Die Chemikalien PFAS belasten an vielen Orten in Bayern Böden und Gewässer. "PFAS" steht für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen oder -verbindungen. Es gibt Tausende von ihnen, einige werden schon seit den 1950er Jahren produziert. Früher nannte man sie "PFC". Die Chemikalien können laut der Europäischen Umweltagentur zu Gesundheitsproblemen wie Leberschäden, Schilddrüsenerkrankungen, Fettleibigkeit, Fruchtbarkeitsstörungen und Krebs führen. Experten haben die Chemikalien unter anderem in den Landkreisen Günzburg, Aichach-Friedberg, Unterallgäu und in Kaufbeuren gefunden.
Grafik: Wo in Bayern belasten PFAS Boden und Wasser?
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Grundwasser im Lechfeld großflächig mit PFAS verunreinigt
Weil das Grundwasser auf dem Lechfeld im südlichen Landkreis Augsburg großflächig durch die Chemikaliengruppe PFAS verunreinigt ist, hat jetzt das Landratsamt Augsburg noch einmal reagiert. Die Behörde forderte die für die Verunreinigung verantwortliche Bundeswehr am Militärflughafen Lagerlechfeld dringend zu Sofortmaßnahmen auf. Damit solle ein weiterer Eintrag der Chemikalien reduziert und das Trinkwasser der umliegenden Orte geschützt werden. Eine akute Gefahr bestehe aber nicht, Leitwerte im Trinkwasser seien nicht überschritten, so das Landratsamt Augsburg auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks.
PFAS im Lechfeld kommen von Löschschaum
Betroffen sind vor allem die Stadt Königsbrunn mit ihren fast 28.000 Einwohnern und Lechfeldgemeinden wie Oberottmarshausen, Klosterlechfeld und Untermeitingen. Wie das Landratsamt Augsburg mitteilt, gilt der Militärflughafen Lagerlechfeld als Ursache und Quelle des Eintrags, vor allem ein ehemaliges Feuerlösch-Übungsbecken und die ehemalige Feuerwache. Insgesamt spricht das Landratsamt von fünf Verdachtsflächen, die für die Verunreinigung mit PFAS in Frage kommen. Das habe zu einer "relativ weitreichenden Ausbreitung der PFAS-Belastung im Schutzgut Grundwasser" geführt. Die Chemikaliengruppe PFAS stammt hier aus Löschschaum, den die Bundeswehr früher bei Feuerschutzübungen verwendet hat.
Bundeswehr soll PFAS-belastete Bereiche abdecken
Zusammen mit dem Wasserwirtschaftsamt habe man darum die Bundeswehr am Militärflughafen Lagerlechfeld aufgefordert, als Sofortmaßnahme die stark mit PFAS belasteten Bereiche mit Planen abzudecken und weitere Untersuchungen über die Ausbreitung von PFAS anzustellen. Mit der Abdeckung durch Planen soll verhindert werden, dass Regen die Chemikalien weiter ins Grundwasser spült und PFAS so letztlich ins Trinkwasser gelangen kann.
Keine Überschreitung der PFAS-Leitwerte im Landkreis Augsburg
Die Wasserversorgungen Lechfeld und Königsbrunn haben bereits Proben aus ihren Trinkwasserbrunnen untersucht. Auch die Trinkwasserversorgung von Einzelgehöften im Süden Königsbrunns, die nicht an das öffentliche Trinkwassernetz angeschlossen sind, wurde entsprechend analysiert, so das Landratsamt. Auch dort wurden keine Überschreitungen der Leitwerte festgestellt, erklärte das Landratsamt Augsburg.
PFAS-Belastungen im Landkreis Günzburg unter Beobachtung
Im Landkreis Günzburg gibt es derzeit drei Stellen, die vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth beobachtet werden. Dieses Monitoring findet beim ehemaligen Nato-Übungsplatz in Leipheim sowie an jeweils einer Stelle der Mindel und an einer Einmündung der Donau statt. Bei den beiden Letzteren sei die Quelle der Schadstoffe bisher nicht bekannt, sagte der Fachbereichsleiter für Grundwasser- und Bodenschutz Rüdiger Zischak. Er machte aber deutlich, dass die Belastung sehr gering sei. Im Fall Leipheim sieht das allerdings anders aus.
