Schüler setzen sich mit dem rechten Terroranschlag von Christchurch auseinander.
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Schüler setzen sich mit dem rechten Terroranschlag von Christchurch auseinander.

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Rechtsterrorismus: So klärt die Stadt Nürnberg Schüler auf

Rechter Terror hat Kontinuität in Deutschland. Doch wie sollen Schülerinnen und Schüler mit diesem komplexen Thema umgehen und sensibilisiert werden? Die Stadt Nürnberg hat deswegen ein Angebot für Schulklassen entwickelt.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Der antisemitische Anschlag in Halle 2019, die rassistischen Morde in Hanau 2020 oder auch der vereitelte Umsturzversuch von mutmaßlichen Reichsbürgern Ende 2022. Das alles zeigt: Rechter Terror hat Kontinuität in Deutschland. Doch wie sollen Schülerinnen und Schüler mit diesem komplexen Thema umgehen und sensibilisiert werden? Die Stadt Nürnberg hat deswegen ein Angebot für Schulklassen entwickelt.

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Video-Chat mit fiktivem Influencer

Montagmorgen, 09.00 Uhr. Um sich mit dem Thema Rechtsterrorismus auseinanderzusetzen, starten rund 25 Schülerinnen und Schüler der achten Klasse der Scharrer Mittelschule in Nürnberg mit einem virtuellen Spiel. In einem Raum des Instituts für Pädagogik und Schulpsychologie der Stadt Nürnberg sitzen sie in Gruppen zusammen und lassen sich von Maria Bahn das Spiel erklären. "Ich bin Constable Truth – für Wahrheit, Fairness und einene bessere Welt – Willkommen auf meinem Kanal", stellt sich der fiktive Influencer Constable Truth in einem Video vor. "Augen Auf" heißt das interaktive Chat-Spiel, das von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit entwickelt wurde. Der Influencer interagiert dabei via Chat mit den Schülerinnen und Schülern.

Problematische Memes werden unbedacht weitergeleitet

"Am Anfang stellt er sich so dar, dass er sich für Naturschutz und unsere Heimat einsetzt. Und nach und nach, im Laufe des Spiels merkt man, dass sich er und auch seine Community, seine Follower, immer mehr radikalisieren", erklärt Sophia Brostean-Kaiser vom Memorium Nürnberger Prozesse das Spiel. Die Schüler interagieren mit dem fiktiven rechten Influencer und werden Teil des Spiels. Mit einem Klick teilen die Schüler dann auch menschenverachtende und gewaltverherrlichende Inhalte. Sie erleben, wie schnell und unbedacht sie solche Nachrichten und Bilder weiterverbreiten. Für manche ist das alles noch Spaß – menschenverachtende Memes, über die sie noch lachen können.

"Mich hat das sehr schockiert", erzählt Kursleiterin Maria Bahn im BR-Interview. Es sei oft so, dass derlei Inhalte bei Jugendlichen als Spaß abgetan würde. "Und wenn man noch jung ist und alles historisch noch nicht einordnen kann und noch nicht genau weiß, was teilweise passiert ist, dann wird es auch eher als Spaß aufgefasst", meint sie. Dennoch versteht die 25-Jährige die Prozesse bei den Jugendlichen, die bei ihnen in diesem Alter vorgehen.

Auch Schulkinder werden rassistisch beschimpft

Für viele allerdings seien solche rechte Inhalte im Internet nichts Neues, erzählt die 14-jährige Emily. "Ich sehe solche Inhalte ziemlich oft im Internet, beispielsweise bei TikTok in den Kommentaren". Viele Gleichaltrige fänden das witzig, berichtet sie. Und das, obwohl sie schon selbst Diskriminierung erfahren haben. Wie ihr 15-jähriger Klassenkamerad Rasul, der von einem unbekannten Mann auf der Straße übelst beschimpft wurde: "Scheiß Ausländer. Arschloch. Schau wie du aussiehst. Geh zurück in dein Land". Schon sind die Kinder in der Diskussion und sprechen darüber, wo die Grenzen sind zwischen Spaß und ernsthaften rassistischen Beleidigungen. Die Beleidigungen des Mannes waren für Rasul kein Spaß mehr.

Ausstellung über rechten Terror soll Schüler sensibilisieren

Nach dem Spiel besuchen die Schüler die Ausstellung "Rechtsterrorismus – Verschwörung und Selbstermächtigung 1945 bis heute" im Cube 600 neben dem Nürnberger Justizpalast. Dort geht es um rechte Mordanschläge wie die von Halle oder Hanau. Das soll die Kinder für das Thema sensibilisieren. Keine leichte Aufgabe, meint Lehrer Jan Rauch, weil es die Kinder in gewisser Weise auch verunsichern würde: "Also es ist schon ein bisschen schwierig, dass man einerseits nicht eine Drohkulisse aufbaut und auf der anderen Seite aber auch versucht, darauf möglichst gut vorzubereiten, im Sinne der Prävention."

In der Ausstellung werden die aktuellen rechtsterroristischen Gewalt- und Mordtaten in einen längeren historischen Kontext eingebettet. So soll verdeutlicht werden, dass Rechtsterrorismus keine temporäre und örtlich isolierte Erscheinung der Gegenwart ist.

Rechte Hetze im Internet kann in Anschlägen enden

Zudem wollen Sophia Brostean-Kaiser und ihr Team mit der Ausstellung aber auch aufzeigen, dass Hass im Internet kein Spaß ist. Sie wollen vermitteln, dass "diese Ideologie, die dahintersteht, von Täterinnen und Täter auf der ganzen Welt geteilt wird". Was als rechtsterroristische Hetze im digitalen Raum beginne, könne in der Realität in Mordtaten und Anschlägen enden. Durch die Ausstellung und das virtuelle Spiel hinterfragten die Schülerinnen und Schüler aber auch teilweise ihr eigenes Verhalten – ein erster Schritt für die Sensibilisierung ist also getan.

Lehrerinnen und Lehrer können den Workshop bei der Stadt Nürnberg buchen. Empfohlen wird der Kurs ab der achten Klasse. Das inhaltliche Niveau könne an die jeweiligen Klassenstufen angepasst werden, meint Brostean-Kaiser. Wichtig sei jedoch, hier weiter Aufklärungsarbeit zu leisten.

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