Immobilie bei Cadolzburg
Bildrechte: NN/Elke Graßer-Reitzner

Für diese Immobilie hat sich die AfD nach BR/NN-Recherchen interessiert.

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Plant die AfD ein Schulungszentrum bei Fürth? Gegner alarmiert

Die AfD sucht nach einer Immobilie im Landkreis Fürth – angeblich für ein Schulungszentrum. Das geht aus einem Mietvertrag hervor, der dem BR/NN-Rechercheteam zugespielt worden ist. Die Partei dementiert. AfD-Gegner sind alarmiert.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Das frühere Café und Restaurant "Gwäxhaus" in der Erzleitenmühle am Rand der Markgemeinde Cadolzburg im Landkreis Fürth hat schon bessere Tage gesehen. Die graue Fassade ist verschmutzt, die verglaste Veranda, in der sich früher Freundeskreise, Heiratswillige und Familien zum Kaffeeklatsch zwischen Palmen und wuchernden Topfpflanzen trafen, macht heute einen tristen Eindruck. Die Besitzer, eine Erbengemeinschaft, versuchen seit einigen Jahren, die verkehrsgünstig nahe an der Bundesstraße 8 gelegene Immobilie wiederzubeleben. Ohne Erfolg, das Gebäude steht seit der Coronazeit leer.

Nun aber sorgt die Immobilie für Wirbel in der Region, denn dort will sich die AfD offenbar niederlassen. Das geht aus einem Mietvertrag hervor, der dem gemeinsamen Rechercheteam von Bayerischem Rundfunk und Nürnberger Nachrichten (NN) zugespielt worden ist. Als Mieter im Vertrag sind der Kreisverband Fürth/Neustadt a.d. Aisch und die AfD-Bezirkstagsfraktion Mittelfranken eingetragen. Die Parteiverbände wollen demnach das gesamte Erdgeschoss, ein Kellerabteil, die Veranda und die Terrasse samt 16 Parkplätzen mieten – laut Mietvertrag unter anderem für "Veranstaltungen mit Öffentlichkeitszutritt". Es soll ein "Schulungszentrum" werden, so der Hinweis ans Rechercheteam.

Bündnis gegen Rechtsextremismus ist alarmiert

Das Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist deswegen alarmiert. "Wir gehen davon aus, dass die AfD versucht, sich stärker im Landkreis Fürth zu verankern und dann auch abseits der größeren Städte mit möglichst wenig Widerstand Immobilien anmieten zu können", sagt Niklas Haupt, Sprecher des Bündnisses, dem Rechercheteam. Insgesamt sei es problematisch, wenn sich "eine rechtsextreme Partei eine Immobilie anmietet, wo sie Schulungen durchführen will". Das befürchtet das Bündnis und vernetzt sich daher gerade mit "verschiedenen Akteuren und Gemeinderäten aus Cadolzburg", um einen Gegenprotest zu initiieren.

Mietvertrag in Cadolzburg kam laut AfD nicht zustande

Doch wie steht es um ein angebliches Schulungszentrum der Partei im Landkreis Fürth? Thomas Klaukien, Kreisvorsitzender des AfD-Kreisverbands Fürth/Neustadt a.d. Aisch, antwortet auf Anfrage, dass der Mietvertrag nicht zustande gekommen sei. Ein Schulungszentrum sei zudem nicht geplant gewesen, vielmehr suche der Kreisverband Räumlichkeiten zur Material-Aufbewahrung. Vermieter der Cadolzburger Immobilie ist den BR/NN-Recherchen zufolge ein Mann, der selbst schon für die AfD als Kandidat für den Kreistag angetreten ist. Der Unternehmer will sich auf Anfrage nicht zu seinen Mietern äußern, hoffe aber, dass man sich "heuer noch" handelseinig werde. Eventuell auch mit einem anderen Interessenten.

Aus Parteikreisen erfuhr das Rechercheteam zudem, dass der Mietvertrag zwar aufgesetzt, aber nicht unterschrieben worden sein soll. Es habe sich demnach um einen "vorläufigen Vertrag" gehandelt, der "nun erstmal auf Eis" liege. Es fehle an finanziellen Mitteln, heißt es den Angaben zufolge. Andere, mit dem Fall betraute Personen meinen, dass "der Vermieter schwächelt".

