Kühe an Ketten in einem Stall. Die Tiere werden in Kombinationshaltung gehalten.
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Kühe in Kombinationshaltung im Stall bei Landwirt Stephan Zach in Seehausen-Rieden

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Verbot der Anbindehaltung - Ende auch für Kombi-Haltung?

Die Bundesregierung plant ein Verbot der Anbindehaltung von Rindern bis 2030. In Bayern ist die Sorge groß, dass davon auch die sogenannte Kombinationshaltung betroffen sein könnte, eine Anbindehaltung mit garantierter Bewegung an 120 Tagen im Jahr.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Kühe an Ketten im Stall: Geht es nach der neuen Bundesregierung, soll dieses Bild bald der Vergangenheit angehören. Die Ampel-Koalition plant bis 2030 ein Verbot der sogenannten "Anbindehaltung". Auf Anfrage des BR heißt es beim Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL): "Die dauerhafte Anbindehaltung schränkt die wesentlichen arteigenen Verhaltensweisen von Rindern erheblich ein und muss aus tierschutzfachlicher Sicht auslaufen." Ziel sei es, so das Ministerium, "vollständig aus dieser Haltungsform auszusteigen."

Was ist mit der "Kombinationshaltung"?

Eine für viele bayerische Betriebe wichtige Frage bleibt jedoch bis dato unbeantwortet: Was wird aus der sogenannten "Kombinationshaltung"? Diese Haltungsform verbindet die Anbindehaltung mit einem Mindestmaß an Bewegung und mit Tierwohlmaßnahmen. Darauf hatten sich 2019 Landwirtschaft, Milchbranche und Politik in Bayern geeinigt. Demnach müssen die Tiere an mindestens 120 Tagen im Jahr Auslauf ins Freie haben und dies wenigstens zwei Stunden täglich. Möglich sind auch nur 90 Tage Auslauf - aber nur, wenn Betriebe im Stall besondere Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls nachweisen können. Ob diese besondere Form der Haltung künftig erlaubt oder verboten sein wird, darüber schweigt sich die Bundesregierung derzeit noch aus.

Druck auch vom Handel

Druck auf die Betriebe übt dabei nicht nur die Politik aus. Auch der Lebensmittelhandel reagiert auf die Rufe nach mehr Tierwohl. Lidl, Netto und Aldi nehmen für ihre Eigenmarken schon jetzt keine Milch aus Anbindehaltung mehr an. Viele Molkereien bezahlen weniger Milchgeld. Die Betriebe werden darauf reagieren müssen. Unterstützung dabei bietet die bayerische Staatsregierung.

Was tun? Eine Frage der Existenz

Noch gibt es in Bayern rund 14.000 Milchviehbetriebe mit Anbindehaltung, darunter 10.000 mit ganzjähriger Anbindehaltung. Im Rahmen einer Beratungsinitiative hat das bayerische Landwirtschaftsministerium mehr als 3.000 von ihnen erreicht. 560 Betriebe haben sich dabei in gezielten Einzelberatungen konkrete Ideen und Vorschläge zur Weiterentwicklung des eigenen Betriebes einholen können. Mit jedem dieser Betriebe, so heißt es im Ministerium, werde ein Plan für die zukünftige Betriebsentwicklung erarbeitet. Dies könne einen Stallneu- oder -umbau bedeuten, einen Wechsel zu anderen Tierhaltungsverfahren oder den Auf- und Ausbau von Einkommensalternativen.

Umbau oder nicht?

Knapp 150 Betriebe haben nach Angaben des Ministeriums bereits eine Spezialberatung für den Stallneubau oder Umbaumaßnahmen in Anspruch genommen. Ob ein Betrieb diesen Weg gehen kann, ist aber immer eine individuelle Entscheidung. Macht der Umbau wirtschaftlich Sinn? Gibt es einen Hofnachfolger, damit sich die hohen Investitionskosten lohnen und sich die finanzielle Belastung über viele Jahre hinweg tragen lässt? Das muss letztendlich jeder Betrieb für sich entscheiden.

Ein Glücksfall: Ausreichend Platz und Hofnachfolger

Einer von denen, die die Chance haben umzubauen, ist Landwirt Stephan Zach aus Seehausen-Rieden. Er hat sowohl ausreichend Platz auf seinem Betrieb als auch einen Hofnachfolger. Deshalb wird er für seine Tiere demnächst einen Laufstall bauen. Eine Investition, die seine Familie für viele Jahre belasten wird.

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Der Stall von Veronika Bartl in Partenkirchen

Kein Platz für einen Umbau - und was dann?

