Zwei Kreuzottermännchen beim Kommentkampf.
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Die einst häufigen Kreuzottern sind im Fichtelgebirge nur noch selten zu sehen.

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Kreuzottern: Nachzucht soll Bestand sichern

Früher musste man sich vor ihnen in Acht nehmen, heute muss man sie suchen: Kreuzottern stehen auf der Roten Liste bedrohter Tierarten. In Bayreuth werden die Schlangen seit einigen Jahren gezüchtet und ausgewildert. Ergänzt durch "Dein Argument".

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Fütterung im Terrarien-Club Bayreuth und Umgebung: Harry Wölfel hält einer jungen Kreuzotter eine tote Baby-Maus vors Maul. Es dauert ein paar Sekunden, dann schnappt die Schlange zu. Wenige Minuten später hat sie die Maus verschlungen. Wölfel züchtet die Schlangen, um sie später auszuwildern. Sein Ziel: Die Art vor dem Aussterben zu bewahren.

Schlangenpflege als Hobby

Harry Wölfel ist zufrieden. Noch ein paar Wochen, dann sind die jungen Kreuzottern, die im Juli zur Welt kamen und jetzt etwa zehn Zentimeter lang sind, groß genug, um ins Außengehege des Terrarien-Clubs umzuziehen. Die Schlangen sind das große Hobby von Harry Wölfel. Er ist Vertriebsleiter bei einem Bayreuther Unternehmen und widmet Bayerns einzigen Giftschlangen jede freie Minute. Im Jahr 2017 hat er im Auftrag der Regierung von Oberfranken einige Exemplare im Bereich einer Autobahnbaustelle eingefangen. In seiner Obhut vermehren sie sich seitdem regelmäßig. Aktuell hat er rund 80 Tiere. Die meisten sind Nachzuchten der damals eingefangenen Exemplare.

Kreuzottern sollen zurück in die freie Natur

Heute will Wölfel fünf der Kreuzottern im südlichen Landkreis Bayreuth auswildern. Die Schlangen sind drei bis vier Jahre alt, etwa einen halben Meter lang und geschlechtsreif. Die Tiere sind gesund und bereit, im Wald künftig selbst Beute wie kleine Mäuse, Grasfrösche oder Eidechsen zu jagen. Bevor sie ausgesetzt werden, wird jede einzelne Kreuzotter dokumentiert. Das soll später helfen, die Schlangen zu identifizieren.

Dazu fotografiert Wölfel insbesondere die Kopfbeschilderung der Tiere. Denn die ist bei jeder Schlange individuell und damit so etwas wie ein Fingerabdruck beim Menschen. Anhand der Kopfbeschilderung kann Wölfel die einzelnen Exemplare auch nach Jahren identifizieren. Im Idealfall findet er sie im Wald auch wieder. Denn Kreuzottern seien sehr standorttreu. Die Chancen für ein Wiedersehen stünden also gar nicht schlecht, schmunzelt Wölfel.

Eine Kreuzotter schlängelt sich durch das Gebüsch.
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Damit die Kreuzottern nicht aussterben, züchtet Harry Wölfel vom Terrarien-Club Bayreuth die Tiere nach und wildert sie aus.

Massiver Rückgang der Population

Seit Jahren findet Harry Wölfel immer weniger Kreuzottern in freier Natur. Vor allem der massive Anstieg des Verkehrs und der Klimawandel würden den Schlangen zu schaffen machen, erklärt er. Durch die Nachzuchten versucht Wölfel, die Population der Tiere wieder zu stärken. Auch im nahegelegenen Fichtelgebirge, wo es eine der größten Kreuzottern-Populationen in Bayern gab, verzeichnen Experten einen deutlichen Rückgang. Das sei erschreckend, denn das Fichtelgebirge bietet mit seinen vielen Mooren und Hochebenen seit jeher einen idealen Lebensraum für die Kreuzotter, die es eher kühl und feucht mag. Doch seit Jahren scheint die Anzahl der Tiere auch hier immer mehr zu schrumpfen.

Andreas Hofmann ist Naturparkranger im Naturpark Fichtelgebirge und sorgt sich sehr um die mittlerweile vom Aussterben bedrohten Schlangen: "Wenn man die alten Berichte liest oder von den älteren Einwohnern im Fichtelgebirge hört – Früher konnte ich nicht in die Blaubeeren gehen, ohne auf eine Kreuzotter zu treten oder auch die Warnung: Wenn Du in die Pilze gehst, pass auf die Kreuzotter auf – passt das gar nicht mehr zu dem Bild, das sich uns heute bietet."

"Mittlerweile muss man die Schlangen wirklich suchen." Andreas Hofmann, Naturparkranger

Bei der Auswilderung seiner Kreuzottern bekommt Harry Wölfel Unterstützung von den örtlichen Forstbetriebsmitarbeitern. Sie weisen den Schlangenexperten immer wieder auf Stellen im Wald hin, die als Lebensraum für die Reptilien geeignet sind. Heute zeigt ihm Forstbetriebsleiterin Lea Franz eine helle Lichtung unweit der Autobahn, wo er seine jungen Schlangen auswildern könnte. Diese sagt auch Harry Wölfel zu. Hier gibt es viele alte Baumwurzeln und dichtes Gras, dazu Sträucher und Felsen. Die Schlangen müssten hier ausreichend Möglichkeiten finden, sich zu verstecken und dürften, so glaubt Wölfel, genügend Eidechsen, Frösche und kleine Mäuse jagen können, um gut zu überleben.

Ab in die Freiheit

Mit einem gebogenen Metallstab hebt Harry Wölfel die Kreuzottern vorsichtig aus der Transportbox und setzt sie sanft auf den Waldboden. Es dauert nur ein paar Sekunden, dann sind zwei der Schlangen schon unter einer Wurzel verschwunden, der Rest schlängelt sich unter ein dichtes Grasbüschel. Für Forstbetriebsleiterin Lena Franz ist es immer wieder aufregend, bei der Auswilderung von Kreuzottern dabei zu sein. Sie freut sich, dass sie die Schlangen endlich mal zu Gesicht bekommt. "In freier Natur habe ich noch nie eine Kreuzotter entdeckt", bedauert sie. Harry Wölfel hofft, dass sich die Schlangen nun gut einleben und vermehren. Mit ein bisschen Glück könnten sie bereits im nächsten Sommer Nachwuchs bekommen.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion aufgrund von Kommentaren etwa des Nutzers "Roland123" zum Verhalten nach einem Schlangenbiss im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt.

Wenn ein Mensch dann einem dieser Tiere begegnet, ist bei Giftschlangen grundsätzlich Vorsicht geboten. Aber: Laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt liegt der letzte eindeutige Todesfall eines Menschen in Bayern nach dem Biss einer Kreuzotter mehr als 50 Jahre zurück. Im Normalfall sei ein Biss also nicht tödlich. Das Gift schwäche meist den Kreislauf und verursache Übelkeit und Blutungen. In Extremfällen könne es zu einem Schock kommen. Wichtig sei es daher, immer einen Arzt aufzusuchen. Per Notruf geben die Experten dann weitere Informationen, sofern notwendig. Zudem sollten Gebissene Ruhe bewahren und Anstrengungen vermeiden. Weiter besteht das Risiko einer bakteriellen Infektion in Folge des Bisses. Eine Beobachtung und eine Behandlung durch einen Arzt ist daher wichtig. 💬

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