Ilse Aigner (CSU), Präsidentin des Bayerischen Landtags, läutet zu Beginn der 16. Plenarsitzung am 17.04.2024 in München die Glocke.
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Ilse Aigner (CSU), Präsidentin des Bayerischen Landtags, läutet zu Beginn der 16. Plenarsitzung am 17.04.2024 in München die Glocke.

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Regeln verschärft: Bis zu 4.000 Euro für Störer im Landtag

Bis zu 2.000 Euro Ordnungsgeld für Störer im Bayerischen Landtag, im Wiederholungsfall bis zu 4.000: CSU, Freie Wähler, Grüne und SPD haben nach hitziger Debatte eine Änderung des Abgeordnetengesetzes beschlossen. Die AfD stimmte dagegen.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Eine solche Einigkeit des Regierungslagers CSU/Freie Wähler mit den Oppositionsfraktionen der Grünen und SPD ist selten im Bayerischen Landtag: Gemeinsam brachten sie die Änderung des Abgeordnetengesetzes in den Landtag ein, gemeinsam beschließen sie es.

Damit reagieren die vier Fraktionen darauf, dass seit dem Einzug der AfD in den Landtag 2018 der Ton im Landesparlament rauer geworden ist. Statt Pöbeleien mit Rügen zu ahnden, ist künftig ein Ordnungsgeld möglich: bis zu 2.000 Euro, "im Wiederholungsfall" bis zu 4.000 Euro. Verhängt werden kann es "bei einer erheblichen oder wiederholten Verletzung der Ordnung oder der Würde des Landtags".

"Pöbeleien und Hetze erleben wir inzwischen in jeder Sitzung"

Alle Redner von CSU, Freien Wählern, Grünen und SPD verweisen in der Debatte auf Beleidigungen und Provokationen von AfD-Politikern in den vergangenen Jahren - beispielsweise auf den Auftritt eines Abgeordneten mit Gasmaske am Rednerpult im Jahr 2020, der so gegen die Maskenpflicht im Landtag demonstrieren wollte. "Pöbelein und Hetze erleben wir inzwischen einfach in jeder Sitzung", sagt die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Simone Strohmayr.

Ihr Grünen-Kollege Jürgen Mistol beklagt, die Debattenkultur habe in den vergangenen Jahren "enormen Schaden genommen". Die AfD beschimpfe, beleidige, hetze, mache demokratische Institutionen verächtlich. "Sie provoziert gezielt, um Schlagzeilen zu generieren."

26 Rügen in fünf Jahren

Insgesamt 26 Rügen wurden in der vergangenen Legislaturperiode im Bayerischen Landtag verhängt: zwei davon gegen Grüne, eine gegen einen Sozialdemokraten - und 23 gegen AfD-Abgeordnete. "Ich und wir stehen für eine streitbare Debattenkultur", sagt Strohmayr. "Aber diese Fraktion da rechts außen feiert ihre Rügen regelrecht."

Die AfD überschreite oft die roten Linien der Geschmacklosigkeit, missbrauche den Landtag als Bühne für ihre Hetze und sei auch noch stolz darauf. Die Demokratie müsse geschützt werden. Das Parlament lebe von einer sachlichen und fairen Debatte - "und das muss auch so bleiben".

Rügen gehören im Landtag nun der Geschichte an. Über das neue Ordnungsgeld soll nicht allein Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) entscheiden, sondern das Präsidium des Parlaments - wegen der "hohen Intensität des Eingriffs". Schärfste Sanktionsmaßnahme bleibt der Ausschluss von Abgeordneten aus Landtagssitzungen: Wenn die Vollversammlung zustimmt, darf ein Abgeordneter an bis zu zehn Sitzungen nicht mehr teilnehmen.

AfD spricht von Angriff auf Demokratie

Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Christoph Maier, kritisiert, die "Kartellfraktionen" wollten einen "Freibrief für die Sanktionierung oppositioneller Politiker". Er beklagt einen "Frontalangriff auf die Demokratie" und die Meinungsfreiheit sowie einen Eingriff in das freie Mandat von Abgeordneten. "Die letzte Stufe wäre dann nur noch politische Haft." Auch das halte er in Bayern nicht mehr für völlig ausgeschlossen. Zugleich äußerte Maier "verfassungsrechtliche Bedenken". Die AfD werde rechtliche Schritte "prüfen und gegebenenfalls einleiten".

Der AfD-Abgeordnete Markus Waldbrunn wertet das Gesetz als Beleg für die wachsende Bedeutung seiner Partei. Landauf, landab würden Gesetze geändert, die Stimme der AfD "kaltzustellen und verstummen zu lassen". Das neue Abgeordnetengesetz drohe zu einem "autoritären Maulkorbgesetz" zu werden.

"Kein Gesetz gegen die AfD"

Michael Hofmann von der CSU betont, es sei "kein Gesetz gegen die AfD". Vielmehr gehe es darum, "dass die Parlamentarier das Haus hier wirklich repräsentieren, damit sie der Bevölkerung auch deutlich machen, welche Verantwortung sie tragen". Das Gesetz sei notwendig, "weil Kolleginnen und Kollegen sich in der letzten Legislaturperiode so verhalten haben, wie sie sich verhalten haben". Es sei traurig, dass über dieses Gesetz bestimmte Maßnahmen ergriffen werden müssten.

In den vergangenen Jahren seien Dinge abgelaufen, die man in einer Demokratie nicht haben wolle. "Wenn das nicht mehr allein mit einem Ordnungsruf geht, dann muss es dahin gehen, wo es wehtut, nämlich mit Geldzahlungen." Ein anderes Vorgehen sei offenbar nicht möglich, sagt Hofmann. Er hoffe, dass dies die Abgeordneten diszipliniere. "Die Menschen haben ein Recht darauf, dass sie hier keine Clowns bezahlen, sondern Abgeordnete, die ihren Job ernst nehmen."

Auch Grünen-Politiker Mistol betont, dass die Regeln für alle Abgeordneten gelten. "Merkwürdig ist, dass nur die Abgeordneten der AfD dagegen aufbegehren." Der Landtag sei das Herz der bayerischen Demokratie. "Drohenden Herzleiden sollte man bekanntermaßen rechtzeitig vorbeugen." Es gelte, dieses zentrale Organ des politischen Systems besser vor seinen Feinden zu schützen.

"Hass ist keine Meinung"

Der Freie-Wähler-Abgeordnete Felix Locke sagte mit Blick auf die Vorwürfe des AfD-Politikers Maier: "Hass ist keine Meinung." Hassparolen mit der Meinungsfreiheit zu verteidigen, sei der "falsche Weg".

Locke schilderte, in bestimmten Räumen funktioniere das Miteinander mit AfD-Abgeordneten. "Ich habe sie im Ausschuss noch nie pöbeln hören", sagt er. Anders sei es im Plenum: "Sobald die Kameras hier an sind, zeigen sie Ihr wahres Gesicht und das ist erschreckend." Es gehe darum, Pöbeleien einen Riegel vorzuschieben. Es sei ein Gesetz, "das hoffentlich nie zur Anwendung" komme.

Ordnungsgeld bereits im Bundestag

Mit dem neuen Anti-Pöbler-Gesetz folgt der Bayerische Landtag nicht nur dem Vorbild des Bundestags. Er geht darüber hinaus: Der Bundestag hatte bereits vor drei Jahren ein Ordnungsgeld eingeführt, allerdings nur bis zu 2.000 Euro.

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