Hörschutz im Klassenzimmer: Kinder und Jugendliche an Förderschulen haben im Schulalltag oftmals individuelle Bedürfnisse.
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Hörschutz im Klassenzimmer: Kinder und Jugendliche an Förderschulen haben im Schulalltag oftmals individuelle Bedürfnisse.

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"Vergessene Kinder": SPD will Lage an Förderschulen verbessern

Überlastete Lehrer, verzweifelte Eltern – die Zustände an Bayerns Förderschulen seien "katastrophal", sagt die SPD und macht die Staatsregierung verantwortlich. Zudem bringen fehlende Betreuungsplätze Familien mit behinderten Kindern in Not.

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Christoph Franken kämpfte während der Pressekonferenz mit den Tränen. "Das geht einfach so nicht weiter", sagte er. "Wir brauchen eine Nachmittagsbetreuung."

Franken ist von Beruf Schauspieler. Sein Sohn Flynn ist sieben Jahre alt. Er hat eine kognitive Behinderung, kann zum Beispiel nicht wie andere Kinder sprechen und geht auf eine Förderschule. Weil Flynn keinen Platz an der Heilpädagogischen Tagesstätte (HPT) bekommen hat und es für ihn somit nach dem Unterricht an der Förderschule um kurz nach 12 Uhr mittags keine Betreuung gibt, hat Franken sein Engagement am Münchner Residenztheater nicht verlängert. Fälle wie seinen gebe es viele, keiner von Flynns Mitschülern habe im ersten Schuljahr einen Platz an der angeschlossenen Tagesstätte bekommen, erzählte Franken.

Ab 2026 gilt in Deutschland sukzessive ein bundesweiter Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, auch für Kinder mit Behinderung. Doch es fehlt Personal, nicht nur bei der Betreuung, sondern auch an den Förderschulen selbst.

SPD-Forderung: Mehr Lehrkräfte, weniger Verwaltungsarbeit

"Das ist die vergessene Schulart, die vergessenen Kinder", sagte Simone Strohmayr, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag. Die Sozialdemokraten hatten die Pressekonferenz organisiert und Christoph Franken als betroffenen Vater eingeladen. Überlastete Lehrkräfte, vernachlässigte Kinder, verzweifelte Eltern - die Lage an den Förderschulen sei "katastrophal", so Strohmayr, dabei hätten gerade Schüler mit Lernbehinderung oft individuelle Bedürfnisse.

Die SPD stellte deshalb vier Anträge vor, mit denen sie die Situation an Förderschulen und -zentren verbessern will. Unter anderem fordern die Sozialdemokraten von der Staatsregierung mehr Lehrkräfte mit explizit sonderpädagogischer Ausbildung, weniger Verwaltungsarbeit für Lehrerinnen und Lehrer, dafür zusätzliche Stellen für Psychologen oder Pflegekräfte, um den Unterricht in sogenannten multiprofessionellen Teams zu unterstützen.

Kultusministerium: Viele Maßnahmen werden bereits umgesetzt

CSU und Freie Wähler hätten es versäumt, sich um benachteiligte Kinder zu kümmern, das sei "eine Schande", betonte Strohmayr. Geht es nach der SPD, soll es künftig keinen gemeinsamen Unterricht für mehrere Jahrgänge geben, um so den Lehrermangel aufzufangen. Kinder könnten so nicht adäquat gefördert werden.

Das Kultusministerium teilte auf BR-Anfrage mit, dass jahrgangsübergreifende Klassen "seit Langem eine (...) pädagogische Herangehensweise" seien. Gruppen würden angepasst an die jeweiligen Bedürfnisse gebildet. Mit Blick auf einen effektiven Einsatz der Lehrkräfte müssten Mindestgrößen für Klassen beachtet werden. "Die Anträge der SPD greifen Maßnahmen auf, die bereits umgesetzt werden", schrieb das Ministerium. So seien bereits mehr Verwaltungskräfte im Einsatz und auch die multiprofessionelle Zusammenarbeit sei bereits "alltägliche Praxis".

Förderschulen fallen unter Bildungs-, Ganztagsbetreuung unter Sozialpolitik

Bei der Pressekonferenz ging es ein Stück weit um zwei verschiedene Themen: Bildungs-, aber auch Sozialpolitik. Zwar berichtete Schauspieler Christoph Franken, dass die Personallage auch an der Schule seines Sohnes angespannt sei und wegen behördlicher Vorgaben mehrfach die Assistenz von Flynn wechseln musste – insgesamt sei der Siebenjährige in der Klasse mit neun Schülerinnen und Schüler aber gut aufgehoben und fühle sich wohl. Das Hauptproblem für seine Familie sei die Nachmittagsbetreuung.

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Christoph Franken hat einen siebenjährigen Sohn, der eine Förderschule besucht.

Heilpädagogische Tagesstätten und Ganztagsbetreuung betreffen das Sozialministerium. Das teilte BR24 mit Blick auf den baldigen Rechtsanspruch von Familien mit, dass "der Freistaat auch entsprechende Plätze in HPTs fördern" werde. Mit einem Investitionsprogramm unterstütze die Staatsregierung die Kommunen dabei, ein bedarfsgerechtes Angebot auch für Kinder mit Behinderung zu schaffen – denn: "Für die Versorgung mit Plätzen in Heilpädagogischen Tagesstätten sind in der Regel die Bezirke (Eingliederungshilfe) beziehungsweise die Landkreise und Kreisfreien Städte (örtliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe) bei Kindern mit seelischer Behinderung zuständig."

Die Forderungen der SPD betreffen jedoch vor allen Dingen die Gestaltung des Unterrichts an Förderschulen und richten sich damit an das bayerische Kultusministerium. Alle Anträge der Partei werden am Donnerstag im Bildungsausschuss des Landtags debattiert.

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