Denkmal zur Erinnerung an den Aufstand der Frauen am Gründonnerstag 1945 in Ochsenfurt (Lkr. Würzburg)
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Denkmal zur Erinnerung an den Aufstand der Frauen am Gründonnerstag 1945 in Ochsenfurt (Lkr. Würzburg)

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Gründonnerstag vor 79 Jahren: Aufstand der Frauen in Ochsenfurt

Wenn es um das Ende des Zweiten Weltkriegs geht, erinnern sich viele Unterfranken an die Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945. Ochsenfurt konnte einige Tage später aber der Zerstörung durch US-Panzer entgehen – dank couragierter Frauen.

Über dieses Thema berichtet: Zeit für Bayern am .

Die Situation in Ochsenfurt ist 1945 wie überall in Deutschland aussichtslos. Die Alliierten sind auf dem Vormarsch, der Krieg ist verloren. Trotzdem ordnen die Nazis bedingungslosen Widerstand an. Der sogenannte Volkssturm, bestehend aus Rentnern und Kindern, soll bis zur Selbstaufgabe kämpfen. "Ochsenfurt wurde zu einer sogenannten kleinen Festungsstadt erklärt. Das heißt, man musste Befestigungen einrichten. So hat man gemeint, man könnte die amerikanischen Panzer aufhalten", erklärt der frühere Bürgermeister und ehemalige Stadtarchivar Peter Wesselowsky.

Frauen in Ochsenfurt wollen Tote und Verletzte verhindern

Ochsenfurt ist damals noch komplett von mittelalterlichen Mauern und Türmen umgeben und soll unbedingt gehalten werden. Doch die Frauen in Ochsenfurt erkennen gleich, dass dieser Plan völlig aussichtslos ist und werden aktiv. Sie wollen verhindern, dass es Tote und Verletzte gibt. Dass die Stadt in Schutt und Asche gelegt wird. Am Gründonnerstag treffen sie sich und laufen gemeinsam durch die Hauptstraße, die damals noch Adolf-Hitler-Straße heißt, zum Zehnthof. Dort hat der NSDAP-Kreisleiter Stoll sein Büro. Lautstark fordern sie ihn auf, die Tore der Stadt zu öffnen und sich kampflos zu ergeben.

Offene Konfrontation mit den Nazis

Nach einer lauten Konfrontation mit dem lokalen Oberbefehlshaber setzen sich die Frauen durch und ziehen los zum Bollwerk, so heißt das befestigte Tor am Mainufer, um die Sperren dort zu beseitigen. "Wir haben als Kinder mitgekriegt, dass die Tore zugemacht werden. Dann hat es geheißen, die Frauen sind dagegen. Die Amis kommen sowieso rein, wir machen die Tore wieder auf. Und dann sind wir Kinder am Vormittag schon zum Bollwerk hingegangen und haben mit kleinen Schaufeln und Eimern schon angefangen, den Dreck wegzumachen", erinnert sich die heute 86-jährige Christine Reinhart.

Frauen und Kinder entfernen Blockade

Die Balken der Sperre sind eingegraben, damit sie besser standhalten. Mit Seilen heben die Frauen das massive Holz aus dem Boden. Die Steine, mit denen die Balken befestigt sind, transportieren die Frauen und Kinder mit einer Menschenkette ans Mainufer, um eine weitere Blockade vorzubeugen. Doch dann gibt es Widerstand vom Volkssturm. "Der eine hatte ein Gewehr aufgepflanzt, hat sich vor einer Bekannten von uns aufgebaut und hat gesagt: Hört sofort auf, sonst schieße ich. Dann hat die gesagt: Du kannst schießen, aber dann lebst Du auch nicht mehr lange. Dann gehen wir alle auf Dich los. Dann hat er alles zurückgenommen und ist abgezogen", erzählt Christine Reinhart.

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Der ehemalige Stadtarchivar Peter Wesselowsky und die Zeitzeugin Christine Reinhart aus Ochsenfurt.

Kapitulation auf Druck der Frauen

Die Frauen setzen sich durch und öffnen die Tore der Stadt. Die amerikanischen Panzer können ungehindert nach Ochsenfurt hineinrollen. Die Kreisleitung der NSDAP hat sich zu diesem Zeitpunkt längst aus dem Staub gemacht. Im Rückblick wird schnell klar, dass die mutigen Frauen die Stadt vor dem Untergang gerettet haben. Denn in anderen Ortschaften, in denen noch Widerstand geleistet wird, fackeln die Amerikaner nicht lange. "Im Nachbartort Marktbreit, dem Geburtsort vom Gauleiter, wurde Widerstand geleistet. Die haben mit einer Panzerfaust auch einen amerikanischen Panzer zerstört. Ergebnis: die Stadt wurde zu über 30 Prozent bombardiert und zerstört", erzählt Peter Wesselowsky.

Frauen entgehen der Todesstrafe

Zum Glück erreichen die amerikanischen Truppen die Stadt Ochsenfurt sehr schnell. Schon am Karsamstag ist der Nazi-Spuk vorbei. Sonst wäre es vielleicht anders ausgegangen für die mutigen Frauen. Denn es gibt schon eine Liste mit Namen für ein sogenanntes Standgericht. Dort werden Soldaten oder Zivilisten wegen Wehrkraftzersetzung an Ort und Stelle abgeurteilt und exekutiert. So weit kommt es in Ochsenfurt nicht mehr. Heute erinnert ein kleines Denkmal direkt am Stadttor an die Zivilcourage der Frauen, die Ochsenfurt vor der Zerstörung gerettet haben.

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