In diesem Hotel in Poschetsried sind Flüchtlinge untergebracht.
Bildrechte: BR/Renate Roßberger

In diesem Hotel in Poschetsried sind Flüchtlinge untergebracht.

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Kleines Dorf, große Flüchtlingsunterkunft - klappt das?

Rabenstein - mit 650 Einwohner - wehrt sich gegen die Pläne, dass dort ein Vier-Sterne-Hotel zur Asylunterkunft wird. Auch das 40-Seelen-Dorf Poschetsried fand sich 2016 zu klein für eine so große Einrichtung, sie kam dennoch. Wie läuft es heute?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Bürgerprotest, eine Petition, am Ende sogar ein Gerichtsprozess – die Dorfgemeinschaft von Poschetsried im Landkreis Regen hatte sich 2016 mit allen Mitteln gegen die Einrichtung einer Gemeinschaftsunterkunft in einem ehemaligen Hotel gewehrt. 110 Asylbewerber in einem Dorf mit nur 40 Einwohnern, das passe nicht zusammen, war damals das Argument. Doch der Protest war vergebens.

Denn die Not der Behörden, genug Unterkünfte für Geflüchtete zu bereitzustellen, war schon damals groß. Die Regierung von Niederbayern mietete das frühere große Hotel in Poschetsried an, trotz des Widerstands der Dorfbevölkerung. Momentan sind dort 99 Personen untergebracht.

Bürgermeister: Lage ruhig, keine Vorfälle

Seitdem scheint es ruhig geworden zu sein um die Unterkunft. Poschetsried gehört zur Kreisstadt Regen, in der ohnehin schon viele Geflüchtete in Mietwohnungen leben, deren Asylantrag anerkannt wurde. Bürgermeister Andreas Kroner (SPD) hört selten Beschwerden über die Unterkunft in Poschetsried, die inzwischen seit sieben Jahren besteht.

"Ich hatte schon lange nichts mehr auf dem Tisch liegen. Für mich läuft es unauffällig. Im Dorf sieht man das aber wahrscheinlich anders, weil auch das Größenverhältnis nicht zusammenpasst", sagt Kroner. Poschetsried gehört zwar zur Stadt Regen, liegt aber gut einen Kilometer außerhalb als eigenes kleines Dorf. Läden gibt es hier nicht. Auch die Asylbewerber gehen meistens zu Fuß zum Einkaufen eine kleine Straße hinunter in die Stadt.

Viele im Dorf fühlen sich trotzdem unsicher

In der Unterkunft wechseln häufig die Bewohner und es sind meist junge Männer dort untergebracht. Die Unterkunft liegt am Dorfeingang, die Häuser der Einheimischen eher am anderen Ende. Hinüber ins Dorf kommen selten Bewohner aus der Unterkunft. Trotzdem fühlen sich manche Dorfbewohner nicht mehr so sicher wie früher, wie ihre Schilderungen zeigen: "Tagsüber merkt man nichts. Die gehen aber manchmal nachts durch das Dorf, wahrscheinlich nur spazieren. Aber es ist ein ungutes Gefühl, weil man die Leute nicht kennt." Oder: "Ich bin 81 Jahre alt, ich gehe abends nicht mehr alleine raus", sagt eine Poschetsrieder Dorfbewohnerin.

Es gab allerdings noch keine Vorfälle. Viele Dorfbewohner möchten aber informiert werden, auch wenn mal die Polizei im Heim vorbeischaut. "Wir sind nicht ausländerfeindlich", das haben die Poschetsrieder schon 2016 immer wieder betont. Ein junger Syrer, der inzwischen anerkannt ist und arbeitet, sei bei allen Dorffesten mit dabei. Eine Rentnerin hat sich um einen jungen Afghanen gekümmert, der dann aber abgeschoben wurde. Das habe sie geärgert, denn der junge Mann hatte einen Arbeitsplatz, war gut integriert. "Da wurde der Falsche abgeschoben", schimpft sie.

Integrationslotse: Heim wird gut geführt

Der hauptamtliche Integrationslotse des Landkreises Regen, Jürgen Probst, bekommt aus dem Dorf Poschetsried so gut wie nie Beschwerden über die Unterkunft, zum Beispiel über Lärm – ganz anders als in manchen anderen Orten. "Die Nachbarn in Poschetsried hatten zu mir noch gar keinen Kontakt. Von daher gehe ich davon aus, dass sie es akzeptiert oder aber resigniert haben", schildert er.

Die Gemeinschaftsunterkunft, die die Regierung von Niederbayern betreibt, werde gut geführt, versichert Probst. Es gebe zum Beispiel einen eigenen Trakt für Frauen und Familien. Bei der Zimmerbelegung achte die Heimleitung darauf, dass die Leute zusammenpassen, um Reibereien zu verhindern.

"Asylbewerber sollen arbeiten für ihr Geld"

Die große Unterkunft schürt bei manchen Poschetsriedern die Kritik an der deutschen Asylpolitik. Asylbewerber sollten arbeiten müssen für das Geld, das sie beziehen, sagt eine Poschetsriederin. Sonst entstehe ein Ungleichgewicht zu Deutschen, die zum Beispiel mit wenig Rente auskommen müssen. Die Zuwanderung müsse begrenzt werden, sagt eine andere, sonst kollabiere das Sozialsystem. Von der Politik, die nicht mehr "zuhört", fühlen sich manche in Poschetsried im Stich gelassen. Man hofft, dass der Zehn-Jahres-Mietvertrag für das Gebäude, der 2026 ausläuft, nicht mehr verlängert wird. Poschetsried habe seine "Pflicht erfüllt", heißt es unter den Dorfbewohnern. Dann müssten auch mal andere Orte ran.

Sogar ehrenamtliche Flüchtlingshelfer, wie Karl Zimmermann, aus Regen finden, dass Asylbewerber arbeiten sollen. Das würde viel Luft aus der gesellschaftlichen Debatte nehmen, sagt er. Auf der anderen Seite würde er sich wünschen, dass Leute aus dem Dorf ehrenamtlich in der Unterkunft helfen, so wie der kleine Regener Helferkreis. Der unterstützt die Asylbewerber zum Beispiel beim Deutschlernen oder bei Behördenerledigungen. Dann hätten sie auch mehr Verständnis für die Situation von Geflüchteten, findet Zimmermann.

Wie erfolgt überhaupt die Verteilung von Geflüchteten?

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt. Hintergrund sind Kommentare unter anderem des Users "Agan" zu Verteilmechanismen von Geflüchteten innerhalb Bayerns.

Grundsätzlich erfolgt die Verteilung von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine auf die Bundesländer nach dem "Königsteiner Schlüssel". Innerhalb Bayerns greifen dann Quoten, die in § 3 der Asyldurchführungsverordnung aufgelistet sind. Diese richten sich nach der Einwohnerzahl. Es gibt Quoten für alle bayerischen Regierungsbezirke, Landkreise und kreisfreien Städte. Für die Verteilung innerhalb der Landkreise und kreisfreien Städte ist laut dem bayerischen Innenministerium kein fester Verteilschlüssel vorgegeben. Die Verteilung obliege den Kreisverwaltungsbehörden, "die unter Berücksichtigung der konkreten Umstände vor Ort agieren". 💬

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