Viele renovieren mittlerweile lieber alte Häuser statt neu zu bauen. Das spüren die Handwerksbetriebe. Die Aufträge gehen zurück.
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Viele renovieren mittlerweile lieber alte Häuser statt neu zu bauen. Das spüren die Handwerksbetriebe. Die Aufträge gehen zurück.

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Trend in der Baubranche: Renovieren statt Neubau

Gestiegene Preise, hohe Bankzinsen für Darlehen – das hat den Bauboom früherer Jahre ausgebremst, vor allem beim Einfamilienhaus. Inzwischen renovieren viele lieber das Haus der Oma oder der Eltern statt neu zu bauen. Das merken die Handwerksfirmen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Die Apothekerin Dr. Anna Katharina Koller-Mendl wollte sich eigentlich mit ihrem Mann zusammen ein Haus in Erlangen bauen. Doch das war beiden dann doch zu teuer, vom Grundstück bis zu den Baupreisen. Die 35-Jährige zog zurück in die Oberpfalz, suchte sich dort eine Stelle und stockt nun lieber ihr Elternhaus im ländlichen Poppenricht nahe Amberg auf. Die Eltern wohnen im Erdgeschoss. Die Tochter baut momentan den ersten Stock zur Wohnung aus, mit Kachelofen, neuen Fenstern, neuem Bad.

Wohnen in einem Haus: Eltern können helfen

Das ist nicht nur günstiger, sondern sie findet es sogar zeitgemäßer: "Ich finde das sehr modern. Man hat dann auch die Möglichkeit, sich als Familie gegenseitig zu unterstützen und erzeugt außerdem keinen neuen Flächenverbrauch", sagt die Bauherrin Koller-Mendl. Die Eltern können zudem helfen, die Bauarbeiten zu überwachen und zu regeln. Tochter und Schwiegersohn, beide berufstätig, haben zu wenig Zeit dafür. Außerdem sind die Erfahrungen der Älteren, wie man mit Handwerkern verhandelt oder Angebote einholt, ganz nützlich, findet Anna Katharina Koller-Mendl.

In Etappen renovieren statt neu bauen

Ein Anbau ans Elternhaus oder das Haus der Oma übernehmen – so was war früher schon üblich, galt später in Zeiten günstiger Baukredite als altmodisch. Jetzt besinnen sich viele wieder darauf, bestehende Altbauten zu erweitern, zu sanieren oder zu modernisieren. Manche machen es sogar in Etappen, planen, die Vorhaben über Jahre zu strecken, zum Beispiel erst das neue Bad, dann nach und nach neue Fenster - ganz wie es in der Großeltern-Generation durchaus üblich war. Dazu viel Eigenleistung, wenn möglich. Denn so überhebt man sich finanziell nicht.

Fensterbau – für Altbauten braucht man mehr Monteure

Georg Braun, Fensterbau-Unternehmer aus Weiding im Landkreis Cham, merkt den Trend weg vom Neubau. Er hat deshalb seine Fenster-Produktion heuer schon zurückgefahren. Denn es wird weniger gekauft. Seine rund 80 Beschäftigten, vor allem Fachkräfte, möchte er aber unbedingt halten. Der Einbau von Fenstern in Altbauten ist deutlich aufwendiger als der im neuen Rohbau. Man braucht dafür also mehr Monteure. So ohne weiteres aus der Produktion Leute umschichten geht zwar wegen der Qualifikation nicht so einfach. Aber das Unternehmen überlegt sich einiges, um alles am Laufen zu halten. So hat man zum Beispiel das Geschäft mit Markisen, das man in den Jahren des Baubooms wegen Arbeitsüberlastung an eine andere Firma ausgelagert hatte, vor Kurzem wieder zurückgeholt.

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Unternehmer und Kreishandwerksmeister Georg Braun (links) neben einem seiner Beschäftigten, dem Schreinermeister Martin Wanninger.

Die Betriebe im Baugewerbe verzeichneten im ersten Halbjahr 2023 ein Minus von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Immer weniger Verbraucher können sich die eigenen vier Wände leisten, unter anderem weil die Bauzinsen so hoch sind. Die Baubranche hatte in den vergangenen Jahren geboomt. Obwohl die Aufträge zwar extrem zurückgegangen sind, sind die Betriebe immer noch für gut zwölf Wochen ausgelastet (vorher waren es 16 Wochen). Im Ausbauhandwerk sind die Auftragsbücher auch sogar noch etwas länger gefüllt. Wenn weniger gebaut wird, treffe das viele Handwerksbereiche, sagt der Präsident des Bayerischen Handwerkstages, Franz Xaver Peteranderl.

Ausbauhandwerk spürt sinkende Auftragslage

Bei den meisten Bauunternehmen ist das Auftragspolster, das man früher ein Jahr oder länger im Voraus hatte, nahezu aufgebraucht, sagt Georg Braun, der auch Kreishandwerksmeister im Landkreis Cham ist. Manche kämpfen schon wieder um Aufträge. Beim Ausbauhandwerk ist der Rückgang auch schon spürbar, vom Zimmerer über Maler bis zum Elektriker. Nach der letzten Umfrage bei den Betrieben sind zwar 82 Prozent noch zufrieden mit der wirtschaftlichen Lage, sagt der Geschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz Alexander Stahl. Aber viele sorgen sich, wie die Lage im nächsten Jahr wird.

Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen sinkt um 27 Prozent

In Bayern ist die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen im ersten Halbjahr 2023 stark zurückgegangen, um fast ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Das Bayerische Landesamt für Statistik registriert 30.014 Baugenehmigungen in Bayern von Januar bis Juni 2023. Damit sinkt das Genehmigungsvolumen um 27,2 Prozent. In den bayerischen Regierungsbezirken gibt es große Unterschiede bei den Zahlen. Nach Unterfranken liegt Niederbayern mit einem Rückgang von 44,7 Prozent bei den Genehmigungen auf Platz zwei, in der Oberpfalz sind es 31,5 Prozent. In Schwaben nehmen die Wohnungsfreigaben dagegen deutlich weniger stark ab, hier sind es elf Prozent.

Weiterhin Fachkräftemangel im Handwerk

Kunden bekommen trotzdem immer noch nicht schneller einen Termin als früher, meistens jedenfalls. Vor allem bei Heizungsbauern muss man warten. Das liegt am weiter bestehenden Fachkräftemangel im Handwerk, sagt Alexander Stahl. Auch Georg Braun rechnet nicht damit, dass im großen Stil Leute ausgestellt werden. Denn Facharbeiter bleiben gefragt. "Wenn ich heute einen guten Facharbeiter bekomme, dann werde ich den nicht gehen lassen", so der Unternehmer.

Industrieprodukte nach wie vor teuer

Viele Kunden erwarten, dass nun endlich die Preise sinken. Doch das passiert nur zögerlich oder gar nicht. Gestiegene Energiepreise und Personalkosten müssen die Firmen auf ihre Leistungen umlegen, heißt es von der Handwerkskammer. Beim Material hätten sich die früheren Lieferengpässe zwar weitgehend normalisiert. Trotzdem bleiben viele Industrieprodukte teuer. Bei manchen Rohmaterialien gab es im Herbst etwas Bewegung, so Georg Braun, der teils Preissenkungen von zehn Prozent und etwas mehr beobachtet hat. Aber die Preise seien in den letzten vier Jahren durchschnittlich um 30 Prozent, also viel höher, gestiegen. Man werde wohl nicht mehr auf das Preis-Niveau der Jahre vor Corona herunterkommen. Bei den ersten Lieferanten gebe es inzwischen schon wieder Teuerungszuschläge.

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