Eine Frau hält ein Bild von Alexej Nawalny mit der Aufschrift "unforgettable" (unvergesslich)
Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

In vielen Städten rund um den Globus haben Menschen des Krelkritikers Alexej Nawalny gedacht. In Russland wurden Hunderte Menschen festgenommen.

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Weltweites Entsetzen über Tod von Alexej Nawalny

Politiker in aller Welt zeigen sich schockiert vom Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny in einem russischen Straflager. Inzwischen haben die Unterstützer des Oppositionspolitikers seinen Tod bestätigt.

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Das Team des Kremlgegners Alexej Nawalny hat dessen Tod bestätigt. Sprecherin Kira Jarmysch zufolge war Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja in das Straflager im Norden Russlands gereist und habe dort die Todesnachricht erhalten. Nawalnys Leichnam befände sich in der Stadt Salechard zur Untersuchung, habe ein Mitarbeiter der russischen Strafvollzugsbehörde gesagt. Demnach konnte die Mutter die Leiche zunächst nicht identifizieren. Das Team Nawalnys fordert daher, dass der Körper von Alexej Nawalny umgehend seiner Familie übergeben werde. Die genauen Umstände des Todes sind weiter unklar.

Gedenken in München

Bereits am Freitagabend haben in München bis zu 800 Menschen spontan an einer Demonstration teilgenommen und des Kreml-Kritikers Nawalny gedacht. Die Menschen auf dem Europaplatz in der Nähe des russischen Generalkonsulats und des Friedensengels trugen Schilder mit der Aufschrift "Freiheit" oder "Putin tötet". Einige legten Blumen nieder oder zündeten Kerzen an. Die Versammlung unter dem Motto "Putin is a Killer" ("Putin ist ein Mörder") verlief nach Polizeiangaben störungsfrei.

Hunderte Festnahmen in Russland

Russlands Polizei geht dagegen hart gegen trauernde Unterstützer Nawalnys vor. In mehreren russischen Städten wurden bei Gedenkveranstaltungen mehr als 100 Menschen festgenommen, teilte die Bürgerrechtsorganisation Ovd-Info mit. Unter den Festgenommenen waren laut Medienberichten auch Journalisten. In der Hauptstadt Moskau hatten Menschen in einer Schlange vor dem sogenannten Solowezki-Stein, der Opfern politischer Repressionen gewidmet ist, gewartet, um Blumen im Gedenken an Nawalny abzulegen, berichtete eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur von vor Ort. Dabei seien sie von Polizisten eingeschüchtert und ständig ermahnt worden, den Ort schnell wieder zu verlassen. Auch am Samstag seien trotz Räumungsaktionen und Festnahmen weiter frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder zur Erinnerung an Nawalny aufgestellt wurden, berichten russische Medien.

"Angst des Machtapparates vor einem Toten"

"Wie groß doch selbst die Angst des Machtapparates vor einem Toten ist, wenn sogar das Ablegen von Blumen zu seinem Andenken als Verbrechen angesehen wird", schrieb der russische Friedensnobelpreisträger und Gründer der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta", Dmitri Muratow, am Samstag im Nachrichtenkanal Telegram. Nawalny habe als weltweit anerkannter russischer Oppositionsführer die Hoffnung auf eine Zukunft nach der Diktatur verkörpert, schrieb Alexander Baunow für die Denkfabrik Carnegie. Selbst im Straflager sei der Politiker für den Kreml ein Ärgernis geblieben. Offenbar sei das russische Regime nicht so von sich und seiner Zukunft überzeugt, wenn es selbst einen Gefangenen loswerden möchte.

Steinmeier kondoliert Nawalnys Witwe

"Mit Ihrem Mann verliert die Welt einen mutigen Verfechter der Demokratie", heißt es in einem vom Bundespräsidialamt veröffentlichten Beileidsschreiben an Julija Borissowna Nawalnaja, die Ehefrau des russischen Oppositionspolitikers. Ihr Mann hab sich mit all seiner Kraft sich für eine demokratische Zukunft Russlands eingesetzt, schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Diese Zukunft wolle das Regime von Präsident Wladimir Putin mit brutaler Macht verhindern. Nawalnys Frau sprach auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Sie rief die Welt in einer emotionalen Rede zum Kampf gegen die russische Regierung auf.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erinnerte bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj daran, wie er Nawalny in Berlin getroffen habe. Dieser hatte sich 2020 in Deutschland von einem Giftanschlag zu erholen versucht und war im Jahr darauf zurück nach Russland geflogen. Dort wurde er bereits kurz nach der Landung vor laufenden Kameras festgenommen und vor Gericht gestellt. Scholz hatte während Nawalnys Zeit in Deutschland mit ihm über den großen Mut geredet, den es erfordere, wieder zurückzugehen in das Land. "Und wahrscheinlich hat er diesen Mut jetzt bezahlt mit seinem Leben", so der Bundeskanzler.