Doch was, wenn der Platz für einen Laufstall nicht vorhanden ist? Das Herz aber doch an den eigenen Tieren und an der eigenen Landwirtschaft hängt? Dann schwebt die Ankündigung aus Berlin täglich wie ein Damoklesschwert über dem eigenen Betrieb - wie bei Veronika Bartl aus Partenkirchen. Ein Leben ohne ihre vier Milchkühe der Rasse Murnau-Werdenfelser ist für sie unvorstellbar. Der 100 Jahre alte Stall steht mitten im Ortskern. Die Kühe sind angebunden. Aber die Zeit im Stall ist begrenzt, denn im Sommer stehen die Tiere auf der Alm. Auftrieb und Abtrieb jeden Tag.

Tradition - doch wie lange noch?

Es sind Bilder wie aus dem Tourismusprospekt: Kühe, die durch den Ort ziehen, um den Hals ihre Glocke, die am Brunnen Halt machen, um zu trinken. Gelebte Tradition. Seit 100 Jahren wirtschaftet Veronika Bartls Familie so. Im Sommer gehen die Tiere nach draußen, von November bis Mai sind sie im Stall. Auf die 120 Tage Bewegung, wie es die Kombinationshaltung fordert, kommen sie allemal. Doch was, wenn diese Form der Haltung verboten werden sollte?

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Die Kühe auf dem Rückweg von der Alm

Fehlender Platz und Denkmalschutz

Für einen Stallneubau fehlt Veronika Bartl schlicht der Platz. Und auch wenn der vorhanden wäre: Ihr Stall unterliegt dem Denkmalschutz. Abriss und Neubau kämen hier nicht in Frage: Ein Verbot auch der Kombinationshaltung wäre für den Betrieb von Veronika Bartl das Ende. "Da möchte ich jetzt gar nicht drüber nachdenken. Nein, also, das ... wär nicht mehr lebenswert", sagt sie leise.

Pflege der Kulturlandschaft

Im Sommer auf der Alm, im Winter im Stall: Das ist nicht nur Existenzgrundlage und Tradition. Die Kühe spielen auch beim Erhalt der Kulturlandschaft eine Rolle. Darauf verweist Anton Speer, Landrat von Garmisch-Partenkirchen: "Unsere Kulturlandschaft muss bestmöglich erhalten bleiben. Weil sonst würde ja alles verbuschen, alles zuwachsen. Und da brauchen wir die kleinen Betriebe. Und kleine Betriebe haben diese Kombinationshaltung."

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Die Kühe von Veronika Bartl auf der Alm

Ein Brief an Özdemir

Das habe er in einem Schreiben an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erläutert. Auch wenn die Anbindehaltung in zehn Jahren verboten werde, so müsse die Kombinationshaltung erhalten bleiben, so Speer. Ein Verbot habe gravierende Auswirkungen nicht nur auf den eigenen Landkreis, sondern auf den gesamten Alpenraum.

Unterstützung kommt auch vom Bayerischen Landtag. Dieser hat die Staatsregierung per Dringlichkeitsantrag aufgefordert, sich beim Bund für einen Erhalt der Kombihaltung einzusetzen.

Und das Tierwohl?

Und doch ist eine Frage damit nicht vom Tisch: die nach dem Tierwohl. Denn der halbjährige Weidegang der Kühe kann aus Sicht von Tierschützern die Monate im Stall nicht aufwiegen. Darauf weist auch Frigga Wirths hin, Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund: "Die Tiere haben 365 Tage das Bedürfnis, sich bewegen zu können. Und an jedem Tag, wo sie angebunden sind, geht das nicht. Sie sind mit dem Hals mit Ketten oder Gurten angebunden, sie haben sehr wenig Bewegungsfreiheit. Das bedeutet, dass sie mit dem Kopf nicht einmal auf den Rücken gelangen können, um sich zu lecken, wenn es sie juckt."

Keine leichte Entscheidung

Verböte man die Kombinationshaltung, träfe man vor allem kleine Betriebe und damit genau jene Strukturen, die viele eigentlich erhalten wollten und wo die Bindung zu den Tieren oft noch sehr eng sei: "Das ist ja wie eine Familie. Du hast die von klein auf, du weißt, wie sie ticken. Jede tickt anders, jede hat ihren Charakter", sagt Bäuerin Veronika Bartl. "Da bist du am Tag fast sechs, sieben Stunden drinnen, die verbringst du mit denen."

Und dann versagt ihr beinahe die Stimme: "Uns ist das so wichtig, dass sogar Leute auf ihren Sterbebildern das drauf haben. So wichtig ist es ihnen."

Tierwohl, Tierliebe, Tradition und Erhalt der Kulturlandschaft. Und eine ganz besondere Form der Tierhaltung. Es ist in der Tat keine leichte Entscheidung, die da in Berlin gefällt werden soll.

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