Die Tragfläche eines Flugzeugs über den Wolken
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Flugreisen boomen 2023 (Symbolbild)

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Flugscham ade? Urlaubsflüge sind wieder im Aufwind

Bayerns Flughäfen sind ausgelastet, seit Beginn der Pfingstferien bilden sich wieder Schlangen in den Abflughallen. Wie passt das zur schlechten Klimabilanz von Flügen? BR24 hat nachgefragt. Die Alternative Nachtzug hatte die Bahn 2016 eingestellt.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Klimaschutz wird im Alltag als wichtig erachtet, beim Verreisen aber nicht so sehr: So lässt sich die allgemeine Stimmung bei einer Umfrage von BR24 zur sogenannten Flugscham am Münchner Flughafen zusammenfassen. Allein hier haben die Airlines für die Pfingstferien rund 15.000 Starts und Landungen angemeldet. Trotzdem vollzieht sich ein Bewusstseinswandel hin zu mehr Nachhaltigkeit.

Reiselust wächst seit dem Ende der Pandemie

Seit weltweit die Corona-Reisebeschränkungen weggefallen sind, holen Touristen ihre verschobenen Reisen nach. Der Anbieter TUI Fly rechnet mit etwa 40.000 Gästen in den bayerischen Pfingstferien, gefragt seien Urlaubsziele in Griechenland, Ägypten, Tunesien oder auch auf den Kapverdischen Inseln. Der Flughafen Memmingen rechnet mit einem Rekord von zwei Millionen Passagieren in diesem Jahr. Am Nürnberger Flughafen starten rund 130.000 Passagiere in die Pfingstferien.

Den Reiseboom erklärt Prof. Markus Pillmayer von der Hochschule München mit dem Phänomen des sogenannten Revenge Travel, also einer touristischen Aufholjagd nach den schwierigen Corona-Jahren, aber auch mit der Reisepsychologie: Sehnsucht nach Exotik und auch der Wunsch, im Urlaub eine Weile lang den oft belastenden Alltag, mit Stress und Nachrichten etwa von Ukraine-Krieg und Inflation auszublenden, um sich zu entspannen und zu erholen.

Urlaubsziele mit viel Sonnenschein bleiben gefragt

Mittel- und Langstreckenflüge sind aktuell beliebt. Laut FTI Group sind die Top Destinationen Antalya mit rund 35 Prozent aller Anfragen, gefolgt von Hurghada, Palma de Mallorca, Kreta und Dubai. Der Trend bei Flugreisen gehe zum Last-Minute-Urlaub, so der Reiseveranstalter. Die Nachfrage für Pfingstferienreisen sei in den letzten vier Wochen stark und in den letzten beiden Wochen besonders stark gestiegen. Ein Grund dafür dürften die gestiegenen Preise sein, die laut ADAC bis zu 46 Prozent über dem Vorjahresniveau liegen.

Die schlechte Klimabilanz von Flugreisen, die das jährlich von Klimaforschern errechnete CO2-Jahres-Budget pro Person schnell übersteigt, sorgt allerdings weiter für ein Gefühl der Flugscham und für unterschiedliche Kompensationslösungen. In der BR24-Umfrage betonen Reisende, sie verzichteten auf Autofahrten oder Fleischkonsum, würden Gärtnern und Radeln oder hätten Kurzstreckenflüge erheblich reduziert.

Reisetourismus sorgt weltweit für 8 bis 10 Prozent der Emissionen

Der Begriff Flugscham ist zwar aus der Klima-Debatte verschwunden, aber seit 2019 verfolgen die Tourismusforscher der Hochschule München, dass der Wunsch nach einer möglichst geringen Klimabelastung zunimmt. Statistisch sei die Bedeutung des persönlichen CO2-Fußabdrucks in der Mobilität bereits erkennbar, ein Bewusstseinswandel vor allem bei der jüngeren Generation, so Experte Pillmayer. Es werde noch erforscht, wie stark sich dies auf die Buchungen auswirke.

Laut einer Studie der Tourismusforscher befürworteten zwei Drittel der Befragten Maßnahmen zur CO2-Reduktion, wie neue Treibstoffe oder veränderte Flugrouten. Allerdings erkannten nur 17 Prozent der Befragten beim eigenen Reiseverhalten mehr Handlungsbedarf. Pfingsturlauber kritisierten jetzt am Münchner Flughafen, beim Kompensieren eines Flugs durch eine Spende für Klimaprojekte bleibe zu unklar, wofür das Geld eingesetzt werde. Alternativen wie Extrazahlungen für emissionsarmes e-fuel zur Betankung, etwa bei Lufthansa, nutzen erst 3 Prozent der Ticketkäufer, aber mit steigender Tendenz.

CO2-Fußabdruck bleibt ein Dilemma beim Reisen

Tourismusexperte Pillmayer sieht CO2-Kompensationen als eine Möglichkeit zum Ausgleich der Emissionen, eine andere und wachsende Nische sei aber das Engagement klimaneutraler oder sogar klimapositiver Hotels und Destinationen. Dieser Trend gewinne vor allem im Deutschland-Tourismus an Bedeutung. Mehr Reise-Anbieter setzten auf Angebote mit sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit, etwa durch faire Bezahlung der Mitarbeiter, regenerative Stromerzeugung, regionale Kost und gezielten Natur- und Artenschutz. Costa Rica sei unter den Fernreisezielen dafür ein Vorreiter.

Auch der sogenannte Resonanztourismus werde wichtiger, er umfasst nachhaltige Reiseerlebnisse. Urlauber wünschten sich intensiver in die Destination einzutauchen und mehr Austausch mit den Einheimischen. Diese Art des Reisens erzeuge ein Gefühl der Verbundenheit mit dem Reiseland und die Gewissheit, am Urlaubsort zu einer positiven Entwicklung beizutragen, so der Experte. In Europa setze Slowenien auf diesen Tourismus. Reisende am Münchner Flughafen betonen, es fehle an Alternativen zum Flug, um etwa per Nachtzug schnell und bequem in den Traumurlaub zu kommen.

Nachtzüge: Die verpennte Alternative

Auch der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer (FDP), erwartet ein weiter zunehmendes Angebot an Nachtzügen in Europa. "Wir glauben an eine Renaissance der Nachtzüge", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Dienstag. "Das ist auch wünschenswert, um klimaneutralen und grenzüberschreitenden Verkehr auf der Schiene zu ermöglichen."

Die Deutsche Bahn hatte ihr Nachtzugangebot 2016 unter Verweis auf angeblich fehlende Kundennachfrage eingestellt. Das bestehende Angebot wird seither sehr erfolgreich von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) betrieben. In den vergangenen Jahren sind auf einzelnen Strecken weitere Angebote privater Anbieter dazu gekommen: Am vergangenen Pfingstwochenende etwa verkehrte erstmals ein neuer Nachtzug auf der Linie Berlin-Amsterdam-Brüssel. Auch die Bahn schließt eine Rückkehr inzwischen nicht mehr aus.

Für den Bahnbeauftragten sind Nachtzüge "noch ein vielversprechendes Nischenprodukt." Das Bundesverkehrsministerium setze sich aber dafür ein, dass sich das ändere. Kürzlich seien zwei Studien in Auftrag gegeben worden, um herauszufinden, "wo genau wir Dinge verändern können und müssen, um Nachtzüge in Europa wirtschaftlich betreiben zu können".

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