Ehemaliger Nato-Übungsplatz in Leipheim: PFAS im Grundwasser
In Leipheim steht seit einigen Jahren auf dem ehemaligen Nato-Übungsplatz das Industriegebiet "Areal Pro". Im Zuge der Bauarbeiten waren damals die Belastungen mit PFAS-Chemikalien entdeckt worden. Daraufhin hat laut Zischak eine Sanierung stattgefunden, die auch Abdeckung genannt wird. Dabei wird die kontaminierte Erde unter viele Schichten von unterschiedlichem Material gebracht, sodass ein Austritt von Schadstoffen nicht mehr möglich ist. Das funktioniert demnach gut in Leipheim. Probleme macht nach Zischaks Worten aber der bereits ausgetretene Schadstoff. Denn der habe sich mittlerweile nach Norden in tiefere Grundwasserschichten verlagert. Auch hier werde die Lage weiter beobachtet, eine direkte Gefahr bestehe nicht, so Zischak.
Giftige Chemikalien in der Friedberger Ach
Seit 2019 weiß das Landratsamt Aichach-Friedberg, dass die Friedberger Ach mit PFAS belastet ist. Das Landratsamt geht im Moment davon aus, dass die giftigen Chemikalien vom ehemaligen Fliegerhorst in Penzing kommen. Dort hat die Feuerwehr jahrelang Übungen mit Löschschaum gemacht, der PFAS enthielt. Mittlerweile ist dieser Löschschaum verboten. Damals kam er durch die Übungen auf den Boden und dann ins Grundwasser. Und dadurch auch in den "Verlorenen Bach", der in der Nähe des ehemaligen Fliegerhorsts entspringt. Der Bach, der weiter unten zur Friedberger Ach wird, fließt mitsamt den giftigen Stoffen über etwa 100 Kilometer durch insgesamt fünf Landkreise: Landsberg am Lech, Aichach-Friedberg, Augsburg, Donau-Ries und Neuburg-Schrobenhausen, wo er dann bei Rennertshofen in die Donau mündet.
Was bringt Sanierung in Penzing?
Auf dem Gelände in Penzing hat man jetzt das Feuerlöschübungsbecken abgedeckt. Das heißt: Der Regen kann die Chemikalien, die im Boden sind, nicht mehr weiter ins Grundwasser auswaschen. PFAS sind aber sehr schwer abbaubar und bleiben weiterhin in der Ach. Oliver Born ist der Fischereifachberater im Bezirk Schwaben und er sagt, dass sich die Fischer vom Abschluss der Sanierung auf dem Fliegerhorst in Penzing keine Entspannung in absehbarer Zeit erhoffen. Eben weil PFAS hartnäckige Chemikalien sind, die erst mal im Fluss bleiben und sich leider auch in den Fischen anreichern. Da die Fischer vor Ort wissen, dass das nicht schnell behoben werden kann, herrscht eine gewisse Verzweiflung. Einige Flussabschnitte werden nicht mehr befischt und das wird wahrscheinlich für die nächsten Jahre so bleiben.
PFAS in Fischen im Verlorenen Bach und in Friedberger Ach
Bürger und Bürgerinnen sollen die Fische aus dem Verlorenen Bach, der Friedberger Ach und den Mühlhauser Weihern nicht zu oft essen. Laut Landratsamt sind sie nicht für den dauerhaften Verzehr geeignet. Beprobt wurden im Juli und September 2020 zum Beispiel Aal, Hecht, Bachforelle und Flussbarsch. Sie waren unterschiedlich stark mit PFAS belastet. Das Landratsamt schreibt dazu in einer Pressemitteilung: "Auch wenn keine akute Gesundheitsgefahr gegeben ist, wird vom regelmäßigen Verzehr der Fische abgeraten." Mit dem Wasser aus der Ach sollten auch weder Obstbäume noch Gemüse gegossen werden. Zumindest hier gibt es jetzt Entwarnung. Laut Landratsamt können Obst und Gemüse - in den normalen Mengen - unbedenklich gegessen werden, auch wenn es mit dem Flusswasser gegossen wurde.
Ein Sprecher des Landratsamtes Aichach-Friedberg sagte, dass es künftig vielleicht die Möglichkeit geben könnte, dass Menschen, die in den betroffenen Gebieten wohnen, Obst, Gemüse oder ihren Boden vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) untersuchen lassen können. Mehr Informationen dazu gibt es, wenn es soweit ist, auf der Internetseite des Landratsamtes Aichach-Friedberg.
PFAS in Memmingerberg: Krebsbach und Günz belastet
Auch in der Umgebung des ehemaligen Fliegerhorsts in Memmingerberg, dem heutigen Allgäu Airport bei Memmingen, wurde stellenweise eine PFAS-Belastung nachgewiesen. Diese stammt "nach derzeitigem Kenntnisstand aus dem Einsatz PFAS-haltiger Löschschäume während der vorangegangenen militärischen Nutzung des Flughafens", erklärte das Landratsamt Unterallgäu auf BR-Anfrage. So wurden laut dem Landratsamt bei Fischen aus Teilen des Krebsbachs, der westlichen Günz und der Günz "deutlich erhöhte PFAS-Werte" nachgewiesen. Die Behörde empfiehlt deshalb, auf den Verzehr von Fischen aus diesen Gewässern zu verzichten und stellt auf ihrer Website eine Karte bereit, in der die Bereiche der Gewässer markiert sind, in denen die Verzehrwarnung gilt.
