Eine Bewohnerin eines Pflegeheims wird im Rollstuhl von einer Pflegerin einen Gang entlang geschoben.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Marijan Murat

Über 1.500 Meldungen sind bei "Pflege-SOS Bayern" seit Start des Projekts eingegangen.

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Pflege-Missstände: Bilanz der Anlaufstelle "Pflege-SOS Bayern"

Über 1.500 Meldungen sind bei "Pflege-SOS Bayern" seit Start des Projekts eingegangen. Pflegebedürftige und Angehörige können dort anonym auf Missstände in Einrichtungen hinweisen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Immer wieder gibt es Pflegemängel in Pflegeheimen. Deshalb hatte der Freistaat vor zwei Jahren eine überregionale Stelle für anonyme Beschwerden eingerichtet, das sogenannte "Pflege-SOS".

Zuvor konzentrierten sich Qualitätskontrollen in Pflegeeinrichtungen lange Zeit fast ausschließlich auf formale Aspekte wie Qualitätsmanagement oder Dokumentation. Wie es den Pflegebedürftigen in Heimen oder bei ambulanten Diensten geht, ob sie sich wohl und gut versorgt fühlen, ist aber gerade für Angehörige eine zentrale Frage, wenn es um Pflege geht. Nach Skandalen in Pflegeheimen wie in Augsburg hat das Landesamt für Pflege 2022 das "Pflege-SOS Bayern" ins Leben gerufen.

Über 1.500 Kontaktaufnahmen in zwei Jahren

Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach, seit Ende Oktober 2023 im Amt, blickt nach zwei Jahren positiv auf den Service: "Seit dem 7. März 2022 ist das ‚Pflege-SOS Bayern‘ 1.530-mal (Stand 01.03.2024) kontaktiert worden. Dabei handelte es sich in 853 Fällen um konkrete Beschwerden", so Gerlach. Zur hohen Akzeptanz der Anlaufstelle trage auch bei, dass alle Anrufe vertraulich behandelt würden. Laut Ministerium haben alle Mitarbeiter der Anlaufstelle einen pflegefachlichen Hintergrund.

Wichtigstes Anliegen: Servicequalität

Nach der Statistik des Landesamts für Pflege (LfP) in Amberg, die dem BR vorliegt, gehen die meisten der Beschwerden zur Service-Qualität in Pflegeheimen ein. Dem folgen Hinweise auf Missstände bei Kosten, Personalstärke, Körperpflege oder Ernährungsversorgung. Meldungen kommen vor allem von Angehörigen Pflegebedürftiger, aber auch von Pflegefachpersonal. LfP-Leiter Achim Uhl betont, dass jeder Anruf, jede E-Mail und jeder Brief ernst genommen werde.

Was passiert nach einer Beschwerde?

In Fällen von Beschwerden unterstützten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kontaktsuchenden, erklärt Achim Uhl vom Landesamt für Pflege. "Sie vermitteln an die richtigen Stellen und geben die Beschwerden an die zuständigen Stellen weiter" – also zum Beispiel an die Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA – früher Heimaufsicht), den Medizinischen Dienst Bayern oder die Polizei.

Das "Pflege-SOS Bayern" soll laut Pflegeministerin Gerlach Vertrauen in die Versorgung Pflegebedürftiger in der Bevölkerung schaffen. Die meisten Pflegekräfte in den mehr als 1.600 bayerischen Pflegeheimen würden sehr gute Arbeit leisten: "Umso wichtiger ist es, dass wir Missstände möglichst schnell erkennen und beheben, damit die Pflege nicht unter einen falschen Generalverdacht gerät", betont Gerlach.

Es gibt auch Kritik am Sorgentelefon

Kontrollieren, ob und wie die Beschwerden dann von den zuständigen Behörden bearbeitet werden, kann die SOS-Stelle nicht. Das sorgte bereits zum Start des Projektes für Kritik. Die Oldenburger Pflegewissenschaftlerin Martina Hasseler bezeichnete das Pflege-SOS als "Sorgentelefon". Es brauche keine weiteren Meldewege, denn die Beschwerden landeten ja wieder im selben Aufsichtsapparat, es brauche Entscheidungen und ein konsequentes Handeln der Aufsichtsbehörden, sagte Hasseler im Interview mit dem BR im Juni 2022.

Das "Pflege-SOS Bayern" (Externer Link) ist montags bis donnerstags von 09:00 bis 16:00 Uhr und freitags von 09:00 bis 12:00 Uhr kostenfrei erreichbar – telefonisch unter 09621/966 966 0 sowie schriftlich per E-Mail an pflege-sos@lfp.bayern.de.

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