Bildmontage: Corona-Helfer / Schachspielerin Jana Schneider / Brücken-Heiliger mit Maske / Landrätin Sabine Sitter / 100-Jähriger Hermann Günther
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Schachspielerin Jana Schneider, Landrätin Sabine Sitter, Senior Hermann Günther: Nur einige Personen, die Unterfranken 2020 bewegt haben.

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Rückblick: Das Jahr 2020 in Unterfranken

Winzerorte ohne Weinfeste, stumme Maschinen in der Industriestadt. Das Jahr 2020 war in Unterfranken so ganz anders als viele seiner Vorgänger. Ein Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate: von Alzenau bis Zeil am Main.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

"Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne." Das galt nicht nur bei Hermann Hesse, sondern gewissermaßen auch für 2020 – zumindest in Unterfranken. Vermutlich unter dem Beinamen "Corona-Jahr" wird man sich noch lange an die vergangenen zwölf Monate erinnern. Selten positiv. Vielleicht aber auch mit manch schöner Anekdote, aus dieser so ungewöhnlichen Zeit.

Was im Rückblick auffällt: Immerhin die ersten Wochen des Jahres waren, vom Untermain bis in die Haßberge, gar nicht mal so übel. Deshalb starten wir, exemplarisch für viele, zunächst mit der folgenden Geschichte.

Spürnase Lupo rettet Seniorin aus dem Sumpf

Erinnern Sie sich noch an Lupo? Nein? Dann hier ein Tipp: vier Pfoten, braunes Fell und eine neongelbe Warnweste. Im Frühjahr hat der Suchhund regional Schlagzeilen gemacht. Der Vierbeiner aus Bad Bocklet spürte eine 73-Jährige in einem Sumpf im Landkreis Bad Kissingen auf. Die Frau war völlig unterkühlt, Einsatzkräfte hatten bereits eine Nacht lang nach ihr gesucht. Dann kam Lupo. Er entdeckte die Frau. Polizei und Bergwacht konnten sie schließlich bergen.

Pelzig, Anselm Grün und Söder

Und was war sonst los zu Jahresbeginn? Gadheim bei Veitshöchheim darf sich nun offiziell "Mittelpunkt der EU" nennen. Ein Feiertag für den Ort. Für den europäischen Gedanken war es ein Ereignis, das nachdenklich stimmt. Grund für die geografische Verschiebung war der Brexit.

Außerdem feierte Kabarettist Frank-Markus Barwasser seinen 60. Geburtstag. Bestsellerautor und Benediktinermönch Anselm Grün wurde 75. In Kitzingen erhielt Ministerpräsident Markus Söder den "Schlappmaulorden". Die Prunksitzungen und Umzüge der letzten Faschingssaison wirken inzwischen wie aus einer anderen Zeit.

5. März 2020: Corona kommt nach Unterfranken

Denn dann kam der 5. März 2020. Im BR-Studio Mainfranken hatten wir uns den Tag bereits seit einigen Wochen im Kalender markiert. Der Prozess gegen einen Würzburger Logopäden sollte beginnen. Er hatte während seiner Behandlungsstunden in zwei Einrichtungen Kinder mit geistiger Behinderung missbraucht. 66 Fälle waren angeklagt. Von seinen Taten fertigte der Logopäde Fotos und Filme an. Er stellte sie in kinderpornografische Internetforen. Das Gericht verurteilte den Mann letztlich zu elf Jahren und vier Monaten Haft. Er bekam ein Berufsverbot. Der Fall sorgte deutschlandweit für Aufsehen und führte dazu, dass auch in anderen Ländern Beschuldigte wegen Kinderpornografie ermittelt werden konnten.

Doch der 5. März 2020 bleibt auch als der Tag in Erinnerung, als die ersten beiden Coronafälle in Unterfranken bekannt wurden. An einer Schule in Würzburg fiel der Unterricht aus. Vergleichsweise lange war der Regierungsbezirk vom Virus verschont geblieben. Dann ging es leider Schlag auf Schlag. Bereits eine Woche später, am 12. März, meldete das Gesundheitsministerium den ersten Corona-Toten in Bayern. Es handelte sich um einen 83-Jährigen aus Würzburg. Bis zum 21. März verstarben im Seniorenheim St. Nikolaus neun Menschen. Über 20 waren es bereits im April.

