Klasse beim Ausflug vor dem Zugspitzmassiv
Bildrechte: BR / Erik Häußler

Schulausflug extrem: Förderschule auf Klassenfahrt

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Kampf um den Erfolg - eine Förderschule erklimmt die Zugspitze

Eine Münchner Förderschule schwört auf die Erlebnispädagogik. Damit hat man schon viele Fortschritte bei Kindern mit emotionalen und sozialen Problemen gemacht. Doch sie kostet Geld. Und das ist im Förderschulbereich knapp.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Es ist die Abschiedstour von Jürgen Dobias, Leiter der Münchner Professor-Otto Speck-Schule, einer Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung. Nach 34 Jahren geht er demnächst in den Ruhestand. Schon oft hat er erlebt, wie wichtig Erfolgserlebnisse für seine Schüler und Schülerinnen sind. Denn sie haben schon viele Niederlagen einstecken müssen, sind im Regelschulsystem nicht zurechtgekommen, haben im Elternhaus oft einiges erlebt. Ihr Selbstvertrauen ist angeknackst, sie brauchen besondere Bedingungen, um noch einen Schulabschluss zu schaffen: kleine Klassen, viel Aufmerksamkeit.

Wenn aber diese Kids eine besondere Herausforderung meistern, dann habe dies auch besonders tiefgreifende Folgen. Darüber hinaus sei das Verhältnis zu den Lehrkräften nach so einer Erfahrung wie einer Wanderung auf die Zugspitze ein ganz anderes, erzählt Schulleiter Jürgen Dobias im BR-Politikmagazin Kontrovers: "Also diese Kinder, die das geschafft haben, mit denen haben wir nicht wirklich ein Problem in der Schule. Mit denen können wir arbeiten, die lassen sich auf uns ein."

Keiner der Schüler hat so eine Extremtour schon mal gemacht: Mehr als 2.000 Höhenmeter müssen sie alleine in den ersten zwei Tagen überwinden, 15 Kilometer gehen sie schon am ersten Tag zu Fuß. Es gibt steile Abschnitte, kurze Kletteretappen und lange, kaum enden wollende Wege.

Durchhaltewillen auch für das spätere Leben hilfreich

15 Lehrkräfte und Sozialpädagogen sind mit dabei. Sie müssen schließlich damit rechnen, dass einzelne Kinder trotz allem abbrechen und zurückgebracht werden müssen. Viele werden Hilfe benötigen, z. B. beim Tragen des Rucksacks, oder sehr viel Motivation von außen brauchen.

Schon gleich zu Beginn der Wanderung gibt es das erste Problem: Laura will doch nicht mitgehen, sie fühlt sich schlecht. Mehrere Pädagogen versuchen sie zunächst umzustimmen, aber es klappt nicht. Die Schülerin hat Angst, es nicht zu schaffen. Am Ende wird sie zum Bahnhof zurückgebracht und abgeholt. Die anderen halten aber durch und sind erlöst, als sie am Abend bei der ersten Übernachtungshütte ankommen. Vor dem wohlverdienten Abendessen gibt es noch ein riesiges Lob von ihren Lehrern. Auch der Schulleiter ist stolz, dass die Schüler durchgehalten haben. Genau diese Fähigkeit bräuchten sie auch im späteren Leben. Jürgen Dobias, Schulleiter der Professor-Otto-Speck-Schule: "Uns werden Kinder anvertraut, die sind aus diesem System erst mal rausgefallen und unsere Aufgabe ist es, sie wieder ins System zurückzuführen."

Alle wissen, dass der zweite Tag der schwierigste sein wird auf ihrer Wanderung zum Gipfel. Sie versuchen, möglichst viel Kraft zu tanken während der ersten Nacht im Matratzenlager der Berghütte.

Frust und pure Begeisterung wechseln sich ab bei den jungen Wanderern

Die Kontrovers-Reporter, die die Wanderung auf die Zugspitze begleiten, werden nicht nur Zeugen von schwierigen Momenten, sie dokumentieren auch die pure Begeisterung, als das Gipfelkreuz zum ersten Mal sichtbar wird oder als die Gruppe die obere Berghütte erreicht. Jetzt zeigt sich, wer sich noch einmal bis zum Äußersten verausgaben will. Lehrer Manuel Biebl spornt die Jugendlichen an und tatsächlich schaffen es sechs von Ihnen bis oben zum Gipfelkreuz. Biebl freut sich mit Ihnen: "Das war jetzt wahnsinnig schön zu erleben, wie sich die Kids da noch hochgekämpft haben."

Wie viel will die Gesellschaft tun, damit benachteiligte Kinder nicht durch das Raster fallen?

Für alle Beteiligten war es wieder mal ein Kraftakt, die Wanderung gegen alle Widerstände bis zum Ende durchzuhalten. Doch die Fachkräfte der Förderschule profitieren wie die Kinder vom Erfolgserlebnis. Wenn sich der Schulleiter Jürgen Dobias demnächst in den Ruhestand verabschiedet, weiß er, dass seine Mitarbeiter mit viel Herzblut weiter machen werden. Ein paar Sorgen hat er aber schon. Denn aus Kostengründen wird die Personaldecke im Förderschulbereich immer angespannter.

"Wenn weiterhin so personell ausgedünnt wird, also das heißt, nicht nur Personal abgezogen wird, sondern auch nicht adäquat professionell ergänzt wird, muss man sich dann schon überlegen, ob man solche Touren noch anbietet." Jürgen Dobias, Schulleiter Professor-Otto-Speck-Schule

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