Markus Söder trifft sich auf seiner  Reise nach Albanien mit Erion Veliaj, Bürgermeister  von Tirana, auf dem Franz Josef Strauß-Platz.
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Markus Söder trifft sich auf seiner Reise nach Albanien mit Erion Veliaj, Bürgermeister von Tirana, auf dem Franz Josef Strauß-Platz.

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Visa-Flaschenhals bremst Söders Fachkräfte-Offensive

Im Februar hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei einer Balkanreise um Pflegepersonal für Bayern geworben. Angekommen sind von den dringend benötigten Fachkräften bisher nur wenige. Warum eigentlich?

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Einen symbolträchtigen Aufschlag, den stellte sich Markus Söder (CSU) wohl vor, als er vor neun Monaten auf dem "Sheshi Franc J. Shtraus"-Platz in Tirana seine Fachkräfte-Offensive verkündete. Der Platz mit schäbigen vier-bis fünfstöckigen Wohnhäusern im sozialistischen Stil erinnert an den Besuch von Franz Josef Strauß im Jahr 1984. "Bayern soll eine Brücke zum Balkan sein", so das Credo von Markus Söder damals. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hat im Zuge der Stippvisite in Tirana wenige Monate später sogar ein eigenes Büro eröffnet. Auch um Fachkräften Beschäftigungsperspektiven in Bayern zu bieten.

Albaner können – anders als Bulgaren oder Rumänen – nicht so einfach in Deutschland arbeiten, weil das Land nicht in der EU ist. Von vielen bayerischen Arbeitgebern wurde Söders Reise damals interessiert verfolgt. Auch von Dominik Roth, Personalleiter der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Unterfranken.

Begehrte Pflegekräfte sitzen auf gepackten Koffern fest

Neun Monate später ist Roth enttäuscht. Er braucht dringend Fachkräfte für seine Pflegeheime. Der deutsche Arbeitsmarkt ist leergefegt. Für rumänische Fachkräfte seien mittlerweile andere EU-Länder spannender als Deutschland, so seine Erfahrung. Deshalb hatte er vor allem auf albanische Fachkräfte gesetzt, mit denen habe er bisher sehr gute Erfahrungen gemacht. Doch trotz Söders Werbetour kommen die begehrten Mitarbeiter aktuell nicht in Bayern an.

Die Situation ist sogar schlechter als noch vor zwei, drei Jahren, erzählt Roth. Seit Monaten warte er schon auf 22 Pflegekräfte, mit denen er einen Arbeitsvertrag geschlossen habe. Roths neue Mitarbeiter sitzen auf gepackten Koffern, nehmen in der Heimat aktuell auch keine andere Arbeit an. Dies sei für alle eine belastende Situation, sagt Roth.  

Schleppende Visa-Vergabe torpediert Pläne 

Warum nichts vorwärtsgeht? Das Nadelöhr sind laut Roth die deutschen Vertretungen, die Visa an ausländische Pflegekräfte vergeben müssen.  Roth hatte gehofft, dass Söder hier eine Beschleunigung bei den Verfahren bewirken könne. Doch die Botschaften gehören zum Auswärtigen Amt, sind also nicht Ländersache.  

Und so konnte auch die von der bayerischen Staatsregierung im Juli eingerichtete "Fast Lane für Pflegekräfte" hier bislang nur wenig bewegen. Die zentrale Stelle beim Bayerischen Landesamt für Pflege soll die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse von Pflegekräften entbürokratisieren und beschleunigen. 

IHK: Unmut in allen Branchen

Doch in den vergangenen Monaten sind laut Gesundheitsministerium dort erst 45 Anträge aus Rumänien und 31 aus Albanien eingegangen. Dominik Roth von der AWO Unterfranken fürchtet, die schleppende Visa-Vergabe nach Deutschland schrecke ausländische Fachkräfte ab. Er hat Sorge, dass andere EU-Länder seine qualifizierten Fachkräfte abwerben, denn auch Großbritannien und skandinavische Länder rekrutieren auf dem Westbalkan – und deren Verfahren seien viel zügiger.

Auch für die Industrie- und Handelskammer (IHK) läuft an den Botschaften alles viel zu langsam. "Das Visa-Verfahren sorgt bei den Unternehmen tatsächlich in allen Branchen und allen Regionen für Unmut", erklärt Elfriede Kerschl. Sie leitet bei der IHK München und Oberbayern das Referat, das für Arbeitskräfte und Arbeitsmigration zuständig ist.  

Botschaften haben auf Losverfahren umgestellt 

Dass deutsche Botschaften, wie die in Albaniens Hauptstadt Tirana, mittlerweile Visa-Termine per Los vergeben, mache alles noch schlimmer. Da sind sich Elfriede Kerschl (IHK) und Dominik Roth (AWO) einig. Die Planbarkeit sei "komplett auf den Kopf gestellt", das Ganze "willkürlich". Die Konsequenz: Wenn ein Mitarbeiter Los-Pech hat, dauert für ihn und den Arbeitgeber dadurch alles noch viel länger. Das Auswärtige Amt äußert sich selbst nicht zu den Vorwürfen, trotz wiederholter Nachfragen von BR24.

Bayerische "Fast Lane" kommt insgesamt gut an 

Allgemein bewerten Verbände wie die AWO, Caritas oder das Bayerische Rote Kreuz die von der bayerischen Staatsregierung eingesetzte "Fast Lane für Pflegekräfte" durchweg positiv. Die Bayerische Krankenhausgesellschaft spricht von einer "guten Geschichte".

Die DEKRA Akademie, die selbst in Tirana Pflegekräfte rekrutiert, merkt "gute Effekte" dadurch, dass die Anträge beim Landesamt für Pflege gebündelt werden. Lob kommt auch von der IHK, die sich eine solche "Fast Lane" allerdings auch für andere Berufsfelder wünschen würde, zum Beispiel für Lkw-Fahrer. Die würden in Bayern auch dringend gebraucht.

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