Coronavirus gelangt in die Seniorenheime

Plötzlich macht Würzburg deutschlandweit Schlagzeilen. Das St. Nikolaus Heim und auch das Hans-Sponsel-Haus erleben während der ersten Corona-Welle, was anderen Einrichtungen noch bevorsteht. Das Virus kennt insbesondere bei alten oder vorerkrankten Menschen selten Gnade. Im Laufe des Jahres werden noch mehrere Seniorenheime betroffen sein: etwa in Ochsenfurt, Großwallstadt und Zeil am Main.

Herzing siegt in Aschaffenburg, Sitter in Main-Spessart

Angesichts solch immer wieder erschreckenden Nachrichten geraten andere Dinge beinahe aus dem Fokus: die Kommunalwahl etwa, just zu Beginn der Pandemie. In Würzburg setzte sich Amtsinhaber Schuchardt (CDU) im ersten Wahlgang durch, genauso Amtsinhaber Remelé (CSU) in Schweinfurt. In Aschaffenburg schaffte es Jürgen Herzing (SPD) in der Stichwahl zu gewinnen. Außerdem gibt es neue Landräte: in den Kreisen Aschaffenburg und Würzburg. Main-Spessart bekam mit Sabine Sitter (CSU) die zweite Landrätin im Regierungsbezirk. Während der Pandemie dürfte es für sie alle nicht der einfachste Start gewesen sein.

Sabine Sitter: 100 Tage im Amt
Bildrechte: BR-Studio Franken / Thomas Pietzsch-Woitas
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Während der Corona-Pandemie begann die Amtszeit von Sabine Sitter. Hier blickt die Landrätin auf ihre ersten 100 Tage zurück.

Erreger breitet sich in ganz Unterfranken aus

Dass das Coronavirus überall zuschlagen kann, zeigt sich bei einem Blick auf die Region. Nachdem die erste Corona-Welle abgeklungen war, galten einige Landkreise beinahe als "coronafrei". Dann stiegen im Spätsommer die Inzidenzen in Würzburg, die Stadt reagierte unter anderem mit Alkoholverboten. Bad Königshofen entschloss sich, als erste Stadt in Bayern, kurzzeitig alle Schulen zu schließen, nachdem es bei einer Hochzeit mehrere Infizierte gab. Im Oktober sprang in Stadt und Landkreis Schweinfurt die "Corona-Ampel" auf dunkelrot. Die Verantwortlichen sprachen von einem "diffusen Infektionsgeschehen". Dieses sollte nun auch die Regionen erreichen, die bis dahin weitgehend verschont geblieben waren: etwa die Landkreise Miltenberg, Haßberge und Main-Spessart. Bis Mitte Dezember sterben in Unterfranken über 450 Menschen in Folge einer Coronainfektion.

Hilfsangebote: Unterfranken halten zusammen

Doch in dieser Zeit gab es auch viele Lichtblicke. Wie hätte man diese verrückten Monate sonst durchstehen sollen? Während der ersten Corona-Welle begannen wir hier auf BR24 eine Liste über Hilfsangebote zu führen, von denen wir mitbekamen. Dann meldeten sich erste User von selbst bei uns: Sie organisierten Einkaufsfahrten, unterstützten bei Behördengängen oder übernahmen Apothekenbesuche. So war und ist es vielerorts immer noch. Nur einen Bruchteil dieser spontan entstandenen Nachbarschaftshilfen werden wir tatsächlich in unserer Auflistung erfasst haben.

Anwohner retten Familie in Aschaffenburg

Lichtblicke, das waren in diesem Jahr aber auch Ereignisse wie Anfang September in Aschaffenburg, als sich Anwohner bei einem Brand heldenhaft einsetzten. Eine Frau steckte mit ihren zwei Kindern im zweiten Stock fest. Die Nachbarn, wie zum Beispiel Hysni Halilaj, reagierten geistesgegenwärtig. Sie holten Matratzen herbei, sodass die Familie aus dem Fenster springen konnte.

100-Jähriger aus Zeil bekommt Geburtstagskarten aus aller Welt

Aber auch Geschichten wie die von Hermann Günther aus Zeil am Main waren in diesem Jahr echte Mutmacher. Hermann Günthers größter Wunsch war es seinen 100. Geburtstag zusammen mit seiner Familie zu feiern, in seiner alten Heimat in Niederschlesien. Daraus wurde wegen den im April geltenden Corona-Beschränkungen nichts. Nur seine Töchter, die ihn pflegen, durften ihn besuchen. Enkeltochter Jana startete deshalb auf Instagram einen Aufruf, ihrem Opa Karten zu schicken. Etwa 500 kamen an – ganze Körbe voll.

