Schnee liegt auf der Umweltforschungsstation des Schneefernerhauses auf der Zugspitze.
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Umweltforschungsstation des Schneefernerhauses auf der Zugspitze

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Neuer Informationsdienst warnt vor Naturgefahren in den Bergen

Erdrutsche, Felsstürze und andere Naturgefahren werden häufiger in den Alpen: Ein neuer Informationsdienst soll diese Risiken künftig beobachten – und bei Gefahr warnen. Dafür arbeiten Forschung, Politik und Verbände länderübergreifend zusammen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Welche Gefahren entstehen durch den Klimawandel in den Bergen? Wie können Felsstürze und Murenabgänge vorhergesagt werden? In der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus auf der Zugspitze ist jetzt ein neues Zentrum zur Vorhersage von alpinen Naturgefahren aus der Taufe gehoben worden. Die Federführung hat die Forschungsgruppe von Professor Michael Krautblatter von der Technischen Universität München (TUM). Unter dem Namen "TUM – Alpha" (Center for Alpine Hazards and Risks) haben sich rund 50 Wissenschaftler, Touristiker, Behördenvertreter und Nicht-Regierungsorganisationen wie Bergwacht und Alpenvereine aus vier Alpenländern vernetzt. Ziel ist es, die mit dem Klimawandel verbundenen Gefahren genauer vorhersagen und Maßnahmen besser koordinieren zu können.

Dieser Informationsdienst für Naturgefahren wird auch in Österreich und der Schweiz aufgebaut. Für die Vorhersage von Hangbewegungen spielen für die Forscher das mechanische Verhalten und das Monitoring von Permafrostböden in instabilen Felshängen sowie mechanische Modelle eine zentrale Rolle. Das neue Zentrum für alpine Gefahren soll nicht nur Daten liefern, sondern auch einen Plan, was dann zu tun ist.

Warum die Risiko-Vorhersage so wichtig ist

Solche Naturgefahren passieren in einigen Bereichen der Alpen immer häufiger – und treffen gleichzeitig auf immer mehr Infrastruktur in den Alpen sowie einen "erhöhten Freizeitnutzungsdruck", das bedeutet: Es sind mehr Menschen unterwegs, die geschädigt werden können. Da die Möglichkeiten der Verbauung begrenzt sind, kommt dem besseren Verständnis und der Vorhersage alpiner Naturgefahren eine Schlüsselfunktion zu, um mit den wachsenden Risiken besser umzugehen.

Nach den Worten von Geologe Krautblatter gibt es in Bayern über 200 murenfähige Rinnen und Wasserläufe, von denen etwa 30 das Potenzial für eine Gefährdung von Tallagen hätten. Für diese Gefährdungen haben er und sein Team eine Technik entwickelt, wie man Gesteinsbewegungen mit seismischen Geräten messen und größere Erdrutsche und Hangbewegungen voraussagen kann.

Rechtzeitige Warnung per SMS

Wenn über mehrere Tage Geröll und Gestein in Bewegung sind, beispielsweise nach Unwettern, werden diese Bewegungen per SMS an die Forscher übermittelt. Diese können – wenn Gefahr im Verzug ist – dann entsprechend warnen. "Weil, wenn der Niederschlag kommt, ist es zu spät", sagt der Forscher. "Wir müssen schon vorher vorbereitet sein. Die Gemeinde muss wissen, was kommt." Das gelte vor allem auch für die Sicherung auf Wegen, auf denen extrem viel los sei. Als Beispiel nennt der Geologe die Partnachklamm bei Garmisch-Partenkirchen, die in Spitzenzeiten von 14.000 Menschen am Tag besucht wird. "Da darf eigentlich fast nichts mehr passieren", sagt Krautblatter.

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Wurde auf der Zugspitze aus der Taufe gehoben: das "TUM – Alpha".

Tiroler blicken mit Sorge zum Allgäuer Hochvogel

Krautblatter betreibt im Allgäu ein Forschungsprojekt, wo mit Messgeräten vorhergesagt werden soll, wann der Gipfel des 2.592 Meter hohen Hochvogels auseinanderbricht. Dort wird erwartet, dass in den nächsten ein bis fünf Jahren mehrere Hunderttausend Tonnen Gestein auf Tiroler Gebiet abstürzen. "Der Hochvogel bewegt sich wirklich schnell", berichtet Krautblatter, "wir haben Spalten, die öffnen sich drei, vier Zentimeter im Jahr – es sind schon 140.000 Kubikmeter runtergefallen in den letzten Jahren." Der Geologe ist zuversichtlich, dass er und sein Team zwei, drei Tage vor dem Auseinanderbrechen des Gipfels alle Verantwortlichen präzise warnen können. Über die neue Alpha-Plattform können auch andere vom Klimawandel betroffene Gemeinden oder Täler in den Alpen in gefährdeten Bereichen entsprechende Messgeräte zur Vorhersage einbauen lassen.

Die Gemeinde Hinterhornbach im Tiroler Lechtal hat bereits spezielle Szenarien für den Ernstfall erarbeitet. Vorsichtshalber wurden Wege gesperrt – der erwartete Felssturz soll bewohnte Bereiche des Tales nicht erreichen.

In Österreich gab es im Juni einen massiven Felssturz am Fluchthorn in Vorarlberg. Schon hier sei es wichtig gewesen, "dass man über die Landesgrenzen hinausschaut", sagt der Tiroler Landesgeologe Thomas Figl aus Innsbruck. Die neue Plattform werde die Zusammenarbeit weiter verbessern. Da gehe es neben dem fachlichen auch um den persönlichen Austausch, damit man im Fall der Fälle wisse, "wen man anrufen muss".

Mehr Murenabgänge und Bergrutsche auch in Oberbayern

Solche massiven Bergstürze wie in Vorarlberg oder wie am Hochvogel vorausgesagt hat Oberbayern im Moment nicht zu befürchten. Doch sagen die Fachleute, dass Murenabgänge und Bergrutsche auch in Oberbayern – zum Beispiel nach Starkregenereignissen – zunehmen werden.

BR24-Video zum Thema:

Das Team von Geologe Michael Krautblatter auf dem Gipfel des Hochvogels im Allgäu.
Bildrechte: BR
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Wann bricht der Gipfel des Hochvogels auseinander?

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