Fische in Günz und Krebsbach: Amt warnt vor regelmäßigem Verzehr
Panik scheint jedoch nicht angebracht: Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit weist darauf hin, dass etwa durch den einmaligen Verzehr belasteter Fische "eine akute Gesundheitsgefahr nicht gegeben" ist. Allerdings sollte der Fisch "nicht über einen längeren Zeitraum und regelmäßig verzehrt werden".
Krebsbach in Ungerhausen ist nicht mit PFAS belastet
"Ausdrücklich nicht betroffen" von einer bedenklichen PFAS-Belastung ist laut Landratsamt die Trinkwasserversorgung der Gemeinde Ungerhausen nordöstlich des Flugplatzes, wo der Krebsbach vorbeifließt. Empfohlene Leitwerte des Umweltbundesamtes würden bei regelmäßigen Untersuchungen immer deutlich unterschritten.
Das Wasserwirtschaftsamt Kempten betreibt laut Amtsleiter Karl Schindele ein regelmäßiges Monitoring der festgestellten PFAS-Belastungen im Umfeld des früheren Fliegerhorsts. Die Werte seien dabei weitestgehend gleichbleibend. Als Gegenmaßnahme wurde der Bereich des Feuerlöschübungsbeckens auf dem ehemaligen Militärflughafen mit einer Asphaltschicht abgedeckt, damit kein Niederschlagswasser mehr eindringen und die Chemikalien zum Beispiel ins Grundwasser weitertragen kann.
Über mögliche weitere Sanierungsmaßnahmen ist laut Landratsamt noch nicht entschieden. Man habe dazu gegenüber dem Bundesministerium für Verteidigung als Verursacher der Verunreinigung eine Detailuntersuchung angeordnet. Über eine Klage des Ministeriums gegen diese Anordnung stehe eine Gerichtsentscheidung noch aus, heißt es auf BR-Anfrage.
Fliegerhorst Kaufbeuren: Geringe PFC-Belastung an Löschübungsbecken
Auch auf dem Fliegerhorst in Kaufbeuren kam es beim Einsatz von Löschschaum zu einer PFC-Belastung – wenn auch nur in geringem Maße. In einem eigens dafür eingerichteten Übungsbecken auf dem Gelände hat die Fliegerhorst-Feuerwehr über längere Zeit Lösch-Einsätze geübt. Dabei ist es laut der Stadt Kaufbeuren vermutlich zu „Spritzverlusten“ gekommen, sodass kleinräumige Verunreinigungen im Bereich des Übungsbeckens entstanden.
Nach Angaben der Stadt bestand zu keiner Zeit eine Gefahr für das Trinkwasser in Kaufbeuren. Messungen hätten keinerlei Nachweise von PFC-Belastungen im Grundwasser ergeben, teilte ein Sprecher auf BR-Anfrage mit. Auch aktuell bestehe keine Gefahr: Im April 2022 sei an nur einer Messstelle ein PFC-Wert ermittelt worden. Dieser habe bei 0,003 µg/l mit den Einzelsubstanzen PFHxs PFOS und PFNA jeweils bei 0,001 µg/l gelegen – und damit weit unterhalb der für Bayern gültigen Schwellenwerte.
Zu der PFC-Belastung auf dem Kaufbeurer Fliegerhorst gab es bereits eine orientierende und zusätzlich eine Detailuntersuchung. Der Abschlussbericht zu der Orientierenden Erkundung wurde dem Umweltamt der Stadt Kaufbeuren von der Bundeswehr nach Angaben der Stadt im Oktober 2016 zur Verfügung gestellt. Im Herbst 2022 soll die nächste Beprobung des Grundwassers mit anschließender Bewertung durch einen Gutachter stattfinden.
Verdachtsfälle in Füssen und Kempten
Laut dem Bayerischen Umweltministerium gibt es auch in der Allgäu-Kaserne in Füssen einen Verdacht auf eine PFAS-Belastung durch Löschschaum. Die Erhebung laufe. In Kempten gibt es einen nach Angaben des Ministeriums einen weiteren Verdachtsfall auf dem Gelände einer ehemaligen Galvanik. Dieser Fall befinde sich im Status der Detailuntersuchung.