Auch mit dem Besuch der alten Heimat wurde es noch etwas: Im Juli nahm Hermann Günther im Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) Platz. Die Fahrt führte den 100-Jährigen nach Ubocze, dem früheren Schosdorf, im heutigen Polen.

92-Jähriger pflegt behinderten Stiefsohn

Wenn wir schon bei solchen herzerwärmenden Geschichten sind: Diese hier wurde auf unserem BR24-Youtube-Channel so oft angesehen, wie nur wenige andere Beiträge in diesem Jahr. Das Video begleitet Andreas Engert und seinen Stiefsohn Joachim aus Hambach bei Schweinfurt. Joachim hat eine Behinderung, deshalb pflegt ihn sein über 90 Jahre alter Stiefvater. Das Video wurde allein auf Youtube über 400.000 Mal geklickt. "Rührend, da können sich viele ne Scheibe von abschneiden", kommentiert ein User.

Die Schnüdel und die beinahe unendliche Pokalposse

Zu einer der meistgeklickten Nachrichten aus Unterfranken schaffte es hier auf BR24, neben einer durchaus kuriosen Nachricht über einen gestrandeten Schwertransporter, übrigens eine Meldung aus dem Sport. Pünktlich zur ersten Pokalrunde gab es einen regelrechten Paukenschlag: Der FC Schweinfurt 05 sollte in der ersten Runde des DFB-Pokals doch nicht gegen Schalke antreten dürfen, sondern Türkgücü München. Das hatte das Landgericht München I per einstweiliger Verfügung beschlossen. Es folgte ein riesen Wirbel, den Sie zum Beispiel hier, hier, hier oder hier nachlesen können. Am Ende gab es einen erfreulichen Ausgang für die Schnüdel: Sie durften antreten. Anfang November in Gelsenkirchen unterlagen die Schweinfurter allerdings.

Freude bei den Kickers – Ärger im Amateursport

Jubel gab es 2020 bei den Würzburger Kickers. Überraschend schafften sie den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Dort stecken sie nun im Tabellenkeller. Die Clubchefs feuerten gleich zwei Trainer, darunter Aufstiegscoach Schiele. Im Hintergrund wirkt seit Anfang des Jahres Felix Magath. Derweil diskutiert die Stadt erneut, ob das Stadion am Dallenberg umgebaut werden kann.

Weniger Grund zum Feiern hatte der FC Bayern Alzenau. Der Verein spielt in der Regionalliga Südwest und musste deshalb mit ganz anderen Startbedingungen zurechtkommen, als die Konkurrenz in den benachbarten Bundesländern. Auch viele Amateurvereine ärgerten sich über teils undurchsichtige Corona-Regelungen zum Saisonstart. Um in solchen Zeiten weiter aktiv zu bleiben, ist oft Kreativität gefragt, wie bei Fitnesstrainer Jörg Oberle aus Aschaffenburg. Er zog für sein Training kurzerhand auf einen Parkplatz um.

Kulturbetrieb kämpft ums Überleben

Ein besonders schwieriges Jahr war es für die Kultur. Viele Künstler, Musiker oder Schauspieler sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Sie behalfen sich so gut es ging. Das Würzburger Theater Chambinzky spielte im Sommer auf dem Gelände der Landesgartenschau 2018. In Schweinfurt entstand die Aktion "Fünf Minuten Kultur am Telefon". Manche Veranstaltungen, wie das Würzburger Mozartfest, fanden in abgespeckter Form statt. Andere Veranstalter, wie die des Kissinger Sommers, sagten den Konzertbetrieb 2020 gleich ganz ab.

Abgesagt, verschoben, abgesagt

Überhaupt war 2020 das Jahr der ausgefallenen Festivitäten. Die Feierlichkeiten zum Röntgen-Jubiläum wurden weitgehend abgesagt. Die zahlreichen Weinfeste: abgesagt. Spessart-Festwoche: abgesagt. Es traf aber auch viele kleine Bräuche, zum Beispiel das Osternachtssingen in Laudenbach. Diese Tradition hatte es erst kurz zuvor auf die Liste des bayerischen immateriellen Kulturerbes geschafft.

