Bergsteiger erklimmen die Zugspitze
Bildrechte: picture alliance / SZ Photo | Stephan Rumpf

Tourismusverbände und Gemeinden in den Alpen stellen sich auf eine Zukunft mit weniger Schnee ein.

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Schnee ade: Alpentourismus will unabhängiger werden

Ob Bayern, Frankreich, Italien oder die Schweiz – die Auswirkungen vom Klimawandel sind im gesamten Alpenraum zu spüren. Bei einer Tagung in Bad Hindelang diskutierten rund 300 Touristiker, wie sie ihren Ort für die Zukunft rüsten können.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Leugnen kann die Folgen niemand mehr. Jeder Vertreter der in Bad Hindelang anwesenden Tourismusgemeinden kann den Klimawandel bei sich zu Hause spüren, im gesamten Alpenraum, egal ob beispielsweise auf deutscher, italienischer oder slowenischer Seite.

Das Motto: "Schneesicher? Sicher nicht!"

Aus diesem Grund sind rund 300 Vertreter aus insgesamt sechs Alpenregionen für zwei Tage nach Bad Hindelang gekommen, um sich bei einer Fachtagung über den Klimawandel und die damit verbundenen Folgen für den Tourismus, speziell den Wintertourismus, im Alpenraum auszutauschen.

Sie alle gehören zum Netzwerk "Allianz in den Alpen", ein Zusammenschluss von Gemeinden aus dem Alpenraum, der seit 1997 besteht. Das Motto der Tagung: "Schneesicher? Sicher nicht!"

Schon jetzt veränderten steigende Temperaturen, schwankende Niederschläge und eine sinkende Anzahl an Schneetagen den Tourismus, betont Katharina Gasteiger, Geschäftsführerin der "Allianz in den Alpen". Deshalb sei die Fokussierung auf den Skitourismus ein "sehr wackliges Bein", auf dem viele Urlaubsgemeinden gerade in niedrigen oder mittleren Höhenlagen derzeit noch stehen würden. Schon jetzt brauche es Überlegungen und Konzepte, wie man sich vom Schnee unabhängiger machen kann.

Urlaubsfreuden auch ohne Schnee – welche Möglichkeiten gibt es?

Wintertourismus ohne Schnee? Wie das funktionieren kann, darüber macht sich auch der Balderschwanger Bürgermeister Konrad Kienle Gedanken und ist deshalb zur Tagung gekommen. Er sieht seinen Ort, in dem Wintertourismus traditionell eine große Rolle spielt, gut für die Zukunft aufgestellt.

Schon jetzt würden beispielsweise die Bergbahnen ganzjährig genutzt und man versuche, möglichst schnell und flexibel von Sommer- auf Winterbetrieb umstellen zu können. Alles mit dem Ziel, auch die Tage zu nutzen, in denen der Schnee nicht zum Skifahren reicht. Anstelle des alpinen Skitourismus würden in den kommenden Jahren in Balderschwang eher Angebote wie Schneeschuh- oder Winterwandern weiter ausgebaut, so Kienle.

Auch Sabine Rödel, Bürgermeisterin von Bad Hindelang, blickt positiv in die Zukunft. Dass ihre Gemeinde Veranstaltungsort für die zweitägige Veranstaltung sein darf, wertet sie als Auszeichnung. Schließlich arbeite Bad Hindelang, so Rödel, schon lange an Ideen für den zukünftigen Wintertourismus. Vor allem Naturverträglichkeit und Nachhaltigkeit stünden hier im Vordergrund, etwa beim angelegten Familien-Erlebnispfad an der Hornbahn oder verschiedenen Themenführungen zu Tier- und Pflanzenwelt. Alles Angebote, die Gäste auch ohne Schnee locken.

Auf der anderen Seite aber, so Rödel, sei es wirtschaftlich nicht angemessen, von heute auf morgen den kompletten Skitourismus aufzugeben. Gerade im Bad Hindelanger Ortsteil Oberjoch spielt dieser eine große Rolle.

Voneinander lernen – aber nicht jede Lösung passt für jeden

Laut Katharina Gasteiger, Geschäftsführerin vom Netzwerk "Allianz in den Alpen", ist es wichtig, dass sich Touristiker untereinander austauschen. Nicht jeder müsse das Rad neu erfinden. Man könne voneinander lernen, deshalb sei der Austausch über Ländergrenzen hinweg, wie er in Bad Hindelang stattgefunden habe, so wichtig.

Klar sei aber auch, so Gasteiger, dass es keine allgemeingültige 08/15-Lösung gebe. Jede Tourismusdestination, jeder Ort sei anders, jede Gemeinde müsse die sinnvollste Lösung für sich selbst entdecken. Dinge, die in einer Urlaubsregion funktionieren, müssten nicht zwangsläufig auch in einer anderen Region erfolgreich sein.

Veränderung als Chance begreifen

Die Gemeinden müssten die anstehenden Herausforderungen und Veränderungen als Chance sehen und nicht immer nur von Sorgen sprechen, so Gasteiger.

Nicht allein der Klimawandel führe schließlich zu einem Wandel im Wintertourismus, auch die gesellschaftlichen Wünsche und Einstellungen änderten sich. Gasteiger sagt: "Skifahren ist nicht mehr dieser Allerweltsport wie früher, vielmehr hat sich das Freizeitverhalten diversifiziert." Auf diese Entwicklung sollten die Tourismusdestinationen reagieren und ihren Gästen eine breite Palette an alternativen Freizeitangeboten anbieten.

Aufstellen für die Zukunft? Es geht nur gemeinsam mit den Einheimischen

Doch egal, welche Lösungen eine Urlaubsdestination für sich entwickle, entscheidend sei immer, die lokale Bevölkerung mit ins Boot zu holen, betont Philipp Corradini vom Institut für Regionalentwicklung aus Südtirol. Nur gemeinsam mit den Einheimischen könnten Tourismusorte neue, zukunftsfähige Konzepte entwickeln. Lasse man die Bevölkerung aktiv mitgestalten, steige auch die Akzeptanz gegenüber den Gästen, so Corradini. Und diese Akzeptanz brauche es, gerade wenn, wie im vergangenen Sommer, zum Beispiel in Folge des Klimawandels vielerorts das Wasser knapp werde.

Einig waren sich in Bad Hindelang alle: Schon jetzt braucht es Konzepte, wie Tourismusorte sich unabhängig vom Schnee für die Zukunft rüsten könnten. Die, die im Alpenraum weiterhin nur auf den reinen Wintertourismus in seiner bisherigen Form setzen, könnten auf Dauer nicht überleben.

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