Im Jahr 2023 wollte Bayern barrierefrei sein
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Im Jahr 2023 wollte Bayern barrierefrei sein, wenigstens in öffentlichen Gebäuden.

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Bayern barrierefrei? Von wegen!

Eigentlich wollte Bayern in diesem Jahr barrierefrei werden. Das hatte Horst Seehofer als Ministerpräsident vor zehn Jahren versprochen. Auch Markus Söder hatte diesen Anspruch wiederholt. Zeit für eine Bilanz.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Monika Burger lässt sich nicht unterkriegen. Obwohl die 62-jährige Rollstuhlfahrerin allen Grund dazu hätte. Immer wieder testet die gebürtige Münchnerin die Kulturinstitutionen in der Landeshauptstadt in puncto Barrierefreiheit. Doch die Fortschritte seien viel zu spärlich, sagt sie.

Zum Beispiel am Residenztheater. Die renommierte Spielstätte im Herzen Münchens, direkt am Max-Joseph-Platz, hat zwar eine Rollstuhlrampe. Aber die sei viel zu steil, sagt Burger. Allein mit der Muskelkraft ihrer gut durchtrainierten Arme kommt sie hier nicht hoch. "Und das widerspricht den gültigen Grundsätzen der Barrierefreiheit, die da lauten: Jeder Mensch soll in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Beschwernisse und ohne fremde Hilfe, Zugang haben."

Längst gilt die Barrierefreiheit quasi als Menschenrecht. Im Jahr 2006 hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen sie im Rahmen der Behindertenrechtskonvention festgeschrieben. In Deutschland ist sie seit 2002 gesetzlich verankert.

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Monika Burger ist seit ihrer Geburt querschnittsgelähmt.

Bayern 2023 - barrierefrei?

Vor zehn Jahren hatte der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dann für Bayern das Ziel ausgegeben, im Jahr 2023 die Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden zu erreichen. Burger, die im Behindertenbeirat der Stadt München für Kultur zuständig ist, kennt allerdings zahlreiche Museen, die immer noch nicht den Grundsätzen der Barrierefreiheit entsprechen.

Beim Residenzmuseum am Portal gibt es überhaupt keine Rampe. Die Münchner Kaiserburg im Alten Hof hat zwar am Eingang einen Außenhublift, doch der ist de facto nicht zu erreichen, weil der Weg dorthin aus besonders großen, abgerundeten Pflastersteinen besteht, die der Einfahrt in den Alten Hof wohl ein mittelalterliches Flair geben sollen.

Für Burger mit ihrem Rollstuhl eine unüberwindbare Barriere. "Da stellen sich die vorderen Räder quer. Erstens ist das wahnsinnig mühsam und zweitens auch gefährlich. Denn wenn sich die Räder querstellen und man versucht, trotzdem weiter zu kommen, fällt man aus dem Rollstuhl und kann sich schwer verletzen."

Kritik vom Sozialverband VdK

Deutschlands größter Sozialverband, der VdK, kritisiert, dass Bayern weit von seinem selbst gesetzten Ziel entfernt sei. "Es sind längst nicht einmal alle staatlichen Gebäude, die öffentlich zugänglich sind, barrierefrei. Das sind nur gut 60 Prozent. Viele Verkehrsmittel sind nicht barrierefrei, viele Bahnhöfe zum Beispiel, also hier muss noch viel geschehen und hier muss auch mehr Geld in die Hand genommen werden," sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Sie fordert mehr Anstrengungen von staatlicher Seite und auch mehr finanzielle Mittel, um die Barrierefreiheit endlich flächendeckend zu erreichen.

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VdK-Präsidentin Verena Bentele setzt sich für Barrierefreiheit ein.

Ziel zur Barrierefreiheit in Bayern verfehlt

Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) hatte schon zu Jahresbeginn eingeräumt, dass es bei der Barrierefreiheit im Freistaat nicht so schnell vorangehe wie einst gedacht. Sie betont aber, dass Bayern das Ziel weiterhin mit großen finanziellen Mittel vorantreibe. Und bei der Landtagswahl im Herbst sollen alle Wahllokale barrierefrei ausgestattet sein: "Barrierefreiheit ermöglicht individuelle Freiheit – ohne Barrieren kann jeder und jede das eigene Leben besser gestalten."

In Windach im Landkreis Landsberg am Lech scheitert dagegen die politische Teilhabe auf kommunaler Ebene am Denkmalschutz. Das Rathaus der Verwaltungsgemeinschaft Windach ist in einem ehemaligen Landschloss untergebracht. Bürgermeister Richard Michl (Freie Wähler) sagt, dass der Einbau eines Fahrstuhls in den 1. Stock technisch gesehen kein Problem sei. Aber die Denkmalschutzbehörden würden den zugegebenermaßen unschönen Fahrstuhl in dem historischen Eingangsbereich nicht genehmigen. Außen verschandelt allerdings eine Brandschutztreppe eine Seite des denkmalgeschützten Gebäudes.

  • Zum Artikel: "Inklusion im Job - Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung"
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Richard Michl (Freie Wähler) darf im Rathaus von Windach keinen Aufzug einbauen.

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