Ministerpräsident Söder mit den Ministern Aiwanger und Füracker
Bildrechte: picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Ministerpräsident Söder mit den Ministern Aiwanger und Füracker

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Bayern klagt gegen Erbschaftsteuer - Opposition: Wahlkampf

Bayern bringt eine Verfassungsklage gegen die Erbschaftsteuer auf den Weg. Auch in Regionen mit hohen Immobilienpreisen solle ein Einfamilienhaus steuerfrei vererbt werden, sagte Ministerpräsident Söder. Die Opposition wittert ein Wahlkampfmanöver.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Mit einem sogenannten Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht will die bayerische Staatsregierung eine deutliche Erhöhung der Freibeträge bei der Erbschaftsteuer erreichen. "Bayern klagt", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer Kabinettssitzung in München. Die Verfassungsklage werde in etwa zwei Wochen in Karlsruhe eingereicht.

Der Bund habe die Bewertungsmaßstäbe für Eigentum "massiv nach oben katapultiert", ohne gleichzeitig die Freibeträge anzupassen, kritisierte Söder. Davon seien Erben in Bayern mehr betroffen als in anderen Ländern, "weil bei uns die Immobilienpreise massiv angestiegen sind". Das sei unfair und ungerecht.

Söder: Erben eines Einfamilienhauses soll steuerfrei sein

Eine Gartenlaube in Miesbach habe mittlerweile den gleichen Wert wie eine Villa in Greifswald, sagte der Ministerpräsident. Die Folge sei, dass viele Normalverdiener in Bayern ihr Erbe kaum behalten könnten - und "Haus und Hof verkaufen" müssten, oft an Investoren. Das führe letztlich zu einem Ausverkauf der Heimat.

Ziel der Klage ist laut Söder eine Anhebung der Freibeträge auf ein Niveau, mit dem das Erben eines Einfamilienhauses praktisch steuerfrei sei. Das diene dem Schutz des Mittelstands und letztlich auch der bayerischen Heimat. Darüber hinaus wolle Bayern eine regionale Erbschaftsteuer erreichen.

Aiwanger für komplette Abschaffung der Erbschaftsteuer

Finanzminister Albert Füracker (CSU) betonte, Bayern habe sich vergeblich bemüht, auf parlamentarischen Wegen eine Lösung zu erreichen. In den Jahren 2008 und 2009 seien mit einem neuen Erbschaftsteuergesetz Bemessungswerte und Freibeträge in Einklang gebracht worden. Bayern wolle nichts anderes, als beides im Einklang zu halten. Dafür müssten die Freibeträge mindestens verdoppelt werden. "Klug" wäre es dem Finanzminister zufolge, die Freibeträge an die Wertsteigerung zu koppen. "Das muss eindeutig das Ziel sein."

Während laut Füracker die Bayerische Verfassung eine Abschaffung der Erbschaftsteuer verbietet, ist genau dies das Ziel von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). "Wenn es möglich wäre, die Erbschaftsteuer ganz abzuschaffen, wäre mir das der liebste Weg", sagte Aiwanger. Er wolle nicht, dass man "Omas kleines Häuschen" verkaufen müsse, aber "auch nicht, dass man Papas Mietshaus in München verkaufen muss".

Füracker: Eigentum muss man sich leisten können

In seiner Regierungserklärung im Landtag betonte Füracker später, es gehe ihm nicht um eine Entlastung von Superreichen. Vielmehr wolle die Staatsregierung die "eigentumsfeindliche Politik der Ampel nicht mehr länger akzeptieren".

Aktuell sei das steuerfreie Erben eine Einfamilienhauses fast nicht mehr möglich - obwohl das Bundesverfassungsgericht genau dies 1995 zum Orientierungsmaßstab erklärt habe. Er wolle nicht akzeptieren, dass Kinder ihr geerbtes Elternhaus verkaufen müssten, um eine ungerechte Steuer zu zahlen.

Grüne: CSU ist Schutzpatron der Millionäre

Grünen-Finanzexperte Tim Pargent verwies darauf, dass es bei der Erbschaftsteuer für Ehegatten einen Freibetrag von 500.000 Euro gebe, für Kinder von 400.000 Euro. Auch für den "Lieblingsaufreger" der Staatsregierung, die vererbte Immobilie, bleibe alles beim Alten: Selbst genutztes Wohneigentum bis zu 200 Quadratmetern bleibe für die Kinder steuerfrei.

