"Batterie statt Hysterie" steht auf einem Plakat an einer Straße in Straßkirchen. BMW will 40 Kilometer nördlich seines größten europäischen Autowerks Dingolfing eine Batteriefabrik errichten.
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Bürgerentscheid um geplante BMW-Batteriefabrik

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Batteriefabrik auf dem Acker: Bleiben politische Gräben zurück?

Die Bürger von Straßkirchen haben entschieden: Das Batteriewerk in Niederbayern kann gebaut werden. Doch wie finden Befürworter und Gegner des Mammutprojekts im Gäuboden wieder zueinander? Der Wahlkampf war heftig.

Über dieses Thema berichtet: Dossier Politik am .

Sonntag, 24. September - es ist 20.40 Uhr - der Moment, der das Leben in der Gemeinde Straßkirchen, ja in der ganzen Gäubodenregion in Niederbayern, verändert. 75,3 Prozent der Bürger sind am Ende für das Ratsbegehren, unter den Befürwortern der Batteriefabrik von BMW bricht Jubel aus.

Für Bürgermeister Christian Hirtreiter (CSU) bedeutet das klare Votum eine Zeitenwende für seine Gemeinde. Er spricht von einer "Entscheidung für Niederbayern" und von "Wohlstandssicherung für alle".

Fruchtbarer Ackerboden wird Industriestandort

Aber zu welchem Preis? BMW beansprucht für sein neues Stammwerk zur Montage von Hochvoltbatterien für E-Autos mehr als 100 Hektar Fläche. Fruchtbarster Ackerboden, bessere Anbaubedingungen als rund um Straßkirchen gibt es bayernweit so gut wie nirgends. Statt Kartoffeln, Weizen oder Zuckerrüben wachsen in den kommenden Jahren riesige Fabrikhallen aus der Landschaft. Dazu kommen Parkplätze sowie Zu- und Abfahrten.

Die Gegner der Werksansiedlung hatten den Bürgerentscheid durchgesetzt. Erbittert hatten sie gekämpft. Teils polemisch, gar feindselig beschreibt Alfred Kandler, alteingesessener Straßkirchener, die Stimmung im Wahlkampf. Gegner des Batteriewerks seien nicht mehr zur Feuerwehrübung gegangen, weil bei der Feuerwehr fast alle für BMW waren.

Heftiger Kampf: David gegen Industrie-Goliath

Inzwischen sind die vielen Plakate pro oder contra Batteriefabrik in Straßkirchen wieder verschwunden. Das Dorf sei in seinen Normalzustand zurückgewechselt, sagt Martin Götz. Er ist das Gesicht der BMW-Befürworter im Dorf und sagt, so schlimm sei es gar nicht gewesen, wie immer behauptet wurde, dass das ganze Dorf extrem gespalten sei. Man habe halt diskutiert wie an einem Stammtisch und dann habe man wieder über etwas anderes geredet. "So muss es sein", so Götz.

An dem Acker, auf dem sich schon in ein paar Monaten Bagger durch das Erdreich graben werden, treffen wir Paul Kerl. Der schlanke Mann mit dunklem Dreitagebart stammt aus einem bäuerlichen Betrieb. Den wertvollen Boden der Industrie zu opfern, das bleibt für ihn ein No-Go. Seine Enttäuschung über die klare Niederlage der Werksgegner ist noch immer groß. Wie auch seine "Verwunderung, dass sich so viele Leute unter Druck haben setzen lassen durch die Angstmacherei, die Industrie würde ins Ausland abwandern oder Deutschland verliere dann an Wirtschaftsmacht".

Vertrauensvorschuss für BMW

Aber, sagt Paul Kerl, ein "Persönlichkeitskrieg" sei es nicht gewesen, sondern eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen. Jetzt, nach der Entscheidung, gehe man wieder aufeinander zu, beobachtet Kerl.

Noch aber weiß niemand, wie die Stimmung sein wird, wenn es mit der Riesenbaustelle am Ortsrand losgeht. Das Gesicht der 3.300-Einwohner-Gemeinde Straßkirchen wird sich verändern. Und Paul Kerl bleibt hinsichtlich der von BMW gemachten Versprechen skeptisch. Er hofft, dass die Einwände der Bürger berücksichtigt werden.

Auch Martin Götz, Sprecher der Befürworter, ist vorsichtig. BMW habe einen Vertrauensvorschuss bekommen, sagt er. Drei Viertel der Straßkirchener unterstützen den bayerischen Autokonzern – der müsse jetzt liefern und seine Versprechungen einhalten.

Hoffnung auf Umgehungsstraße

Dazu gehört die Umgehungsstraße für Straßkirchen. Die Bundesstraße B8 führt mitten durchs Dorf – eine Verkehrslawine, die dort rollt. Mit der BMW-Ansiedlung soll eine lange ersehnte Ortsumfahrung verwirklicht werden. "Alle Politiker wollten das, haben Wahlkampfwerbung gemacht mit BMW. Jetzt sind sie gefragt, dass die Umgehungsstraße kommt, und zwar so schnell wie möglich."

In drei Jahren will BMW in Straßkirchen die ersten Hochvoltbatterien für E-Autos produzieren. Das Gesicht des Dorfes wird sich bis dahin grundlegend verändern. Wie das die ländlich geprägte Region verträgt, hängt nun vom Autokonzern und den politischen Entscheidungsträgern ab.

Im Video: BMW kommt – Jubel in Straßkirchen

Christian Hirtreiter, Erster Bürgermeister von Straßkirchen im Kreis Straubing-Bogen
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Christian Hirtreiter (CSU), Erster Bürgermeister von Straßkirchen

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