Das Rathaus von Langenzenn im Landkreis Fürth
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Neue Vorwürfe gegen Langenzenns Bürgermeister: Hat Jürgen Habel den Abschluss von Mietverträgen für städtische Wohnungen verschleppt?

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Fehlende Mietverträge: Neue Vorwürfe gegen Bürgermeister

Neue Vorwürfe gegen den Langenzenner Bürgermeister: Jürgen Habel soll den Abschluss von Mietverträgen für städtische Wohnungen verschleppt haben. Der Schaden: Mehrere 10.000 Euro. Der Stadtrat prüft, das Landratsamt Fürth hat Akten angefordert.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Am 4. Mai steht der Langenzenner Bürgermeister Jürgen Habel (parteilos, vormals CSU) wegen Betrugsvorwurf vor dem Amtsgericht in Fürth. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth soll er bei einer Wohnung, die er in seinem Haus an zwei ukrainische Flüchtlingsfamilien vermietet hatte, falsche Größenangaben gemacht und vom Fürther Landratsamt zu hohe Mietkosten kassiert haben – BR24 berichtete. Nun stehen weitere Vorwürfe gegen den 43-Jährigen im Raum. Es geht um fehlende Mietverträge und die Einnahmen, die der mittelfränkischen Stadt dadurch entgangen sind.

Stadt Langenzenn entgehen jeden Monat Tausende Euro

Bis heute, das zeigen BR24-Recherchen, existieren für die Wohnungen in drei Häusern, in denen die Stadt Langenzenn Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht hat, keine Mietverträge. Weder dem Landratsamt des Landkreises Fürth noch dem Jobcenter Fürth-Land, die als zuständige Behörden für die Kosten der Unterkunft aufkommen würden, liegen entsprechende Unterlagen vor, bestätigten sie auf Anfrage. Hat Bürgermeister Jürgen Habel es versäumt, seine Verwaltung zügig mit der Ausarbeitung der Mietverträge zu beauftragen? Fest steht: Der Stadt Langenzenn entgehen laut den Unterlagen, die BR24 vorliegen, Monat für Monat Mietkosten in Höhe von 3.505 Euro.

Keine rückwirkende Kostenübernahme

Eine rückwirkende Übernahme der Mieten für diejenigen Bewohnerinnen und Bewohner, die noch nicht arbeiten, sei nicht möglich. Das bestätigen Landratsamt und Jobcenter BR24. Das Jobcenter, das seit dem 1. Juni 2022 die Kosten der Unterkunft für ukrainische Geflüchtete übernimmt, erklärt, Leistungen würden nur auf Antrag erbracht und nur ab dem Ersten des Monats, in dem der Antrag gestellt werde.

Auch das Landratsamt weist darauf hin, dass der Behörde nach den bayerischen Sozialhilferichtlinien Mietverträge für Geflüchtete vor Abschluss vorgelegt werden müssten. Hintergrund sei, dass bei einer unangemessenen Miete keine Mietnebenkosten berücksichtigt und nicht die volle Miete übernommen werden könne, was wiederum zu Konflikten zwischen den Mietparteien führen könne. Nur in Ausnahmefällen könne man von dieser Praxis abweichen, schreibt das Landratsamt weiter, etwa wenn eine Unterbringung dringlich sei. "Das bloße "Vergessen", einen Mietvertrag abzuschließen, genügt auf keinen Fall."

Ukrainer wohnen seit einem Jahr in städtischen Häusern

Wie hoch der mutmaßliche Schaden für die Stadt Langenzenn sein könnte, lässt sich nicht genau sagen, denn die Wohnungen in den drei Anwesen wurden zu unterschiedlichen Zeiten bezogen. Während in das eine Haus nach BR24-Recherchen schon am 19. März 2022 ukrainische Geflüchtete zogen, also drei Wochen nach Russlands Angriff auf die Ukraine, waren die beiden anderen Gebäude erst ab dem 4. April bzw. dem 5. Mai bewohnt. Gerechnet ab dem 1. Mai 2022 summiert sich die möglicherweise entgangene Miete auf 38.555 Euro, ab dem 1. Juni wären es 35.050 Euro.

