischer könnte es auf dem Hairer Hof nicht sein. Gemeinsam mit Gleichgesinnten hat Alber Stürzer einen Wunsch: So viele Bio-Kälber wie nur möglich sollen in der Region aufwachsen dürfen – bisher wurden sie meist in den Exportmarkt gegeben.

Viele Kälber werden zu weit entfernten Mastbetrieben transportiert

Kommt auf einem Bio-Hof ein Kalb zur Welt und wird das Tier nicht zur Nachzucht gebraucht, dann wird das Kalb verkauft. Nicht als Bio-Kalb, sondern meist auf dem konventionellen Markt, erzählt die Bio-Landwirtin Manuela Zehendmaier. Natürlich brauche man einzelne Tiere für die Direktvermarktung, aber den großen Absatzmarkt für Bio-Kälber gebe es einfach noch nicht, bedauert die Landwirtin.

Rund 3.000 biozertifizierte Kälber aus dem Landkreis Miesbach würden jedes Jahr über Märkte und Händler außerhalb der Region verkauft, so der Verein "Oberland Bioweiderind". Die Kälber gingen dann oft auf eine große Reise zu weit entfernten Mastbetrieben. Der Verein will das jetzt ändern und eine Bio-Wertschöpfungskette aufbauen.

Landwirte gründen GmbH für mehr Tierwohl und besseren Absatz

Der Verein "Oberland Bioweiderind" hat deshalb eine GmbH gegründet. Das Ziel: So viele Bio-Kälber wie nur möglich sollen künftig auf den Weiden in der Region aufwachsen und vor Ort, wenn sie ca. zwei Jahre alt sind, handwerklich, also so stressfrei wie nur möglich, geschlachtet werden. Die GmbH kümmert sich um den Fleisch-Absatz.

Damit das Projekt am Ende aufgeht, brauche es viele Abnehmer – im Einzelhandel und in der Gastronomie, betont Stephanie Stiller vom Verein. Die Miesbacher Landwirtinnen und Landwirte jedenfalls können auf Absatz hoffen, denn bei der Gründung des neuen Unternehmens ist ein Bio-Großhandel als Gesellschafter mit eingestiegen. Zudem hat man einen großen Absatzmarkt im Blick, quasi direkt vor der Haustür: die Landeshauptstadt München.

Mehr Bio aus der Region für München

Es gebe eine breite Palette im Bereich der "Außer Haus-Verpflegung", die beliefert werden könnte, darunter staatliche Kantinen, einzelne Restaurants sowie große Kantinen von Münchner Firmen, zählt Stiller auf. Es sei allerdings nicht leicht, diese Wertschöpfungskette aufzubauen, denn das hochwertige Fleisch habe seinen Preis. Gastronomen zahlen 15 Euro für das Kilo Bio-Weiderindfleisch aus dem Oberland.

Zudem brauchen Wirte eine Bio-Teilzertifizierung, damit sie das Biofleisch überhaupt auf der Speisekarte bewerben dürfen – das mache alles etwas schwieriger, sagt Stiller. Doch der Verein ist zuversichtlich, genügend Partner in der Gastronomie und andere Abnehmer zu finden.

Weidehaltung als Zukunftsmodell für die Landwirte

In München gibt es seit vergangenem Jahr ein Bio-Regio-Wertschöpfungskettenmanagement. Seine Hauptaufgabe: die Vernetzung von städtischen Kantinen und Anbietern von regionalen Bio-Lebensmitteln, damit mehr Bio aus der Region kommt. Das Netzwerk befindet sich gerade im Aufbau, teilt die Stadt München auf Anfrage mit.

Die Miesbacher Landwirte jedenfalls stünden bereit, wie Albert Stürzer aus Wall. Er nennt in Sachen Tierwohl drei Eckpfeiler: Leben auf der Weide, kurze Transportwege und eine stressfreie Schlachtung. Zudem hätte das Modell einen Nebeneffekt: Auf vielen Höfen sei eine Nachfolge nicht gesichert. Wenn ein Landwirt vorhat, die Milchkuhhaltung einzustellen, stattdessen aber umsteigt auf die Weidehaltung und diese im Nebenerwerb betreibt, dann wäre das ein Beitrag zum Erhalt der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Oberbayern.

Schwieriges Ziel: Die schwarze Null

Ein Problem bleibt aber – und das sind die Kosten. Die Aufzucht von Bio-Kälbern ist teurer als die konventionell gehaltener Tiere, da die Kälber mit echter Biomilch gefüttert werden statt mit günstigerem Milchaustauscher. Auch die Art und Weise der Schlachtung sei teurer und so würden pro Kalb eigentlich 200 Euro fehlen, rechnet Albert Stürzer vor.

Die Oberlandler Bauern wollten daher zusätzliches Geld vom bayerischen Landwirtschaftsministerium – doch das hat nicht geklappt. Davon will man sich insgesamt aber nicht aufhalten lassen. Ob das Projekt aufgeht und eine schwarze Null erreicht, soll in rund zwei Jahren feststehen.

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