Gläubige beim Wallfahrten.
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Viele Verbände schrumpfen, nur die Landjugend legt zu

Viele christliche Verbände verzeichneten in den vergangenen Jahren "herbe Verluste" bei ihren Mitgliederzahlen. Grund dafür sind der demografische Wandel, Corona und ein "angekratztes" Kirchenbild. Doch es gibt auch positive Entwicklungen.

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Nicht nur beide großen Kirchen verlieren jedes Jahr Mitglieder, sondern auch viele kirchliche Verbände haben Nachwuchssorgen. Vergangene Woche gab die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) bekannt, die Mitgliederzahl sei in den vergangenen drei Jahren um 90.000 auf 265.000 zurückgegangen. Damit bricht dem Verband innerhalb von drei Jahren über ein Viertel seiner Mitglieder weg.

Ähnlich geht es auch vielen anderen Verbänden: Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung in Bayern spricht von "herben Verlusten" - seit 2004 haben sich deren Mitgliederzahlen halbiert. Aktuell gibt es deutschlandweit noch 60.000 KABler, 25.000 davon in Bayern. Auch der Katholische Deutsche Frauenbund verzeichnete 2023 in Bayern nur noch 120.700 Mitgliederinnen, 2004 waren es 190.000. Auch der Sozialverband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) hat in zehn Jahren rund ein Drittel der Mitglieder verloren. Die Christliche Arbeiterjungend (CAJ) in Bayern verzeichnete in der Vergangenheit zwar sinkende Mitgliederzahlen, aber 2023 gabs erstmals wieder ein Plus im Vergleich zum Vorjahr. Grund dafür ist die Neugründung einer neuen Ortsgruppe in Freyung in der Diözese Passau.

Starkes Verbandswesen vor allem in der katholischen Kirche

In den evangelischen Verbänden ist der Rückgang weniger dramatisch. "Generell lässt sich sagen, dass das Interesse an einer Mitgliedschaft in den letzten Jahren rückläufig ist", schreibt Rosi Schering von der Geschäftsstelle der Freien Elternvereinigung der evangelisch-lutherischen Kirche (FEE). Genaue Zahlen nennt die FEE aber nicht. Der Grund für den Rückgang sei, dass sich viele Familien überlastet fühlten und dadurch weniger Ressourcen für zusätzliche Aktivitäten hätten. Die "Evangelischen Frauen in Bayern" (EFB) können keine konkreten Mitgliederzahlen nennen, da es sich um einen Dachverband handelt, in dem 19 Mitgliedsvereine, Arbeitsbereiche, Berufsgruppen und Verbände organisiert sind. Bei den "evangelischen Frauen" versuchte man durch neue, insbesondere digitale Kommunikationsangebote Mitglieder zu binden, teilt die EFB-Landesvorsitzende Johanna Beyer mit.

Die "Evangelische Jugend in Bayern" spricht von konstanten Mitgliederzahlen, ebenso der "Christliche Verein Junger Menschen" (CVJM), der rund 12.000 Mitglieder hat. Allerdings nähmen an den Programmen des CVJM auch viele Nicht-Mitglieder teil. "Das ist anders als in Sportvereinen, wo die Teilnahme in der Regel nur mit Mitgliedschaft möglich ist", schreibt der CVJM-Generalsekretär Michael Götz. Die stabilen Mitgliederzahlen führt etwa die Evangelische Jugend in Bayern auf den Konfirmationsunterricht zurück, der sich "stark an den Methoden und Formen der Jugendarbeit orientiert". Michael Stöhr, Pressesprecher der Evangelischen Jugend schreibt: "Damit ist der Konfirmationsunterricht eine perfekte Überleitung und Motivation, danach selber in der Jugendarbeit aktiv zu werden."

Allerdings gibt es in der evangelischen Kirche schon lange kein so starkes Verbandswesen mehr wie in der katholischen Kirche, was wohl auch einen weniger starken Mitgliederschwund erklären könnte. Denn viele evangelische Verbände mit ähnlichen Zielen haben sich bereits in der Vergangenheit zu größeren Gruppierungen zusammengeschlossen. In der katholischen Kirche in Bayern beispielsweise gibt es acht verschiedene Jugendverbände mit einem eigenen Profil, darunter auch die Katholische Landjugendbewegung (KLJB). In der evangelischen Kirche gibt es die "Evangelische Jugend in Bayern", die an die Landeskirchen beziehungsweise die Gemeinden angegliedert ist, und den CVJM, der aber unabhängig von den Landeskirchen als internationaler Verein tätig ist.

