Klassen-Chats können juristisch gesehen tickende Zeitbomben sein.
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Klassen-Chats können juristisch gesehen tickende Zeitbomben sein.

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Cyberkriminologe rät: Niemals in Klassen-Chats eintreten

Klassen-Chats sind praktisch, aber sie bringen auch Probleme mit sich. Denn wer hier etwas postet, ist nicht kontrollierbar. So kann ein vermeintlich "witziges" pornographisches Bild polizeiliche Ermittlungen nach sich ziehen.

Hausaufgabe unsauber aufgeschrieben, Arbeitsblatt verloren, nicht auf den Vertretungsplan geschaut - in vor-digitalen Zeiten half dann manchmal nur, zum Telefonhörer zu greifen. Heute hingegen reicht eine kurze Nachricht im Klassen-Chat und die fehlende Info ist da.

Das klingt praktisch und ist es auch. Aber es gibt bei Klassen-Chats auch rechtliche Fallstricke, wie der Cyberkriminologie-Experte Thomas-Gabriel Rüdiger in einem Live-Stream auf dem TikTok-Kanal von BR24 erklärt. Rüdiger leitet das Institut für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg und beschäftigt sich daher alltäglich mit den Gefahren des Netzes, gerade für junge Menschen.

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Experte: Klassen-Chats meiden

Aus dieser Erfahrung heraus sagt er: "Ich kann nicht empfehlen, dass man einem Klassen-Chat beitritt." Die Erfahrung zeige nämlich, dass dort rechtliche Zeitbomben tickten. Der Admin solcher Gruppenchats habe viel Macht und könne auch Fremde hinzuholen. Die Folge: Man habe selbst keinen Einfluss darauf, was gepostet werde. Und das kann rechtlich gefährlich werden, auch wenn man nur stilles Mitglied ist.

Wichtig zu wissen: Kinderpornographie umfasst nicht nur Bilder und Videos, auf denen vollständige Nacktheit zu sehen ist, sondern auch Darstellungen von leicht bekleideten Kindern in bestimmten Posen – sogenannte Posingbilder. Bei Kindern unter 14 Jahren kann es sich diesbezüglich um Kinderpornographie handeln, bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 um Jugendpornographie.

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Auch gegen Kinder kann ermittelt werden

Verschickt jemand also ein Bikini- oder Badehosen-Foto in entsprechenden Posen in einem Klassen-Chat einer 6. Klasse, können die Probleme bereits beginnen. Verschickt ein Jugendlicher expliziteres Material, etwa um sich zu profilieren, ist der Fall noch eindeutiger. Da etwa bei WhatsApp verschickte Bilder oftmals direkt auf das Handy des Empfängers gespeichert werden (diese Funktion lässt sich in den WhatsApp-Einstellungen ausschalten), sind die Empfänger solcher Bilder und Videos, also die ganze Klasse, objektiv gesehen in Besitz von Kinderpornographie, so der Cyberkriminologe bei BR24-TikTok.

Werden die Bilder zur Anzeige gebracht, kann das polizeiliche Ermittlungen nach sich ziehen, die Handys der Schüler können eingezogen werden, sogar Hausdurchsuchungen sind möglich. Übrigens auch, wenn die Empfänger unter 14 sind.

Auch in Bayern Problem

Ermittlungen gegen Schüler sind übrigens keineswegs Einzelfälle. Fast die Hälfte der Tatverdächtigen in Sachen Kinder- oder Jugendpornographie sind mittlerweile laut Thomas-Gabriel Rüdiger selbst Kinder und Jugendliche, mit steigender Tendenz. Auch in Bayern gibt es immer wieder Fälle, Polizei und Staatsregierung haben mittlerweile gar mit einer Präventionskampagne reagiert.

Vielen Jugendlichen und Erwachsenen ist dabei nicht immer bewusst, dass insbesondere auch das sogenannten "Sexting" strafbar sein kann, sprich, das Versenden von eigenen Nacktbildern. Dasselbe gilt auch für pornographische Erotik-Memes, Sticker oder Gifs. Auch hier können Kinderpornographie-Tatbestände erfüllt sein, die im Übrigen seit Kurzem als Verbrechens-Tatbestände gewertet werden, also von der strafrechtlichen Einordnung her vergleichbar sind mit Delikten wie sonst nur Mord, Vergewaltigung und Raub.

Wer solche Fotos dennoch etwa über Chats erhält und dies nicht möchte, muss aufpassen. Macht er oder sie Screenshots der Bilder in den Chats, um die Beweise zu sichern, kann das auch im schlechtesten Fall bereits als Vervielfältigung von Kinderpornographie gewertet werden. Erst wenn die Polizei einen darum bittet, beziehungsweise es mit der Polizei abgestimmt ist, die Beweise mit Screenshots zu sichern, kann man dies legal tun.

Aufklärung wichtig

Selbst das Löschen ist laut Thomas-Gabriel Rüdiger nicht völlig gefahrlos, da hier im Gegenzug ja Beweismittel vernichtet werden könnten. In jedem Fall sollte man ausdrücklich sein Missfallen ausdrücken und dann aus der Gruppe austreten, beziehungsweise die Bilder über die Meldefunktion von Betreibern melden oder direkt mit der Polizei Kontakt aufnehmen.

Am besten aber, tritt man in solche Gruppen, deren Teilnehmer man kaum überblicken kann, gar nicht erst bei. Ist das unvermeidlich, sollte man den automatischen Bilder-Download abstellen und als Elternteil mit seinen Kindern sprechen, was die Gefahren des Empfangens und Verschickens von Bildern angeht.

"Ich wünsche mir, dass darüber aufgeklärt wird, sobald ein Kind ein Smartphone in die Hand gedrückt bekommt, teilweise ab der ersten Klasse", so Experte Rüdiger im BR24-Livestream bei TikTok. Auch Erwachsene sollten zudem auf der Hut sein, wenn sie Chatgruppen von Sportvereinen oder sonst etwas beitreten. Auch hier droht immer Gefahr. Ein kleines Meme-Video mit pornographischen Inhalten, das als "Witz" gemeint ist, kann schon reichen.

BR24 ist mit einem eigenen Kanal bei TikTok vertreten. Unser Angebot dort richtet sich vor allem junge Menschen, Schüler, Azubis, Studenten. Mit unseren Inhalten erreichen wir teils Hunderttausende von ihnen. Wir freuen uns aber über jeden, der uns dort folgen möchte - auch wenn er oder sie älter ist als 14 Jahre.