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In Chat-Gruppen auf Telegram tauchen immer wieder Videos mit volksverhetzenden Inhalten auf. Wer sie als Admin nicht löscht, macht sich strafbar.

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Volksverhetzung in Telegram-Chats: Bewährung für "Querdenker"

Wer auf Telegram als Gruppen-Admin Videos mit volksverhetzenden Inhalten nicht löscht, macht sich selbst strafbar. Wegen Beihilfe zur Volksverhetzung verurteilte das Amtsgericht Aschaffenburg einen Mann zu sieben Monaten Haft auf Bewährung.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

In Aschaffenburg ist er so etwas wie das "Gesicht" der Querdenken-Bewegung: Ein 69-Jähriger, der die Gruppe "Aschaffenburg steht auf" gründete und als Organisator von teils umstrittenen Demonstrationen in Erscheinung trat. Personen aus rechtsextremen Kreisen sollen sich diesen monatlichen Demonstrationszügen angeschlossen haben. Gegen die Demos hatte sich in den letzten Wochen ein Bündnis um die Kabarettisten Urban Priol und Erwin Pelzig formiert.

Vom Amtsgericht Aschaffenburg wurde der 69-Jährige jetzt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt – wegen Beihilfe zur Volksverhetzung. Damit blieb die Richterin unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten gefordert hatte. Zudem habe der "Protest-Rentner", wie er sich selbst nennt, 1.200 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung in Aschaffenburg zu zahlen.

Holocaust-Leugnung in Chat-Gruppe

Der Rentner habe sich durch Unterlassen schuldig gemacht, betonte die Richterin: Von Anfang Februar bis Anfang Mai dieses Jahres habe er ein Video nicht aus der Telegram-Gruppe "Aschaffenburg steht auf" entfernt, deren Administrator er damals war und auch heute noch ist. Darin werde der Holocaust geleugnet.

In der Chat-Gruppe hatte eine Frau im Februar ein Video gepostet, in dem offenbar der Holocaust geleugnet wird. Während im Hintergrund Originalaufnahmen aus Konzentrationslagern zu sehen sind, führt eine Sprecherin aus: "Da waren keine Gaskammern. Das einzige Gas, das benutzt worden ist, war, um die Läuse zu vernichten." Die Sprecherin nennt das "6-Millionen-Lüge", eine immer wieder bemühte Theorie der Holocaust-Leugner.

Staatsanwaltschaft sieht "rechtsextremistische Tendenzen"

Für die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg ist klar: Der 69-jährige Angeklagte sei als damaliger Hauptadministrator der Telegram-Gruppe dazu verpflichtet gewesen, das Video zu löschen. Sie schreibt in der Anklageschrift von erstarkenden rechtsextremistischen Tendenzen in der Bevölkerung.

Laut Gericht habe sich der Angeklagte inzwischen deutlich von den Inhalten distanziert, das späche zu seinen Gunsten. "Ich bin erschüttert, dass ich hier sitze!", sagte der 69-Jährige in seinem Plädoyer. "Mir passen gewisse Dinge in diesem Land nicht und dagegen werde ich mich weiter wehren. Aber meine Großeltern haben bereits Juden versteckt. Die Schicksale haben mich sehr bewegt!"

Auf "absolut ekelhafte Weise" den Holocaust geleugnet

Gegenüber dem BR teilte der 69-Jährige mit, dass er gegen das Urteil Berufung einlegen werde. Er hatte sich selbst ohne anwaltlichen Beistand vor Gericht verteidigt. Zu Prozessbeginn sagte ein Polizeibeamter als Zeuge aus. Er schilderte, wie er Anfang Februar ein Video in der Telegram-Gruppe des Angeklagten entdeckt hatte, das auf "absolut ekelhafte Weise" den Holocaust und die Verbrechen der Nationalsozialisten leugne. In seiner Tätigkeit beim Staatsschutz habe so etwas Verachtendes noch nicht erlebt, sagte der Polizeibeamte aus. Er stellte Strafanzeige.

Der Polizeibeamte war es auch, der die Frau, die das Video gepostet hatte, schließlich ausfindig machte. Sie wurde bereits vom Alzenauer Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt. Auch auf seine mehrfache Aufforderung, das Video aus der Gruppe zu löschen, habe der 69-Jährige Admin aber nicht reagiert, berichtet der Polizeibeamte weiter.

Angeklagter teilt das Video in Untergruppen

Der 69-Jährige betonte gegenüber dem Gericht, dass er das Video in verschiedenen Untergruppen geteilt habe – jedoch mit dem Ziel, sich eindeutig davon zu distanzieren. Eine Antwort auf die Frage, warum er seine weitergeleiteten "Duplikate" löschte aber nicht das Original-Video, blieb der 69-Jährige schuldig.

Angeklagter gab seinen Pass ab

Der Oberstaatsanwalt betonte in seinem Schlussplädoyer, der Rentner sei kein Täter aber Gehilfe. Und betonte, beim Angeklagten Reichsbürger-Tendenzen erkennen zu können, immerhin habe er sich schriftlich an die "Firma Staatsanwaltschaft Aschaffenburg" gewandt.

Ende Oktober habe er auf Weltreise gehen wollen, seine Wohnung abgemeldet, seinen Pass abgegeben – ebenfalls bei der "Firma Stadt Aschaffenburg". "Ich kann keine günstige Sozialprognose erkennen!", so der Oberstaatsanwalt und wies auf die drei Vorbestrafungen des 69-Jährigen wegen öffentlicher Beleidung hin.

"Ich bin kein Nazi"

"Ich bin kein Nazi", betonte der Mann nach dem Prozess im BR-Gespräch. "Dass Rechtsradikale bei meinen Demos mitmarschieren, will ich auch nicht. Aber wir können nichts dagegen tun, das ist das Versammlungsrecht!"

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