Wandern die Tierkontrollen vom Verbraucherschutz- zum Landwirtschaftsministerium?
Bildrechte: picture alliance/dpa | Peter Kneffel

Wandern die Tierkontrollen vom Verbraucherschutz- zum Landwirtschaftsministerium?

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Tier- und Lebensmittelkontrollen: Droht ein Interessenkonflikt?

Die Koalitionsverhandlungen zur Landwirtschaft beobachten auch Tier- und Verbraucherschützer gespannt. Sie fürchten einen Interessenkonflikt, sollte die Kontrollaufsicht über lebensmittelerzeugende Betriebe ins Landwirtschaftsministerium wechseln.

Seit Monaten verspricht Ministerpräsident Markus Söder den Landwirten in Bayern: Das Landwirtschaftsministerium soll in der neuen Legislaturperiode mehr Kompetenzen bekommen. Ganz konkret nannte der CSU-Chef dabei die Lebensmittelkontrollen und das Veterinärwesen. Derzeit ist der Verbraucherschutz beim Umweltministerium von Thorsten Glauber (Freie Wähler) angesiedelt. Im Zuge der Koalitionsverhandlungen heute zwischen CSU und Freien Wählern zum Thema Landwirtschaft könnte sich das womöglich ändern.

Interessenkonflikt bei Lebensmittelkontrollen?

Mit seinem Ansinnen wollte Söder den Landwirten entgegenkommen, die sich immer wieder über eine Gängelung und zu wenig Fingerspitzengefühl bei den Veterinären beschwert hatten. Kritiker aber warnen vor einem Interessenkonflikt im Landwirtschaftsministerium: Eine Verschiebung der Kompetenzen würde bedeuten, dass die Aufsicht über die Kontrolleure von lebensmittelerzeugenden Betrieben künftig in dem Ressort liegt, das in gewisser Weise auch die Interessen der Lebensmittelerzeuger und Tierhalter vertritt.

"Zukunftsvertrag" zwischen Söder, Kaniber und Bauernverband

Festgehalten hat Söder sein zunächst mündliches Versprechen ziemlich genau einen Monat vor der Landtagswahl, am 11. September, in einem "Zukunftsvertrag" mit dem Bayerischen Bauernverband. Darin sprechen die Vertragspartner von einer "Abrundung" der "Zuständigkeit des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch die Zuordnung der Veterinärverwaltung". Was das am Ende alles beinhaltet - das ist Stand jetzt nicht klar.

Unterschrieben haben das neben Funktionären des Bayerischen Bauernverbands auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Wie Umwelt- und Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber dazu steht, aus dessen bisherigem Ressort die Veterinärverwaltung demnach abgezogen würde: Dazu wollte sich dieser auf BR24-Anfrage nicht äußern.

Veterinäre befürchten Ende ihrer "hoheitlichen Kontrolltätigkeit"

Doch viele Veterinäre sind nicht glücklich mit dem Vorhaben. Die Landesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene und Tierschutz Bayern (LAG), ein veterinärmedizinischer Fachverband, hält davon gar nichts. Deren Vorsitzender Kai Braunmiller sagte BR24, er habe erst einmal gedacht, diese Ankündigung sei "ein schlechter Witz". Und er ist sich sicher: Die Arbeit der Kontrolleure werde sich dadurch nicht verbessern. "Im Gegenteil, es wird zu einer klassischen Interessenskollision führen." Braunmiller befürchtet, dass das Agrar-Ressort den Veterinären deutlich mehr Vorgaben machen könnte als bisher. "Das ist ein Gegensatz zu einer hoheitlichen Kontrolltätigkeit, die wir halt im Veterinärbereich ausüben müssen", so Braunmiller. Und ergänzt: Hoheitliche Kontrollen müssten "auch weiterhin ohne Lobbyeinfluss des Bauernverbandes" möglich sein.

Dem Veterinär zufolge wäre die neue Zuständigkeit auch nicht konform mit dem Europarecht: Im Jahr 2008 habe sich die EU über eine Interessenskollision beschwert, "in den Fällen, wo Amtstierärzte städtische Schlachthöfe geleitet haben. Das ist hier aber noch gravierender, wenn auf höchster Ebene dann eine Landwirtschaftsministerin unser Chef ist und uns sagt, was wir tun dürfen und wie wir es zu tun haben. Das entspricht nicht den Kontrollvorgaben aus Brüssel", erklärt Braunmiller vom veterinärmedizinischen Fachverband LAG.

Grüne: Wir müssen "hellwach" sein

Eine Skepsis, die die Landtagsgrünen teilen. Paul Knoblach etwa, Landtagsabgeordneter aus dem Raum Schweinfurt und zuletzt Mitglied im Landwirtschaftsausschuss, spricht ebenfalls von einem "Interessenkonflikt" und davon, dass man künftig "hellwach" sein müsse, wenn Tiernutzung und Tierschutz unter einem Dach angesiedelt sein sollten. Er ärgert sich zudem über den Einfluss des Bauernverbands als Lobbyist: So habe sich die Staatsregierung in diesem Punkt offenbar mit dem Bauernverband verständigt, nicht aber den Dachverband der ökologischen landwirtschaftlichen Betriebe einbezogen. Das sei eine "schwere Unterlassung", so Knoblach.

Lebensmittelkontrollen: "Die bringen nur Ärger"

Tatsächlich liegt der Verdacht nahe, dass die Staatsregierung mit der Passage im "Zukunftsvertrag" Forderungen des Bauernverbands nachgegeben hat. Denn hinter vorgehaltener Hand ist aus dem Landwirtschaftsministerium zu hören, dass man eigentlich überhaupt nicht scharf ist auf diese womöglich neue Zuständigkeit. Das bringe doch nur Ärger, heißt es da. Und: Dass man sich im gleichen Haus erst recht angreifbar mache, sollten Defizite bei Kontrollen bekannt werden.

In der Geschichte Bayerns haben die Zuständigkeiten für die Lebensmittel- und Tierschutzkontrollen schon häufig gewechselt. Zeitweise waren sie im Sozial- und Gesundheitsministerium angesiedelt, etwa unter Ministerin Barbara Stamm (CSU), die wegen des BSE-Skandals im Jahr 2001 ihren Hut nehmen musste. Woraufhin ein eigenes Verbraucherschutzministerium gegründet wurde. Auch im Innenressort fand sich die Aufsicht über diese Kontrollen schon einmal wieder.

Bei den Koalitionsverhandlungen in Bayern zwischen CSU und Freien Wählern geht es nicht nur um Programme, sondern auch um neue Zuständigkeiten.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Bei den Koalitionsverhandlungen in Bayern zwischen CSU und Freien Wählern geht es nicht nur um Programme, sondern auch um neue Zuständigkeiten.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!