Der Angeklagte im Prozess um den tödlichen Raser-Unfall vor dem Landgericht Augsburg
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Der Angeklagte im Prozess um den tödlichen Raser-Unfall vor dem Landgericht Augsburg

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Tödlicher Raser-Unfall: Fahrer zu fünf Jahren Haft verurteilt

Fünf Jahre Freiheitsstrafe: So lautet das Urteil für einen 54-Jährigen nach einem Raser-Unfall mit 150 Stundenkilometern. Eine junge Frau kam dabei ums Leben. Zudem darf der Mann vier Jahre lang nicht Auto fahren, urteilte das Augsburger Landgericht.

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Ein 54-Jähriger wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, weil er laut den Richtern für den Unfalltod einer jungen Frau verantwortlich ist. Die Frau saß auf dem Beifahrersitz seines getunten Geländewagens, mit dem er im Sommer vergangenen Jahres in einem Augsburger Industriegebiet auf knapp 150 Stundenkilometer beschleunigt haben soll - um vor den Freunden der 21-Jährigen anzugeben, aus "Profilierungssucht", wie es die Anklage formuliert.

Anklage hatte härteres Urteil gefordert

Als der Vorsitzende Richter Michael Schneider das Urteil verkündet, ist es erst mucksmäuschenstill im Saal. Dann aber beginnt eine Frau aus dem Angehörigenkreis sofort an zu weinen, als verkündet wird, dass dem Angeklagten der Führerschein nur für vier Jahre entzogen werden soll. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger hatten ein lebenslanges Fahrverbot wegen der Todesfahrt vom August 2022 gefordert.

Seelische Wunden bleiben

Der Richter geht zu Beginn noch einmal detailliert auf den Ablauf des Unfalls ein: 41 Meter weit sei das Auto über Asphalt gerutscht, bevor es über eine Böschung schanzte auf einen Parkplatz, durch einen Zaun rauschte und dann noch einmal abhob, um dann in einer Einkaufswagensammelbox zu landen. Ein Holzteil aus dem Zaun verletzte die junge Frau auf dem Beifahrersitz so sehr am Kopf, dass sie sofort starb. Die Mitfahrer seien nur leicht am Körper verletzt worden, die seelischen Folgen des Unfalls für die beiden seien aber kaum fassbar, so der Richter. Es sei absolut nachvollziehbar, dass es ihm sehr schlecht gehe, sagt Michael Schneider an die Adresse des Freundes der verstorbenen Frau. Der junge Mann hört der Urteilsbegründung weinend zu, seine Anwältin legt ihm tröstend die Hand auf den Rücken. Auch der Vater und der Bruder der Getöteten verfolgen die Urteilsverlesung.

Motiv bis heute unklar

Der Angeklagte selbst sieht aus, als hätte er eine schlaflose Nacht hinter sich, grau im Gesicht, eingefallen, im grauen Sweater. Er nimmt das Urteil weitgehend regungslos hin, blickt aber immer wieder zu den Angehörigen der Getöteten. Der 54-Jährige hatte eine eigene kleine Kfz-Werkstatt geerbt und pflegt ein Faible für Modellautos, wie Zeugen aussagten. Er hielt sich immer wieder in der Tunerszene an einer Tankstelle im Augsburger Norden auf, fährt aber normalerweise wie ein Rentner, so hat es ein Zeuge formuliert. Was sein Motiv war, die jungen Leute an jenem Tag im August 2022 einzuladen zu einer Spritzfahrt, was ihn immer wieder dahin gezogen hat, warum er immer wieder von seinem PS-starken Auto schwärmte, das gar nicht sein eigenes war, sondern das er für Botenfahrten benutzen durfte: Das sei bis jetzt unklar, sagt der Richter. "Dieses Fragezeichen ist nicht aufzulösen gewesen". Eine psychische Erkrankung liege jedenfalls nicht vor, stellte der Richter fest. Der Angeklagte habe den Tod der Mitfahrer aber auf jeden Fall billigend in Kauf genommen.

Vertrauen der Mitfahrer missbraucht

Der Freund der Getöteten leidet bis heute an Panikattacken infolge des Erlebten, die junge Frau war vor seinen Augen im Wagen gestorben. Der Angeklagte wurde heute daher vom Gericht auch wegen zweifacher fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Er habe das Vertrauen der jungen Menschen missbraucht, er habe eben nicht wie ein "Tuning-Chaot" gewirkt, die Mitfahrer hätten keinen Anlass gehabt, nicht einzusteigen. Die Getötete wollte nicht einmal mitfahren, so der Richter. Ihr Freund schon, er wollte die Frau aber auch nicht allein an der Tankstelle zurücklassen, und hatte sie gebeten, mitzukommen. "Er wollte alles richtig machen", so der Richter. Das Auto sei technisch in Ordnung gewesen, auf einen Reifenplatzer, wie der Angeklagte gemutmaßt hatte, gebe es keine Hinweise. Unfallursache sei ausschließlich das viel zu hohe Tempo gewesen.

Richter spricht von "sinn- und hirnloser" Raserei

Ein Zeuge einer früheren Fahrt hatte angegeben, das Auto sei wie von einer Steinschleuder abgeschossen losgerauscht. Der Zeuge hatte es bei der Fahrt "mit der Angst bekommen", der Angeklagte hätte darauf "herablassend" reagiert und auf dem Rückweg extra noch einmal beschleunigt. Das Geländefahrzeug habe zudem keine gültige Betriebserlaubnis gehabt, wie der Richter feststellte. "Sinn- und hirnlos" sei die Fahrt gewesen, eine "dem normalen Menschen völlig unverständliche Raserei". Zurück blieben mehrere "schwer traumatisierte junge Menschen und eine junge Frau, die ohne Anlass aus dem Kreis ihrer Familien und ihrer Freunde gerissen wurde", so der Richter.

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