"Die Kühe von der Kette!", fordern Tierschützer seit Jahren
Bildrechte: picture alliance / imageBROKER | Helmut Meyer zur Capellen

Kühe, angebunden im Stall

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Grünen-Politiker Hartmann zeigt Verständnis für Anbindehaltung

"Die Kühe von der Kette!", fordern Tierschützer seit Jahren und die Ampelkoalition will es umsetzen. Rinder sollen sich im Stall frei bewegen können, statt angekettet zu sein. Klingt gut, hat aber auch Nachteile, findet Grünen-Politiker Hartmann.

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Im Vordergrund eine Kuhherde, eingerahmt vom Panorama der Allgäuer Alpen, dem Obersdorfer Hammerspitz, dem Rappenseekopf, dem Linkerskopf oder der Rotgrundspitze. Wolfgang Dallmeier ist auf der Petersalpe unterwegs, um nach seinen Kühen zu sehen. Den ganzen Sommer über sind sie hier oben, Tag und Nacht im Freien. Seit Jahrhunderten werden die Tiere im Hochgebirge so gehalten.

Wenn Dallmeier seine Kühe aber zum Melken in den kleinen Stall holt, dann werden sie angebunden. Anschließend geht es wieder in die Freiheit. "Mit dieser Art der Anbindehaltung werden wir hoffentlich keine Probleme bekommen", sagt er.

Verbraucher wollen keine Anbindehaltung

Dabei ist die Anbindehaltung zu einem Reizwort geworden. Besonders Umweltschützer und auch viele Verbraucher laufen dagegen Sturm, denn Anbindehaltung bedeutet, dass die Tiere an ihren Platz festgebunden sind. Dem Tierwohl zu Liebe soll diese Form der Haltung abgeschafft werden. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) lässt an einer entsprechenden Gesetzesnovelle arbeiten.

Ludwig Hartmann sitzt für die Grünen als Fraktionsvorsitzender im bayerischen Landtag. Er macht sich für die Kombihaltung stark. Das bedeutet, dass die Tiere nur zu bestimmten Zeiten angebunden sein dürfen und sich sonst frei bewegen können.

Damit widerspricht er auch seinen Parteifreunden in Berlin: "Kombihaltung bedeutet, dass die Kühe einen Großteil des Jahres auf der Weide sind. Im Stall sind sie nur zeitweise und so könnte man diese Form der Anbindehaltung auch akzeptieren." Politiker der Ampelkoalition sollen angeblich genervt die Augen verdrehen: So viele bayerische Sonderwege wie unter CSU-Beteiligung soll es in dieser Bundesregierung nicht mehr geben.

Hohe Kosten für neuen Laufstall

Wolfram Dallmeier kennt die Probleme seiner Kollegen im Tal gut. Er erzählt von einem Bauern, dessen Hof mitten im Dorf liegt, wie seit Generationen üblich. Seine Kühe stehen im Sommer auf der Weide, aber im Winter im Stall mit Anbindehaltung. "Bei 20 Kühen kann man doch nicht verlangen, dass ein Bauer einen komplett neuen Laufstall für viele 100.000 € baut." Diese Kosten könne man bei einer solchen Betriebsgröße nicht wieder hereinwirtschaften.

Die dörfliche Struktur in Bayern war seit jeher von Bauern und ihren Höfen geprägt. Heute steigt die Zahl der Dörfer ohne einen einzigen Bauern mit jedem, der aufgibt. Ein Verbot der Anbindehaltung könnte den Prozess noch erheblich beschleunigen, befürchten Beobachter. Und das nicht nur wegen der Bauern, die eine Investitionen scheuen und aufgeben. Die, die weitermachen, würden in der Mehrzahl der Fälle auch das Dorf verlassen und draußen, auf der grünen Wiese, einen neuen, modernen Stall bauen. Teils Jahrhunderte alte Ställe würden dadurch nutzlos - und der Bauer im Dorf Geschichte.

Widerspruch von Tierschützern

Thomas Schröder, der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, hat einen offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir geschrieben. Darin spricht er sich gegen die Kombihaltung aus, denn man dürfe sich "nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass es sich um eine tierschutzwidrige Haltungsform handelt". Darum fordert er ein "zeitnahes Verbot der ganzjährigen und Saisonalen Anbindehaltung von Rindern".

Etwa 14.000 Ställe mit Anbindehaltung gibt es noch in Bayern. Damit liegt der Freistaat mit weitem Abstand an der Spitze, im Bundesvergleich. "In anderen Bundesländern verstehen sie oft gar nicht, wovon ich spreche", erklärt Ludwig Hartmann: "Denn so viele kleine, bäuerliche Betriebe wie in Bayern gibt sonst nirgends." Zahlen der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land belegen das: Etwa 1.800 Bauern haben sich hier zusammengeschlossen. Im Durchschnitt hat jeder gerade einmal 27 Kühe, bayernweit sind es 41. Der Bundesweite Durchschnitt liegt bei 71 Kühen, laut statistischem Bundesamt.

Die Kombihaltung wäre eine Alternative

Vor etwa einem Jahr hat Hartmann Landwirtschaftsminister Özdemir durch Holzkirchen geführt. Er hat ihm auch Bauern gezeigt, die Kombihaltung betreiben: "Ich glaube, meine Botschaft ist in Berlin angekommen, auch weil wir im vergangenen Jahr viele weitere Gespräche geführt haben." Hartmann hofft, dass die Gesetzesnovelle kein Verbot der Kombihaltung beinhalten wird, wenn sie Mitte Mai im Kabinett verabschiedet werden soll.

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