Baerbock: Putin unterdrückt eigene Bevölkerung seit Jahren

Nawalny habe für viele für ein freies, ein demokratisches Russland gestanden, und genau deshalb habe er sterben müssen, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Sie sprach Nawalnys Familie ihr Beileid aus, sei in Gedanken aber auch bei all denjenigen, die ebenso "auf brutalste Art und Weise in Russland weggesperrt worden sind, um eben diese freie Meinungsäußerung, dieses Eintreten für Demokratie, zu unterdrücken".

Seit zwei Jahren sei zu erleben, dass Putin nicht nur mit unglaublicher Brutalität, Gewalt und Menschenverachtung einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führe. Auch seine eigene Bevölkerung unterdrücke er seit Jahren, so Baerbock. Diejenigen, die mit Kriegsbeginn auf die Straße gegangen sind, seien weggesperrt worden. "Und diese Nachricht unterstreicht nochmal die Brutalität dieses russischen Regimes des Präsidenten gegen die Ukraine, aber genauso gegen seine eigene Bevölkerung", betonte die Außenministerin.

US-Präsident Joe Biden macht Putin direkt verantwortlich

Es sei zwar unklar, was genau passiert sei, aber es gebe keinen Zweifel daran, dass der Tod Nawalnys eine Folge von Putins Handeln und dem seiner Verbrecher sei, sagte US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus: "Putin ist verantwortlich." Angesichts der Nachricht von Nawalnys Tod sei er schockiert, aber nicht überrascht, so Biden. Putin habe Nawalny vergiftet, ihn verhaften und wegen erfundener Verbrechen anklagen lassen, sagte der US-Präsident. Er habe ihn in Isolationshaft gesteckt. Doch all das habe Nawalny nicht davon abgehalten, Lügen anzuprangern, sogar im Gefängnis. "Er war eine mächtige Stimme für die Wahrheit", erklärte der US-Präsident mit Blick auf Nawalny.

Großbritannien bestellt Botschaftspersonal ein

Nach dem Tod Nawalnys hat die britische Regierung diplomatisches Personal der russischen Botschaft einbestellt. Damit wolle London deutlich machen, dass es "die russischen Behörden uneingeschränkt verantwortlich" für Nawalnys Tod mache, erklärte das Außenministerium: Niemand solle "an der Brutalität des russischen Systems zweifeln". Bereits zuvor hatte der britische Außenminister David Cameron gesagt, der russische Präsident Wladimir Putin solle "zur Rechenschaft gezogen werden für das, was geschehen ist".

Auch In London demonstrierten Dutzende Menschen vor der russischen Botschaft. Sie trugen Transparente mit Aufschriften auf Russisch und Englisch, darunter "Stoppt Putin", "Mörder" und "Wir sind Nawalny".

Tod in Russlands härtestem Straflager

Nawalny war in Russland zu mehr als 30 Jahren Haft verurteilt worden. Die Vorwürfe reichen von Betrug bis hin zu Extremismus. Der Aktivist hatte die Vorwürfe stets bestritten und seine Verhaftung als politisch motiviert bezeichnet. Seine politische Bewegung wurde verboten, enge Mitarbeiter wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland.

Im Dezember war Nawalny in das Straflager "Polarwolf" im eisigen Norden Russlands verlegt worden. Die Haftanstalt gilt als eine der härtesten des Landes. Im Januar hatte Nawalny bei einer Gerichtsanhörung bessere Haftbedingungen gefordert. Unter anderem seien die Essenspausen zu kurz. "Ich bekomme zwei Becher kochendes Wasser und zwei Stücke ekelhaftes Brot", sagte Nawalny. "Ich möchte dieses kochende Wasser normal trinken und dieses Brot essen." Er habe lediglich zehn Minuten Zeit zum Essen und werde gezwungen, sich an dem kochenden Wasser zu verschlucken. Schon damals wirkte der Aktivist abgemagert. Nun habe er sich im Straflager nach einem Spaziergang "unwohl gefühlt" und "fast sofort das Bewusstsein verloren", teilte die russische Gefängnisverwaltung mit. Medizinisches Personal habe den 47-Jährigen nicht wiederbeleben können.

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