Der bayerische Milchbauer Martin Stadler steht vor dem Kühlregal mit Milchprodukten eines Supermarktes.
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Der bayerische Milchbauer Martin Stadler steht vor dem Kühlregal mit Milchprodukten eines Supermarktes.

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Umweltfolgekosten: Lebensmittel – der wahre Preis

Die Preise im deutschen Lebensmittelhandel sind hart umkämpft. Die Folge: Große Discounter verkaufen ihre Ware zu günstig – auf Kosten von Klima, Tierwohl und Bauern. Die "Kontrovers"-Story über den Preis, der am Ende von allen bezahlt wird.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Ist Geiz wirklich geil? Gerade bei Lebensmitteln ist ein günstiger Preis bei den meisten Käufern das entscheidende Kaufkriterium. Hierzulande gibt es besonders viele, konkurrierende Discounter, die mit einzelnen Preisaktionen die Kunden zu sich locken. Das wirkt sich positiv auf den Geldbeutel der Verbraucher aus.

Doch dieser Wettbewerb bringt auch Verlierer hervor. Die Ansprüche an Tierwohl und Klimaverträglichkeit sind in den vergangenen Jahren gestiegen und damit die Produktionskosten. Wer zahlt also am Ende den wahren Preis? Und wären die Kunden von Discountern grundsätzlich bereit, für höhere Standards bei der Herstellung von Lebensmitteln mehr auszugeben?

Umweltfolgekosten – Das Experiment

In Kooperation mit der Universität Augsburg hat der Discounter Penny die Umweltfolgekosten einiger Produkte berechnen lassen – einbezogen sind dabei die tatsächlichen Ausgaben für Klimagase, Energie und Landnutzung. Normalerweise zahlt die Allgemeinheit diese Kosten bisher an anderer Stelle, zum Beispiel bei der Aufbereitung von Trinkwasser, das durch Düngemittel belastet ist.

Penny möchte mit der Aktion auf das Thema Umweltkosten aufmerksam machen. Doch wie reagieren die Verbraucher? Das BR-Politikmagazin Kontrovers will wissen, ob sie bereit sind, für mehr Tierwohl und die Einhaltung von Umweltstandards auch mehr zu bezahlen. Und startet ein Experiment.

Video: Der harte Kampf um Lebensmittelpreise

Hackfleisch für acht Euro?

Ausgerechnet dort, wo die Verbraucher günstige Preise erwarten, kostet am Tag des Experiments ein Liter H-Milch 1,84 Euro. Bio-Mozzarella gibt's für 1,16 Euro und etwas Hackfleisch liegt bei fast acht Euro.

Die höheren Preise für das Experiment stößt auf geteiltes Echo. "7,62 Euro für das Hackfleisch? Nee, nee! Da gehe ich zum Metzger. Da kriege ich es billiger", so eine Passantin. Eine andere Kundin meint: "Nee, da würde ich, glaube ich, kein Hackfleisch nehmen." Für den "echten" Milchpreis gibt es dagegen mehr Verständnis bei einer Kundin: "Bei der Milch würde ich auf alle Fälle mehr ausgeben. Für Mozzarella auch. Ich wäre bereit, die Preise zu zahlen. Aber man muss sie natürlich auch zahlen können."

Das Fazit nach einem Tag am "Sonderverkaufsstand": Für einen kleinen Aufschlag bei Milch und Mozzarella zeigten viele Kunden Verständnis. Die Preisgestaltung für Fleisch und Gouda-Käse ging den meisten allerdings zu weit. Immerhin: Insgesamt hat knapp die Hälfte der Befragten mehr bezahlt an diesem Experimentiertag. Könnte dieses Ergebnis ein Anreiz für Landwirte sein, die Tierhaltung artgerechter und damit kostenintensiver zu gestalten?

  • Zum Artikel: Höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch – Warum Experten dafür sind

Investitionen in Haltungskosten

Am Anfang der Produktionskette von Lebensmitteln stehen die Erzeuger. In neunter Generation betreibt Martin Stadler seinen Hof im oberbayerischen Aying. Er verkauft pro Jahr 600.000 Liter Milch. Der Verdienst sei nicht gut: Aktuell erhält er 42 Cent für einen Liter Milch. "Die Kosten laufen uns momentan davon. Also die Preise für Dünger, Energiekosten, alles steigt. Man weiß eigentlich nicht wirklich, wie man das Ganze am Laufen halten soll, wenn das so weitergeht", klagt der Landwirt.

Abgesehen von den finanziellen Sorgen treibt den Bauern aber noch etwas anderes um: "In der ganzen Diskussion um die Zukunft der Landwirtschaft kommt es mir so vor, als wären wir Landwirte die Buhmänner und die Bösen, die mit ihren Kühen das Klima vergiften und die Tiere falsch halten und quälen." Tatsächlich haben sich das Bewusstsein und die Ansprüche an die Nahrungsmittelproduktion in den letzten Jahrzehnten verändert. Vor kurzem hat der Handel bei der Milch Haltungsstufen von eins bis vier eingeführt. Je nachdem wie die Kühe aufgezogen und gehalten werden, werden die Landwirte entsprechend für die Milch entlohnt.