Katholische Landjugendbewegung verzeichnet vier Prozent Zuwachs

Trotz starken Mitgliederrückgängen in den katholischen Verbänden gibt es auch Lichtblicke: Die Katholische Landjugendbewegung (KLJB) in Bayern verzeichnete in den letzten Jahren ein Plus von vier Prozent. "Mitgliederzahl deutlich über 25.000 gestiegen!" lautet die Überschrift einer aktuellen Pressemitteilung. KLJB-Landesvorsitzender Franz Wacker freut sich: "In unserer Jugendarbeit sehen wir eine ganz wichtige Funktion für die Demokratie und den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Beides gerät gerade besonders durch rechtsextreme Parteien in Gefahr, auch durch das teilweise unklare Verhalten dazu in der Mitte der Gesellschaft. Wir als KLJB Bayern unterstützen jedenfalls weiter alle lokalen und bayernweiten Initiativen für mehr Demokratie und Toleranz."

Dass ausgerechnet die KLJB zulegt, führt Franz Wacker vor allem auf die vielen motivierten Ehrenamtlichen in den Ortsgruppen zurück, die dann auch andere motivieren. Gleichzeitig verstehe sich der Verband als Interessenvertretung der jungen Leute auf dem Land, die "endlich wieder was bewegen wollen". Besonders hohe Zuwächse verzeichnen laut Pressemitteilung die Diözesanverbände in Passau und Eichstätt mit einem Plus von rund acht Prozent. Der Kreisverband Rottal-Inn ist sogar um 13 Prozent auf rund 1.500 Mitglieder angewachsen. Mit Blick auf die Corona-Jahre zeigt sich, dass auch in diesem Zeitraum die KLJB um rund fünf Prozent geschrumpft war, das "wurde nun aber wieder aufgeholt".

Konstante Mitgliederzahlen bei Pax Christi und Kolping

Das Kolpingwerk und die deutsche Sektion der internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi verzeichnen laut eigenen Aussagen konstante Mitgliederzahlen. Pax Christi hat bundesweit rund 5.000 Mitglieder. Barbara Breher, Referentin Bildung und Projekte, beim Kolpingwerk Bayern führt die konstanten Mitgliederzahlen darauf zurück, dass das Kolpingwerk "ein Verband fürs ganze Leben" ist und generationenübergreifend arbeite. "Über die Kinder- und Jugendarbeit der Kolpingjugend, generieren wir quasi aus eigenen Reihen den Fortbestand im Gesamtverband", schreibt Breher. Das Kolpingwerk Deutschland zählt bundesweit derzeit 200.000 Mitglieder, darunter knapp 34.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der Kolpingjugend. Aufgrund einer eigenen Stiftung auf Bundesebene könne der Mitgliedsbeitrag seit 20 Jahren "nahezu stabil" gehalten werden.

Die Erhöhung des Mitgliedsbeitrags wird sowohl vom Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB), als auch von der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) als Grund angeführt, warum es kürzlich zu einem stärkeren Mitgliederrückgang gekommen sei. "Der kfd-Bundesverband hat seit dem 1. Januar 2024 nach 14 Jahren seinen Beitrag von 12 Euro auf 22 Euro erhöht", schreibt Barbara Stöckmann von der kfd. "Wir sehen darin einen Grund, dass viele Mitglieder bundesweit nicht bereit sind, einen höheren Beitrag zu bezahlen und treten aus der kfd aus. Das ist zum einen, weil sie nicht wissen, wie sie den Beitrag aus ihren Mitteln zahlen sollen."

Demografischer Wandel, individuelle Spiritualität und Entfremdung

Alle Verbände führen ähnliche Gründe für den Mitgliederschwund an: Dazu zählt der demografische Wandel, eine schwieriger werdende Nachwuchsgewinnung, weniger Interesse an Leitungsaufgaben, einer individuelleren Spiritualität und die Entfremdung von der katholischen Kirche als Institution. Die KKV spricht gar von einer "allgemeinen Vereinsmüdigkeit" in der Gesellschaft, die CAJ Bayern beobachtet einen Trend hin zu mehr "Individualisierung".

