Eren Güvercin, Gründer der Alhambra-Gesellschaft, Mitglied Islamkonferenz
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Eren Güvercin im Kontrovers-Interview

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Güvercin: "Wir brauchen eine religionspolitische Zeitenwende“

Mehrere muslimische Verbände haben sich bislang nicht klar zu Terrororganisationen wie der Hamas positioniert. Es brauche eine religionspolitische Zeitenwende, fordert Eren Güvercin von der Alhambra-Gesellschaft, die für offene Streitkultur steht.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Demonstrationen gegen Israel, Hassprediger, die aus dem Ausland auf die deutsche islamistische Communities in Deutschland einwirken und Spenden, die für die Hamas generiert werden: Derzeit Realität in Deutschland und doch keine Überraschung für Eren Güvercin, den Gründer der Alhambra-Gesellschaft: "Das sind Fakten, die schon seit langen Jahren bekannt sind", sagt Güvercin im Interview mit dem Politikmagazin Kontrovers. Seine Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, innermuslimische Debatten anzustoßen.

Junge Muslime sollen beeinflusst werden

Hamas-Sympathisanten wirken jedoch nicht nur aus dem Ausland nach Deutschland, schildert Güvercin, sondern "es gibt auch Prediger, Persönlichkeiten, die mit so einer religiösen Autorität auf TikTok und anderen Social Media-Kanälen auftreten, und andere islamistische Akteure, die ganz klar nicht nur die Hamas verharmlosen, sondern sie auch propagandistisch über soziale Medien unterstützen." Damit sollen laut Güvercin vor allem junge Muslime in Deutschland emotionalisiert und mobilisiert werden.

Kritik an Moscheeverbänden: Keine Position bezogen

Erst jüngst hat die Alhambra-Gesellschaft einen Aufruf an alle Muslime in Deutschland verfasst: Unabhängig davon, was Muslime in ihren Moscheen hörten und in den Nachrichten oder im Internet stünde, dürften die Worte und Bilder sie nicht zu Wut und Gewalt verleiten.

Zwar gelte es laut Güvercin durchaus zwischen den Moscheen zu differenzieren, doch er kritisiert ausdrücklich, dass die Moscheeverbände keine klare Position bezogen hätten: "Die Moscheeverbände haben nicht geschafft, die Hamas als das zu bezeichnen, was sie ist: nämlich eine Terrororganisation." Stattdessen habe es Relativierungen und Verteidigungen gegeben, berichtet Güvercin. Für ihn, selbst gläubiger Muslim in Deutschland, sind das "sehr gefährliche Kommunikationen", die die Hamas nicht klar verurteilen und zudem jungen Menschen keine klare Orientierung geben.

Forderung: "Religionspolitische Zeitenwende" im Umgang mit dem Zentralrat der Muslime

Deutliche Kritik übt Güvercin auch an der Positionierung des Zentralrats der Muslime. In einer Erklärung des Zentralrats hieß es nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, eine "Gewaltspirale" müsse verhindert werden. "Das ist, ganz offen gesagt, ein Schlag ins Gesicht aller Jüdinnen und Juden in Deutschland, die seit Tagen unter Angst leben", positioniert sich Güvercin im Kontrovers-Interview.

Im Video: Kontrovers – Hamas-Sympathisanten in Bayern

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Hamas-Sympathisanten in Bayern

Wenngleich der Name "Zentralrat der Muslime" suggeriere, dass es sich um eine zentrale Vertretung der Muslime handle – "dem ist nicht so", hält der Gründer der Alhambra-Gesellschaft fest – habe der Zentralrat der Muslime eine sehr hohe Präsenz in der Öffentlichkeit und der Bundespolitik. Mit dieser Äußerung habe es sich der Zentralrat der Muslime seine Rolle als Ansprechpartner der Politik "verspielt", so Güvercin weiter. Er fordert von der Politik, politische Konsequenzen zu ziehen.

"Wir brauchen im Umgang mit muslimischen Verbänden, die keine klare Haltung zu einer Terrororganisation haben, eine religionspolitische Zeitenwende im politischen Umgang mit diesen Verbandsstrukturen." Eren Güvercin, Gründer der Alhambra-Gesellschaft

Muslimische Verbände haben "nicht den Luxus, tatenlos zuzuschauen"

Man müsse den Verbänden unmissverständlich klarmachen, dass die Werte der liberal-demokratischen Gesellschaft nicht nur in der Öffentlichkeit verkörpert werden müssten, "sondern in die eigenen Gemeinden hinein". Güvercin appelliert an die Verantwortung der Religionsgemeinschaften mit Blick auf den gesellschaftlichen Frieden. Wenn "islamistische Akteure über Soziale Medien und andere Kanäle, junge Muslime ideologisieren und radikalisieren, dann haben die muslimischen Verbände nicht den Luxus da tatenlos zuzuschauen oder sogar die Hamas zu relativieren", argumentiert der Gründer der Alhambra-Gesellschaft.

Stattdessen müsse die Politik das unmissverständlich von den Verbänden fordern. Doch auch die Muslime müssten sich klar dazu positionieren.

"Die Muslime müssen öffentlich das Wort ergreifen und den muslimischen Verbänden, die ja in Anspruch nehmen, uns alle Muslime in Deutschland zu vertreten, ihnen ganz klar auch sagen: So geht das nicht." Eren Güvercin, Gründer der Alhambra-Gesellschaft

Güvercin: "Man gerät natürlich ins Fadenkreuz“

Damit das jedoch gelingen kann, fordert Eren Güvercin im Kontrovers-Interview, dass die Politik und Sicherheitsbehörden massive Einschüchterungsversuche wahrnehmen müssten: "Hier finden massive Einschüchterungsversuche statt, auch den Muslimen hier in Deutschland den Mund zu verbieten."

Er selbst sei mit seiner Haltung bereits zum Feindbild radikaler Muslime geworden, berichtet er weiter, seit Tagen schlügen ihm auf Sozialen Kanälen Beleidigungen und Drohungen entgegen. Für ihn eindeutig der Versuch einer Einschüchterungspolitik: "Man gerät natürlich ins Fadenkreuz." Sogar eine türkischsprachige Zeitung aus der Türkei habe Güvercin diese Woche als Terroristen betitelt, weil er die Hamas als Terrororganisation bezeichnet habe: "Also, die Ironie muss man erstmal verstehen."

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