Bessere Haltungsstufe – mehr Geld für den Landwirt?

Stadlers Hof fällt derzeit in Stufe 1 – also die schlechteste Kategorie. Um eine Stufe höher zu kommen, müsste er nach ersten Kalkulationen rund 14.000 Euro unter anderem in sogenannte Einzel-Iglus für die Kälber, die älter als zwei Wochen sind, investieren. Das wäre im Vergleich zu vielen anderen Betrieben relativ wenig, da Stadlers Stall ohnehin schon einige Voraussetzungen für die bessere Haltungsstufe erfüllt.

Sollte er das Geld tatsächlich in die Hand nehmen, könnte er dann durchschnittlich etwa 1,2 Cent pro Liter Milch mehr erhalten – allerdings nur, für die Menge, die der Handel tatsächlich unter dem Label verkauft. Stadler hat Bedenken, ob diese Rechnung bei den Verbrauchern am Kühlregal tatsächlich aufgeht: "Wenn du jemanden fragst: Willst du, dass es den Viechern besser geht, und würdest Du dafür mehr Geld ausgeben? Dann sagt jeder: Ja, klar. Logisch. Aber wenn die dann in den Laden gehen, dann sind sie immer der beste Freund des eigenen Geldbeutels." Und wie schätzt der Einzelhandel die Verbraucher ein?

  • Zum Artikel: Landwirte sehen "wenig Licht am Ende des Tunnels"

Kein Einfluss auf Preisgestaltung

Zurück zu Penny. Andreas Krämer ist Pressesprecher des Einzelhandelsriesen. Er betont, wie preissensibel die Kundschaft sei und dass die Konkurrenz unter den vier Marktführern im Handel – Edeka, die Rewe-Gruppe mit Penny, Lidl und Aldi – riesig sei. Und dass auch bei geringen Preiserhöhungen die Kunden sofort zu einem anderen Mitbewerber gehen würden. Ob die Milch von Landwirt Stadler hier oder bei einer anderen Kette verkauft wird, darauf hat der Landwirt keinen Einfluss.

Auch den Preis für seine Milch kann er nicht selbst bestimmen. Die Verhandlungen laufen zwischen den Molkereien und den Discountern. Eine Person, die für eine Molkerei die Preisverhandlungen den Einzelhändlern führt, war zwar nicht zum Interview vor der Kamera bereit, aber hat sich bereit erklärt über die Erfahrungen bei den Verhandlungen zu berichten.

Die Molkereien stünden unter Druck, weil viele Waren verderblich sind und bei ergebnislosen Verhandlungen große Verluste drohen. Die Einkäufer der Handelsriesen seien bestens geschult, würden alles mitschreiben und im Zweifelsfall gegen die Molkereien verwenden. Susanne Glasmann vom Verband der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft hält die Schilderungen für glaubwürdig.

Für die Molkereien drohe immer das Szenario, bei der nächsten Verhandlungsrunde kein Angebot mehr abgeben zu dürfen. "Das kann dann zwei, drei Jahre dauern bis man als Molkerei wieder ein Angebot abgeben darf", erklärt Glasmann in "Kontrovers – Die Story".

Verhandlungen auf Augenhöhe gefordert

Die Verhandlungen seien hart, das gibt man auch bei der REWE-Gruppe zu. Überharte Methoden weist Andreas Krämer von Penny aber von sich: "Da werden sehr viele Horrorszenarien gemalt. Wir versuchen immer, ein ordentliches, partnerschaftliches Verhältnis mit unseren Lieferanten zu haben. Schlicht und ergreifend deshalb: Wir haben überhaupt gar kein Interesse daran, dass es unseren Lieferanten in irgendeiner Weise finanziell schlecht geht, weil am Ende des Tages würden sie eventuell als Lieferant ausfallen."

Auf Anfrage weisen auch Edeka, Lidl und Aldi die Kritik der unfairen Verhandlungspraktiken von sich. Landwirt Stadler wünscht sich für die Zukunft Gespräche und Verhandlungen auf Augenhöhe, Planungssicherheit und letztlich höhere Preise für seine Milch. Der Vertreter vom Discounter Penny, Andreas Krämer, wünscht sich mehr offene Bauernhöfe und Transparenz, um bei den Verbrauchern für Akzeptanz von höheren Preisen zu werben. Landwirt Martin Stadler wird seinen Stall vorerst nicht umbauen. Solange die Abnehmer den höheren Preis von 1,2 Cent nicht garantieren, will er das Risiko nicht allein tragen.

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