Die CSU schüre unnötig Ängste und fungiere in Wahrheit "als Schutzpatron der Millionäre", kritisierte Pargent. Es gehe ihr um den Villen-Besitzer am Tegernsee und nicht die Familie in der Bayreuther Drei-Zimmer-Wohnung. "Wenn Sie die Freibeträge mindestens verdoppeln wollen, dann reden wir über einen Freibetrag von einer Million Euro für Eheleute."

Schon heute sei das Vermögen in Deutschland ungerecht verteilt. Mit ihrer Initiative stütze die CSU diese Ungleichverteilung und lege die Axt an den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Denn die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer kämen der Allgemeinheit zugute - sie finanzierten Lehrerstellen und Kitaplätze. Wenn die Freien Wähler mit der Abschaffung der Erbschaftsteuer Wahlkampf machen wollten, "müssen wir die Bayerische Verfassung vor den Freien Wählern schützen".

Freie Wähler: Grüne leben in "Sozialismusblase"

Der CSU-Abgeordnete Josef Zellmeier warf den Grünen daraufhin eine "Politik gegen den ländlichen Raum" vor. Pargent habe eine "Rede des Sozialneides" gehalten.

Hans Friedl von den Freien Wählern wertete Pargents Rede als Beleg dafür, "in welcher Sozialismusblase die Grünen leben". Es dürfe nicht sein, dass den Bürgern das Erben verleidet werde. Friedl fühlte sich an "kommunistische Verhältnisse der Enteignung in der DDR" erinnert. Die Freien Wähler unterstützten die Klage. Ziel müsse aber die endgültige Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer sein. Nur so könnten "Ungerechtigkeiten ausgeräumt" werden.

AfD: "Enteignung der Bürger durch die Hintertür"

Der AfD-Abgeordnete Martin Böhm erinnerte daran, dass 15 Bundesländer den Vorstoß Bayerns zur Erbschaftsteuer abgelehnt hätten. "Die CSU allein auf Berliner Flur, das schmerzt." Zu dieser "fast aussichtslosen Klage" eine Regierungserklärung zu halten, sei der "Aufschrei einer CSU, die in Berlin jeglicher Macht beraubt ist".

Dabei hätte die CSU laut Böhm in den vielen Jahren ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin reichlich Zeit gehabt, sich um das Thema zu kümmern. Die Änderung der Bewertungsgrundlage kritisierte der AfD-Politiker als "Enteignung der Bürger durch die Hintertür". Die "krude" Idee einer Klage lehne seine Fraktion ab. "Für uns kann nur die Abschaffung der Erbschaftsteuer als Lösung gelten."

SPD: "Reine Propaganda"

Entsetzt über den DDR-Vergleich des Freie-Wähler-Abgeordneten Friedl zeigte sich SPD-Politiker Florian Ritter. "Kommen Sie auf den Boden der demokratischen Debatte zurück und schämen Sie sich für die Art und Weise, wie Sie hier Verfassungsgrundsätze diffamieren", rief er den Freien Wählern zu.

Jährlich würden in Deutschland zwischen 300 und 400 Milliarden Euro über Erbschaften und Schenkungen weitergereicht. Mehr als die Hälfte davon bekämen "die reichsten zehn Prozent der Begünstigten". Der Staat nehme etwa zehn Milliarden Euro Erbschaftsteuer ein - das sei effektiv eine Besteuerung von 2,5 bis 3 Prozent. "Hier von Angst um Eigentum zu reden, ist tatsächlich reine Propaganda und durch nichts unterfüttert", beklagte Ritter.

Nutznießer seien die Erben besonders großer Vermögen: "Je größer das vererbte Vermögen, umso umfassender die Möglichkeiten, Ausnahmeregelungen in Anspruch zu nehmen - bis hin zum vollständigen Erlass der Erbschaftsteuer." Dies sei das eigentliche Problem.

FDP beklagt Populismus

FDP-Finanzexperte Helmut Kaltenhauser warf der CSU "Klamauk" und "Populismus pur" vor. Die FDP sei zwar der Meinung, dass das Erbe grundsätzlich besteuert werden müsse. Nötig sei aber eine grundlegende Reform der Erbschaftsteuer - die Liberalen würden seinen Worten nach einen entsprechenden Vorstoß unterstützen. Schade sei, dass das Thema jetzt in den Wahlkampf hineingezogen werde.

  • Zum Artikel: Höhere Erbschaftssteuer: Warum Bayern besonders betroffen ist

Video: Prof. Heribert Anzinger im Interview

Prof. Anzinger zur Erbschaftssteuer
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Prof. Anzinger zur Erbschaftssteuer

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!