Bürgermeister muss laufende Geschäfte führen

Dass Bürgermeister Jürgen Habel die Verantwortung dafür trägt, seine Verwaltung mit der Ausarbeitung der Mietverträge zu beauftragen, ergibt sich aus der Gemeindeordnung des Freistaats Bayern. Darin heißt es: "Der erste Bürgermeister ist befugt, an Stelle des Gemeinderats oder eines Ausschusses dringliche Anordnungen zu treffen und unaufschiebbare Geschäfte zu besorgen." Zudem führe der erste Bürgermeister die Dienstaufsicht über die Beamten und Arbeitnehmer der Gemeinde.

Auftrag durch Bürgermeister erst im Dezember?

Das heißt: Habel hätte seiner Verwaltung oder der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft WBG Langenzenn den Auftrag erteilen müssen, in der Angelegenheit tätig zu werden. Nach BR24-Informationen befasste sich eine Mitarbeiterin der Verwaltung jedoch erst im Dezember mit der Ausarbeitung der Mietverträge. Die Mitarbeiterin, die normalerweise in einem ganz anderen Bereich tätig ist, gab die Aufgabe aber offenbar wieder ab. Nach BR24-Recherchen informierte Habel erst Anfang Februar die WBG. Die Mietverträge, so der Plan, sollten offenbar rückwirkend für die vergangenen Monate geschlossen werden. Allerdings gab es bei den Ukrainern, die in den städtischen Wohnungen leben, auch schon mehrere Ein- und Auszüge – nicht bei allen lässt sich nachverfolgen, wo sie heute wohnen.

Landratsamt Fürth fordert Akten an

Hat sich der Bürgermeister mit seinem Vorgehen womöglich eines Dienstvergehens schuldig gemacht? Das Landratsamt, das die Rechtsaufsicht über die Kommunen und damit auch die Bürgermeister im Landkreis Fürth innehat, teilt auf BR-Anfrage mit, es werde "der Sachverhalt zunächst weiter ermittelt, bevor eine belastbare Bewertung möglich ist". Wie die Behörde weiter mitteilt, will sie die entsprechenden Akten anfordern. Die Stadt Langenzenn sei zur unverzüglichen Vorlage der Unterlagen verpflichtet. Auf eine Anfrage von BR24 zu den fehlenden Mietverträgen hat Jürgen Habel bislang nicht geantwortet.

Der Langenzenner Stadtrat ist alarmiert. Erst vor Kurzem erfuhren die Stadträte von Ehrenamtlichen, dass bis heute womöglich keine Mietverträge für die städtischen Wohnungen vorliegen. "Die schnelle Hilfe für die Geflüchteten ist notwendig und richtig gewesen", sagt der CSU-Fraktionsvorsitzende Manfred Durlak zu BR24. "Aber die Einnahmeseite wurde offenbar vernachlässigt." Nun wolle der Stadtrat wissen, wie viel Geld verloren gegangen sein könnte. Die CSU habe daher einen Antrag auf Sachstandsbericht über ein Jahr Ukrainehilfe eingebracht. Wann berichtet werden soll, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.

CSU fordert Mandatsträger-Beiträge von Habel

Erst vor kurzem hatte Jürgen Habel Ärger mit seiner früheren Partei, der CSU. Seit dem 1. März ist der 43-Jährige kein Mitglied mehr, weil er nach CSU-Angaben seit 2020 keine Mandatsträger-Beiträge mehr bezahlte. Mit seiner Partei, aber auch mit anderen Parteien im Stadtrat hatte er sich zerstritten. Wegen Habels andauernder Zahlungsverweigerung sei seine Mitgliedschaft erloschen, sagt der Vorsitzende des CSU-Ortsverbands, Christian Ell, der zugleich zweiter Bürgermeister von Langenzenn ist, auf Anfrage von BR24. Nun fordert der Ortsverband von Jürgen Habel 10.000 Euro zurück. Wenn der Bürgermeister nicht zahle, blieben nur rechtliche Schritte, so Ell. "Das sind wir unseren Mitgliedern schuldig, das ist ja nicht das Geld des Vorstands, sondern das aller Mitglieder."

Auch zu den fehlenden Mitgliederbeiträgen bat BR24 den Langenzenner Bürgermeister um Stellungnahme. Eine Antwort kam bis heute nicht.

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