Mögliche AfD-Anmietung beschäftigt Cadolzburger Rathauschefin

Die Immobilienanmietung in der Erzleitenmühle bei Cadolzburg ist nach AfD-Angaben also offenbar vorerst gescheitert. Auch dem Markt Cadolzburg liegen zu einer möglichen AfD-Immobilie keine Informationen vor, teilt Cadolzburgs Erste Bürgermeisterin Sarah Höfler (SPD/Bürger*innen für Cadolzburg) auf Anfrage mit. In Cadolzburg herrscht aber "keine Furcht vor der Einrichtung eines Schulungs- und Versammlungsraums", so Höfler, die frisch gewählte Rathauschefin.

Denn die Bürgerinnen und Bürger und der Marktgemeinderat stünden fest zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Man habe beispielsweise auch ein Banner mit der Inschrift "Nie wieder ist jetzt!" vor dem Rathaus aufgestellt, das ein "starkes Zeichen unserer fraktionsübergreifenden Einheit und unseres Engagements für Demokratie" sei, betont Höfler. Erklärtes Ziel sei es nun, "aktiv für die demokratische Grundordnung einzutreten und gegen jegliche Bestrebungen, die diese untergraben möchten, zu handeln".

"Wir hoffen, dass der Kelch an uns vorübergegangen ist", sagt Johannes Strobel, Sprecher der SPD-Fraktion im Gemeinderat. Konkrete Anhaltspunkte, dass die AfD sich im Ort einnisten werde, habe man nicht. Deshalb wird es nicht zum angedachten Gegenprotest kommen, den Bürgerinnen und Bürger auf die Beine stellen wollten.

AfD will sich in der Region verankern

Die AfD allerdings versucht, in der Region weiter Fuß zu fassen, und hat erst im März einen Ortsverband in Cadolzburg gegründet, zur gleichen Zeit einen weiteren in Neustadt/Aisch. Dort fanden sich nach eigenen Angaben rund 20 Mitglieder zusammen, ebenso viele gründeten im Dezember einen Ortsverband in Bad Windsheim. AfD-Kreisverbandschef Thomas Klaukien bestätigt, dass das Ziel, eine "flächendeckende Unterstruktur mit Ortsverbänden aufzubauen", erreicht sei.

Constantin Wurthmann, der die Professur für vergleichende Politikwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg innehat, beobachtet schon seit längerem, dass die AfD an der Professionalisierung und Verankerung arbeitet. Auch andere Parteien haben Bildungseinrichtungen, doch in Schulungszentren der AfD würde eine "ideologische Fundierung" stattfinden. In anderen Einrichtungen treten dafür laut dem Politikwissenschaftler "rechtsradikale intellektuelle Vordenker der Partei" auf.

Wissenschaftler: Um Wähler sorgen, die wissentlich rechtsradikal wählen

Aus politikwissenschaftlicher Sicht könne man "zweifelsohne sagen, die AfD ist eine rechtsradikale, in weiten Teilen rechtsextreme Partei. Und das Rechtsextreme beinhaltet natürlich auch eine klare antidemokratische Ideologie, die dort stark vertreten wird", sagt Wurthmann im BR/NN-Interview.

Dem Wissenschaftler zufolge müsse sich die Gesellschaft allerdings mehr um die Wähler Sorgen, die wissentlich die Partei unterstützen, "obwohl eigentlich klar ist, dass es sich hierbei um eine rechtsextreme Partei handelt". Wurthmann mahnt: "Das ist der Punkt, über den wir uns Sorgen machen müssen – weniger, ob sich ein Kongresszentrum oder ein Schulungszentrum findet, in dem diese Menschen sich versammeln."

Im Video: AfD sucht angeblich Immobilie im Landkreis Fürth

Die AfD sucht nach einer Immobilie im Landkreis Fürth - angeblich für ein Schulungszentrum. Das geht aus einem Mietvertrag hervor. Die Partei dementiert.
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Die AfD sucht nach einer Immobilie im Landkreis Fürth - angeblich für ein Schulungszentrum.

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