Singen gegen Long-Covid
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Singen gegen Long-Covid

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Hilfe für Körper und Seele: Singen gegen Long Covid

"Singen ist wie Atmen – nur besser", heißt es. Singen und Atmen hilft auch Menschen, die an Long Covid oder Post Covid leiden. In Augsburg gibt es für Betroffene eine singende Selbsthilfegruppe. Ein besonderer Chor, mit einigen Herausforderungen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

"Singen macht Spaß, Singen tut gut. Singen macht munter und Singen macht Mut.“ – Das Lied von Komponist Uli könnte das Motto dieser ganz besonderen Selbsthilfegruppe für Long-Covid-Betroffene sein.

Gegründet hat sie Claudia Stöhler aus Augsburg. Sie selbst erkrankte im Frühjahr 2021 an Corona und fühlte sich auch nach Wochen noch müde und erschöpft. So geht es vielen Betroffenen: Atemnot, chronische Müdigkeit – auch psychische Probleme sind beim Post-Covid-Syndrom festgestellt worden. Nach ein paar Schritten die Treppe hinauf ist auch Claudia Stöhler vollkommen erschöpft. Diese sogenannte "Fatigue" nennt die "WHO" als eines der häufigsten Symptome von Long Covid. Es folgt ein Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik. Dort lernt sie ihre Zimmernachbarin Elfriede kennen.

Eine Schafherde war ihr erstes Publikum

Mit Elfriede geht sie eines Abends spazieren. Eine kleine Runde bis zu einer Bank vor einer Schafherde. Dort beginnt Elfriede einfach zu singen – und Claudia Stöhler singt mit. "Schlaflieder für die Schafe sozusagen". Noch immer weiß man nicht, wie Long Covid geheilt werden kann. Durch ihre Begegnung mit Elfriede wurde Claudia Stöhler aber auf die positiven Effekte des Singens für die Lunge und für die Seele aufmerksam, erzählt die Long-Covid-Betroffene und beschließt eine singende Selbsthilfegruppe zu gründen.

Lebensqualität deutlich verbessert

"Mit Kehle und Seele“ – so heißt die bunt gemischte Gruppe zwischen 25 und 80 Jahren. Mal sind es nur fünf Teilnehmer, mal 15 – jeder kann kommen, wie er mag und körperlich kann. Sie treffen sich seit Dezember 21 - immer montags in der evangelische Gemeinde St. Anna in Augsburg.

Mit dabei ist auch die 77-jährige Susanne Braun aus Aichach. Auch sie leidet an Long Covid und spürt nach einem halben Jahr Singen eine deutliche Besserung, aber nicht nur das: "Es macht einfach großen Spaß und der Atem ist viel besser geworden“. Die Gründerin, Claudia Stöhler, ist jedes Mal erstaunt darüber, was eine Stunde singen bewirken kann: "Sie kommen hustend hier rein und kommen gut gelaunt raus und der Husten ist nicht mehr so schlimm“. Auch Studien beweisen: Singen stärkt die Lunge, das Immunsystem und macht glücklich.

Singen und Atmen: Mehr Luft bedeutet mehr Kraft

Elisabeth Haumann ist ausgebildete Sängerin und Stimmbildnerin. Sie leitet den kleinen Chor. Zu Beginn war sie aber etwas unsicher: "Da musste ich mich erstmal einlesen, ob man bei Menschen, die Long Covid haben, etwas anders machen muss", sagt sie, "aber eigentlich nicht." Manche müssen in der ersten Singstunde nach ein, zwei Tönen schon atmen, leiden unter Kurzatmigkeit. Aber von Mal zu Mal wird es besser. Das konzentrierte Atmen beim Singen und die Ablenkung der Gedanken auf die Musik hilft ihnen, ihre Atmung und Konzentration zu verbessern. Die 77-jährige Teilnehmerin ist froh, diese Gruppe gefunden zu haben: "Manchmal komme ich sehr erschöpft hier her, aber es ist jedes Mal so schön, dass ich ganz beschwingt nach Hause gehe und die ganze Woche die Lieder trällere."

Die Finanzierung steht auf der Kippe

Die Gemeinde stellt den Proberaum und das Klavier zur Verfügung. Die Kosten für die Chorleiterin tragen in diesem Jahr noch die Krankenkassen und eine Förderung von Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber. Sie hat die Initiative 2022 für besondere Verdienste von Betroffenen für die Stadtgesellschaft ausgezeichnet. Für den Sozialpreis des Bezirks Schwaben waren sie ebenfalls nominiert, für eine Auszeichnung hat es nicht gereicht. Für nächstes Jahr wäre eine Anschlussförderung der Krankenkassen wichtig. Diese gibt es noch nicht und bereitet Claudia Stöhler Sorgen, denn "ohne dem glaube ich, dass nächstes Jahr die Gruppe stirbt.“

Der Austausch unter Gleichgesinnten ist sehr wichtig

Das gemeinsame Singen ist das eine, der Austausch das andere. In dieser kleinen Gemeinschaft finden sie Unterstützung und Verständnis. Denn nur die wenigsten können nachvollziehen, wie sehr sie unter den Folgen ihrer Corona-Infektion leiden. Auch Susanne Braun kennt die Sprüche: "Dann wird gesagt, das sei eine normale Alterserscheinung und ich soll mich mal zusammenreißen, weil ich ja gar nicht mehr positiv sei. Aber zum Glück ist hier der Support umso besser.“

Nur langsam kommt die Energie zurück

Gesund ist die Gründerin Claudia Stöhler – trotz wöchentlichen Singens – immer noch nicht. Sie muss noch sehr mit ihren Kräften haushalten. Ihren Job als Managerin musste sie an den Nagel hängen. Immerhin kann sie wieder Teilzeit als Hochschuldozentin arbeiten. Der Chor gibt ihr Kraft. "Ich bin total stolz, also ich bin froh, was geschaffen zu haben, was mir guttut, was anderen guttut und was länger als einen Monat dauert.“

Ein Lied darf bei keiner Chorprobe fehlen: Der Gospel "Clap your hands and sing Hallelulja" - es ist ein Song, der Lebensfreude und Hoffnung weckt.

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