Kind kommuniziert mit Gebärdensprache
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Gebärdensprache in der Kita

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Vorteil auch für hörende Kinder: Gebärdensprache in der Kita

Gebärdensprache unterstützt hörende Kinder bei der Sprachentwicklung. Das zeigen neue Studien der Universität Würzburg. Im bayernweiten Pilotprojekt "IkoGeWo" lernen hörende Kinder, sich mit Hilfe von Gebärden und Wörtern auszudrücken.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau am .

Gebärden werden nicht nur von gehörlosen Menschen genutzt, sie unterstützen auch hörende Kinder bei der Sprachentwicklung. Hier haben Kinder der Würzburger Kita "Schlaue Mäuse" die Nase vorn. Das zeigt das Ergebnis jüngster wissenschaftlicher Untersuchungen der Universität Würzburg.

55 Kinder aus 16 verschiedenen Nationen

Morgens um halb acht in der Würzburger Kita: Die fünfjährige Liliana beobachtet, was Logopädin Nathalie Frey Spannendes mit ihren Händen macht. Mit einer Wellenbewegung, als würde ihre Hand in einen Hausschuh gleiten, fragt Frey: "Wo sind denn deine Hausschuhe?" Liliana öffnet ihren gelben Spind und zieht sofort ihre rosa Hausschuhe heraus.

Dass hier quasi mit den Händen geredet wird, ist sowohl den Kindern als auch dem Erzieherteam in Fleisch und Blut übergegangen. Die 55 Kinder sind hörend – sie kommen aus 16 verschiedenen Nationen. Viele haben einen Flucht- oder Migrationshintergrund und sprechen wenig bis kein Deutsch. "Das Witzige war, dass in der zweiten Woche viele Kinder ihre Hände als Kommunikationsmedium entdeckt haben", erzählt Logopädin Nathalie Frey.

Bayernweites Pilotprojekt

Das bayernweite Pilotprojekt IkoGeWo ("Ikonische Gesten als Methode zur effektiven Vermittlung unbekannter Wörter in inklusiven Settings") wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit mehr als 300.000 Euro gefördert. Es finanziert vor allem die Mitarbeitenden der Universität Würzburg. Das Ziel: Gebärden aus der deutschen Gebärdensprache sollen die Kinder beim Wörterlernen unterstützen. Mit dem Projekt hat Doktorandin Nathalie Frey von der Universität Würzburg 2021 begonnen. Sie wertet laufend die Ergebnisse aus.

50 Gebärden für Erzieherteam

Die Logopädin brachte Kitaleiterin Samantha Dutz und ihrem Team innerhalb von sechs Wochen fünfzig Gebärden bei. Falls den Erzieherinnen doch ein Wort nicht einfällt, können sie auf Plakaten oder online nachschauen. Mittlerweile beherrscht das Personal über 200 Gebärden – dadurch hat sich hier viel verändert. "Vor allem in der Anfangszeit, wenn die Kinder zu uns kommen, sind viele Kinder einfach oft ohne deutsche Sprache", sagt Einrichtungsleiterin Samantha Dutz. "Und man merkt innerhalb kürzester Zeit ganz schnell Verbesserungen."

Wissenschaftliche Begleitung

Die Erfahrungen der Einrichtungsleitung lassen sich auch wissenschaftlich belegen. Nathalie Frey überprüft für ihre Doktorarbeit, wie viele neue Wörter die Kinder nach fünf Monaten schon gelernt haben. Liliana macht den Test richtig gut. Und ist mal ein Wort dabei, das sie noch nicht sagen kann, dann zeigt sie es einfach mit den Händen. Nathalie Frey führte die gleichen Tests in einer Kontroll-Kita durch. Dort erhielten die Kinder keine Sprachförderung durch Gebärden. Das Ergebnis: Die Kinder der Kita "Schlaue Mäuse" haben im gleichen Zeitraum viel mehr neue Wörter erworben.

Gebärde enthält ein Stück Wortbedeutung

In der Gebärde ist ein Stück der Bedeutung zu sehen. Das helfe den Kindern, neue Wörter zu erwerben, erklärt Projektleiterin Prof. Carina Lüke von der Universität Würzburg. Es brauche allerdings ständige Übung. "Man macht nicht irgendwelche Gesten, sondern es ist wirklich schon darauf zu achten, dass alle Mitarbeiter*innen der Einrichtung die gleichen Gebärden, im besten Fall dann auch aus der deutschen Gebärdensprache nehmen", erklärt Lüke. Sie sieht Gebärden als große Chance für hörende Kinder, die Unterstützung beim Spracherwerb benötigen. Das bayernweite Pilotprojekt aus Würzburg soll künftig auch in anderen Einrichtungen von Kita bis Grundschule umgesetzt werden.

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