Auch die Corona-Pandemie habe in weiten Teilen das Verbandsgeschehen zum Erliegen gebracht. Besonders bemerkbar macht sich das bei Verbänden, die eher eine ältere Zielgruppe ansprechen. Trotz digitaler Angebote konnten diese die persönlichen Treffen nicht ersetzen. "In vielen Fällen sind Ortsverbände tatsächlich in den Corona-Schlaf gefallen – und manchmal nicht wieder erwacht", schreibt etwa Peter Ziegler von der KAB.

"Im Bereich der Jugendarbeit bedeuten drei Jahre Corona, dass fast eine halbe Generation fehlt. Das heißt: fehlende Gemeinschaftserlebnisse wie Zeltlager, Fahrten, überörtliche und internationale Begegnungen, die begeistern und anstecken mitzumachen, sind für viele unwiederbringlich verloren", schreibt Barbara Breher vom Kolpingwerk. Bei der Evangelischen Jugend hat sich die Corona-Zeit dagegen nicht ganz so negativ ausgewirkt. "Während Corona ist es größtenteils gelungen, die jungen Menschen durch digitale Formate über die Lockdowns zu begleiten und zu halten. Viele sind geblieben und mit vollem Elan wieder in die Jugendarbeit eingestiegen", schreibt Michael Stöhr.

Missbrauchsfälle und Reformstau lösen Vertrauensverlust aus

Ein weiterer Grund für schwindende Mitgliederzahlen gerade in katholischen Verbänden: "Frauen treten auch aufgrund von Enttäuschung und Frust im Hinblick auf die aktuelle Situation der katholischen Kirche aus. Beispielsweise ist der Umgang mit bekannten Missbrauchsfällen oder die nach wie vor nicht vorhandene Gleichberechtigung von Frauen in der katholischen Kirche für viele Mitglieder nicht mehr nachzuvollziehen", schreibt Barbara Stöckmann von der kfd. "Die Missbrauchsfälle und der Reformstau lösten einen Vertrauensverlust aus", beklagt auch Stephanie Remagen vom Katholischen Deutschen Frauenbund. Die KAB spricht davon, dass das Kirchenbild "deutlich angekratzt" ist, was es immer schwierig mache, Menschen für eine Mitgliedschaft zu begeistern, auch wenn diese die Ziele und Werte des Verbands oft teilten. Erschwerend hinzu kommt eine abnehmende Wertschätzung der katholischen Amtskirche gegenüber dem Engagement der Verbände, beobachtet Georg Steiner, stellvertretender KKV-Landesvorsitzender. Corinna Scheibenzuber von der CAJ Bayern beklagt Stundenkürzungen, die es kürzlich bei der CAJ gab: "Insgesamt erschweren fehlende personelle Ressourcen die Beziehungspflege und damit die Gewinnung von neuen Mitgliedern."

Um als Verband weiterhin ein attraktives Angebot für junge Menschen bieten zu können, setzt die CAJ beispielsweise auf mehr Kooperation, zum Beispiel mit anderen Verbänden, den Jugendbüros und dem Bayerischen Jugendring und will noch gezielter auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder eingehen. Um die Attraktivität des Verbandes zu erhöhen und wieder mehr Mitglieder für sich zu gewinnen, stellt der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) die "Verbandsstrukturen auf den Prüfstand". Die Katholische Frauengemeinschaft plant weniger, aber dafür konzentrierte Projekte und Kampagnen, um ihre Mitglieder zu halten beziehungsweise neue Mitglieder zu gewinnen. Außerdem will man die Wichtigkeit der Arbeit noch deutlicher herausstellen. "Wir sind als KDFB besonders eine starke Stimme für Frauen und ihre Lebenswirklichkeit. Dies ist in Zeiten wie jetzt, in denen es um den Schutz unserer demokratischen Werte geht, wichtiger denn je." Auch Peter Ziegler von der KAB Bayern weiß: "Tatsächlich sind nur wenige Mitglieder unzufrieden und treten aus Protest aus." Es werden auch viele neue Mitglieder durch Veranstaltungen und Rechtsberatung geworben, trotzdem sei es bisher weder der KAB, noch der KKV gelungen, den demografisch bedingten Mitgliederschwund durch Neuaufnahmen auszugleichen.

Obwohl viele Verbände nach wie vor unter den Auswirkungen von Corona leiden, kehrt in vielen langsam wieder "die frühere Normalität" ein. Peter Ziegler von der KAB sagt: "Das letzte Jahr war beinahe wieder vergleichbar mit den Aktivitäten des Jahres 2019, Aktionen der Mitgliederwerbung sollen nun zeitverzögert auf die Tagesordnung kommen."

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