Gewinner und Verlierer in Mainfrankens Wirtschaft

Im Vergleich zur Veranstaltungs- und Kulturbranche kommt die mainfränkische Industrie bislang relativ gut durch die Krise. Erste Unternehmen in der Region haben jedoch schon angekündigt, Stellen zu streichen. Schaeffler zum Beispiel will das Werk in Eltmann schließen und in Schweinfurt Jobs abbauen. In der Industriestadt wirkt sich die Corona-Krise gleich doppelt aus. Einerseits sind viele Beschäftigte in Kurzarbeit oder bangen um ihre Jobs. Andererseits kämpft die Stadt mit sinkenden Gewerbesteuereinnahmen.

Zu jeder Krise gehören aber auch Gewinner. Fripa zum Beispiel: Das Miltenberger Unternehmen fertigt Klopapier und konnte gerade zu Beginn der Pandemie kaum genug produzieren. Durch die Decke ging im November auch der Aktienkurs von Va-Q-tec. Die Firma fertigt Kühlboxen, in denen nun ein Teil der Corona-Impfstoffe transportiert wird.

Kühl-Container der Würzburger Firma Va-Q-tec
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Kühl-Container der Würzburger Firma Va-Q-tec: In ihnen wird ein Teil der Corona-Impfstoffe transportiert.

Nikolaus mit Maske: Konditor landet Verkaufsschlager

Was bleibt also von einem Jahr, das auch in Unterfranken so ganz anders war, als viele seiner Vorgänger? Viele schlechte Nachrichten, auf die wir in unserer Berichterstattung gerne verzichtet hätten – sicherlich. Auf der anderen Seite zeigte sich vielleicht mehr denn je, wie viele Kreativität und Empathie in vielen Mainfranken steckt. So wie bei Konditormeister Herbert Häcker aus Bad Königshofen.

Schon im Frühling hatte Häcker seinen Schoko-Osterhasen Masken verpasst. Das erregte kaum Aufmerksamkeit. Nun im anbrechenden Winter bekamen auch die Schoko-Nikoläuse eine Mund-Nasen-Bedeckung. Häcker stellte Bilder auf Facebook, ohne zu ahnen, dass er einen Shitstorm ernten würde. Corona-Leugner und Maskengegner wünschten der kleinen Konditorei die Pleite und riefen zu Negativ-Bewertungen auf. Herbert Häcker und seiner Frau Elke ging die Sache an die Nerven. Eine Gegenbewegung ließ aber nicht lange auf sich warten: Plötzlich konnte sich die Konditorei vor Bestellungen nicht retten. "Wir kommen nicht mehr nach. Wenn es so weiter geht, dann liefern wir die letzten Nikoläuse zu Ostern aus", sagte Herbert Häcker.

Tschüss, 2020! Und was dann?

Das Thema Corona wird Mainfranken sicherlich noch 2021 begleiten. Die ersten Impfstoffe stehen in den Startlöchern, genauso die Impfzentren in Unterfrankens Landkreisen. Doch auch andere Themen werden im neuen Jahr sicherlich wieder stärker in den Fokus rücken. Der Klimawandel zum Beispiel. Dafür muss man kein Prophet sein. Auch 2020 war es in Unterfranken vielerorts zu trocken. In Würzburg etwa lagen nur drei Monate über dem langjährigen Niederschlagsmittel. Landwirte und Winzer müssen lernen, damit umzugehen. Letztere kämpften auch in diesem Jahr mit dem frühen Austrieb der Reben und teils massiven Frostschäden an den Eisheiligen. Möglich, dass auch die Fridays-for-Future-Proteste in der Region wieder mehr werden, sollte die Pandemie abflachen.

Von sich reden machen, werden aber auch wieder die Leute aus der Region, die das in diesem Jahr schon getan haben und denen die Zukunft gehört. Jana Schneider aus Aschfeld etwa, 18 Jahre alt, sie gilt als eines der größten Talente im deutschen Schachsport. Oder Sandra Sauer aus Escherndorf: Eine Jury wählte sie kürzlich zur "Winzerin des Jahres". Sicherlich werden wir auch bei Leonie Beck mitfiebern. Die Freiwasserschwimmerin will 2021 in Tokio endlich nach der erhofften Olympia-Medaille greifen. Vielleicht hören wir aber auch wieder von Wissenschaftlerin Andrea Thorn: Die Strukturbiologin der Uni Würzburg leitete in diesem Jahr ein Forschungsteam im Kampf gegen das Coronavirus.

Wie es auch kommt – am besten nimmt man es sowieso mit fränkischer Gelassenheit. Nicht umsonst wünschen viele Leute in der Region zum Jahresende erstaunlich nüchtern: "Einen guten Beschluss." Dieses Jahr vielleicht mit dem Zusatz: "Und bleiben Sie gesund."

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